Süddeutsche Zeitung

Sozialreferentin erklärt Rückzug:Brigitte Meier geht

Als die CSU der Sozialreferentin das Vertrauen entzieht, wird der Druck auf die SPD-Politikerin zu stark. Sie erklärt ihren Rückzug von der Kandidatur. Ihre Partei hat keinen Ersatz und will den Posten ausschreiben

Von Heiner Effern

Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) gibt auf: In einer persönlichen Erklärung teilte sie am Mittwoch mit, dass sie ihre Kandidatur für eine zweite Amtszeit zurückzieht. "Das wichtige Amt in schwierigen Zeiten kann nicht nur mit voller Rückendeckung der SPD erfolgreich ausgeübt werden, sondern braucht auch eine breite Mehrheit im Stadtrat." Diese war in den vergangenen Wochen zusehends geschwunden, als Schlampereien bei der Abrechnung von Flüchtlingskosten in ihrem Haus bekannt wurden. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Reissl drückten Bedauern über diese Entscheidung aus, zeigten aber auch Verständnis.

"In der Flüchtlingspolitik ist ein breiter Konsens und eine große Zustimmung im Stadtrat unerlässlich. Wenn sich jetzt abzeichnet, dass dies so nicht mehr gewährleistet ist, verstehe ich, dass Frau Meier hieraus ihre persönlichen Konsequenzen zieht", ließ OB Reiter schriftlich mitteilen. Meier hatte ihre Entscheidung am Mittag in einer Sondersitzung der SPD-Fraktion im Rathaus mitgeteilt. Danach würdigten die Parteifreunde ihre Leistungen. "Sie hat insbesondere in der Flüchtlingskrise Großartiges geleistet. Wir haben es in München geschafft, dass Flüchtlinge weder in Turnhallen noch in Zelten untergebracht werden mussten", sagte Reissl. Das sei auch ein Verdienst Meiers, die große Herausforderungen zu meistern hatte.

Die 51-Jährige wird bis zum Ende ihrer Amtszeit am 30. Juni im Amt bleiben, "mit vollem Einsatz und gewissenhaft", wie sie erklärte. Wer ihr nachfolgen wird, steht noch nicht fest. Die SPD, die laut Absprache mit der CSU das Vorschlagsrecht für den Spitzenposten im Sozialreferat hat, tendiert dazu, die Stelle nun ausschreiben. Hauptkriterium sei die fachliche Eignung, sagte Fraktionschef Reissl. Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass das Sozialreferat die ureigene Domäne seiner Partei ist. "Wenn jemand unser Parteibuch hat oder uns nahe steht, darf das kein Hindernis sein." Partei-Vize Roland Fischer sagte, die endgültige Entscheidung für eine Ausschreibung sei noch nicht gefallen. "Wir werden das ohne Hektik überlegen." Die Wahl der anderen fünf Referenten, die für den 25. Februar angesetzt ist, wird wie geplant stattfinden.

Ausgelöst hatte den Rückzug Meiers die CSU. Am Morgen traf sich die Fraktion zu einer Sondersitzung, um über die Aufarbeitung der Probleme im Sozialreferat mit den Flüchtlingskosten zu beraten. Der am Tag zuvor präsentierte Bericht des Revisionsamts stellte die Fraktion nicht zufrieden. Wegen versäumter Fristen fehlt ein Betrag zwischen 1,1 und 1,7 Millionen Euro. Doch Alexandra Erl-Kiener, Chefin des Revisionsamtes, wollte sich nicht festlegen, dass dies eine endgültige Schadenssumme sei. Das hatte aber die CSU zur Voraussetzung für die Wahl Meiers gemacht. Es gebe zu viele offene Fragen für eine Wiederwahl, hieß es in der Fraktionssitzung der CSU. Die Wahl müsse verschoben werden, bis diese geklärt seien, beschlossen die CSU-Stadträte. Diese Botschaft überbrachten die Fraktionsspitze und Bürgermeister Josef Schmid (CSU) OB Reiter.

Nach der Entscheidung Meiers hielt sich die CSU betont zurück und würdigte ihre Verdienste. "Wir alle wissen, wie schwierig und vielfältig die Aufgaben im Sozialreferat sind, besonders in Hinblick auf die großen Herausforderungen im Bereich der Flüchtlingspolitik", sagte CSU-Fraktionschef Hans Podiuk. "Auch angesichts der derzeitigen Probleme schätzen wir Brigitte Meier als sehr engagierte Sozialreferentin." Auch die Opposition zeigte Verständnis für Meier, begrüßte aber ihren Rückzug.

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SZ vom 18.02.2016
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