Der Oberbürgermeister hatte die Seelen seiner Parteifreunde schon fast eine Stunde kräftig massiert, den "schrecklichen Wahlergebnissen" der SPD in den vergangenen beiden Jahren die Erfolge und Zukunftsideen der Sozialdemokraten in München entgegengestellt, als er am Ende seiner Rede die Parole für die 15 Monate bis zur Kommunalwahl ausgab. "Wir können aufgeben, nachgeben - oder alles geben. Ich bin dafür, dass wir alles geben", rief Dieter Reiter in den vollen Saal des Hofbräukellers. Mit lange anhaltendem Beifall, für den sich die meisten von den Stühlen erhoben, dankten ihm die Parteifreunde für seine Kampfansage. Sogar vereinzelte "Dieter, Dieter"-Sprechchöre waren zu hören.
Reiter erfüllte nicht nur mit dem Schluss seiner Rede, was sich die Parteistrategen und auch er selbst offensichtlich vorgenommen hatten. Das traditionelle Dreikönigstreffen der Münchner SPD sollte die gebeutelten Sozialdemokraten aufrütteln, ihnen neuen Mut geben, die Niederlagen aus der Bundestags- und Landtagswahl in den Hintergrund schieben. Auf den üblichen Gastredner aus dem Bund oder dem Land hatte man deshalb verzichtet, sondern den Mann mit den besten Erfolgsaussichten nach vorne geschickt. Der OB verzichtete dafür im Gegensatz zum Stadt-Parteitag auf Andeutungen, dass er sich frisches Personal für die Kommunalwahl wünsche. Er lobte seine Stadtratsfraktion, niemand sollte sich Sorgen um seine persönliche Zukunft machen an diesem Tag. Alle sollten nur die eine Botschaft für das gute Jahr aufnehmen, das für die Zukunft der Münchner SPD und der SPD insgesamt sehr wichtig werden könne: "Wir müssen und werden zeigen, dass es nach all den bitteren Niederlagen eine Trendwende geben kann. Eine Trendwende, die von München ausgeht."
Opposition:Die Bayern-SPD führt die falschen Debatten
Junge oder Alte, Kohnen oder nicht: Die Genossen sollten sich stattdessen lieber um sozialdemokratische Inhalte kümmern.
Im Rauchereck vor dem Hofbräukeller zeigte sich die Basis mit dieser Ansage zufrieden. "Das hat gut getan", hieß es übereinstimmend. Richtig motivierend sei die Rede des OB gewesen, auch inhaltlich. Mit der Idee der autofreien Altstadt habe er die SPD wieder zur Avantgarde gemacht und die Grünen mit ihrer City-Maut alt aussehen lassen. Oben vor dem Saal sagt eine Sozialdemokratin zu einer Parteifreundin: Zuerst sei schon der OB gut gewesen, und dann habe der Franz Maget "noch eins draufgesetzt".
Auch den früheren langjährigen Fraktionsvorsitzenden im Landtag hatte die Münchner SPD als Stimmungsaufheller im Dreikönigs-Programm. Der noch heute mit langem Applaus empfangene Maget nahm offiziell die höchste Auszeichnung der bayerischen Sozialdemokraten, die Georg-von-Vollmar-Medaille, entgegen. Bei diesem Anlass stimmte er die Münchner Sozialdemokraten auf einen langen Wahlkampf ein, für den er zwei Ziele vorgab. "Unsere wichtigste Aufgabe ist, dass Dieter Reiter OB von München bleibt und die SPD eine bestimmende Kraft im Rathaus." Wie das geht, sollten die leidgeprüften Sozialdemokraten von den leidgeprüften Löwenfans lernen, sagte der TSV 1860-Anhänger Maget. Diese riefen bei einer drohenden Niederlage: "Wir wollen euch kämpfen sehen." Genau das erwarteten die Münchner Bürger nun von ihrer SPD, sagte Maget. "Sie wollen uns kämpfen sehen."
Wofür, das hatte OB Reiter in seiner Rede schon deutlich gemacht. Der öffentliche Nahverkehr müsse die Leistung bringen, für die die Münchner schon jetzt bezahlten. Dessen Ausbau sei zentral für das wichtigste Zukunftsthema der Stadt noch vor den Mieten, für die Mobilität. Viele und immer mehr würden mit dem Rad fahren, viele und künftig hoffentlich weniger mit dem Auto, doch entscheidend sei ein funktionierendes Nahverkehrsnetz. Das schließe nicht nur neue U-Bahnen ein, sondern auch die zweite Stammstrecke, ein Nord- und Südring für die S-Bahn und auch eine Seilbahn am Frankfurter Ring.
Natürlich werde er auch weiter gegen ansteigende Mieten kämpfen, es mit "Branchenriesen" wie Airbnb bei der Zweckentfremdung von Wohnungen aufnehmen und die großen Unternehmen zum Bau von Werkswohnungen motivieren, sagte Reiter. Da die Firmen auf freiwilliger Basis nicht mitzögen, prüfe er nun, ob sich die Vergabe von Gewerbeflächen mit dem Neubau von Wohnungen koppeln ließe. Zentral in Reiters Ansprache tauchte immer wieder die Frage der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft auf, für die nur die SPD sorgen könne. Reiter verwies hierbei auch auf Erfolge der SPD wie die neuen Kita-Gebühren, die Eltern in München "mehrere Hundert Euro netto im Monat" bringen würden.
Doch die Ausflüge in die Vergangenheit fielen meist kurz aus, Reiter war sichtlich bemüht, der Partei die richtige Dosis an Mut einzuimpfen. Sie sollte Selbstbewusstsein aufnehmen, aber keineswegs in Selbstzufriedenheit verfallen. "Wahlen werden nicht dadurch entschieden, was man geleistet hat, sondern was man in Zukunft vorhat." Diese Fragen müsse man überzeugend beantworten, nicht in geschlossenen Zirkeln, nicht in abgetrennten Räumen, sondern auf der Straße.
Reiter will das von seinen Parteifreunden nicht erst in der heißen Phase des Wahlkampfs sehen, sondern "ab sofort". Nicht klagen und jammern sei angebracht, sondern "angreifen und kämpfen". Dazu gehöre auch, unbequeme Themen anzupacken. Wenn er höre, welche Mengen Feinstaub Silvsterknaller jedes Jahr in die München Luft bliesen, müsse man darüber nachdenken, nur noch ein zentrales Feuerwerk der Stadt zu erlauben, sagte Oberbürgermeister Reiter und erntete starken Applaus.
So "bürgernah und kraftvoll anpackend" wie der OB, müsse die Münchner SPD auftreten, hatte auch schon Stadtchefin Claudia Tausend bei der Begrüßung gesagt. "Ärmel hochkrempeln, Helm auf, raus zu den Leuten." Dann könne vielleicht sogar wahr werden, was die Jusos als Motto für die SPD auf die Tische im Hofbräukeller hinterlegt hatten: "Vor uns liegen wunderbare Tage."