Ausländische Arbeitnehmer:So bekommen Migranten bessere Jobs

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Regina Ober leitet die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen des Sozialreferates. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Ausländische Zeugnisse und Qualifikationen gelten oft nicht als gleichwertig mit deutschen Abschlüssen.
  • Die vor zehn Jahren im Sozialreferat eingerichtete Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen leistet erfolgreich und wirksam Hilfe, um einen Job zu finden, der dem in der früheren Heimat entspricht.
  • Den Ratsuchenden sichert das erheblich mehr Einkommen, der Stadt beschert es mehr Steuereinnahmen und weniger Sozialleistungen.

Von Sven Loerzer

Als Lehrer im Supermarkt Regale auffüllen, als Ingenieur in der Küche spülen - das kann für Migranten mitunter bittere Realität sein. Denn ausländische Zeugnisse und Qualifikationen gelten oft nicht als gleichwertig mit deutschen Abschlüsse. Der Weg in einen Job, der dem in der früheren Heimat entspricht, ist mit Hindernissen gepflastert, auch wenn der Bedarf an Fachkräften riesengroß ist. Die vor zehn Jahren im Sozialreferat eingerichtete Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen leistet dabei überaus erfolgreich und wirksam Hilfe. Den Ratsuchenden sichert das erheblich mehr Einkommen, der Stadt beschert es mehr Steuereinnahmen und weniger Sozialleistungen. Die Ausgaben für das Angebot amortisieren sich bereits nach drei Jahren.

"Mit der Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation verdienen die betroffenen Personen durchschnittlich 350 Euro brutto mehr im Monat", erklärt Sozialreferentin Dorothee Schiwy, die das Ergebnis der Wirkungsstudie des Zentrums für soziale Innovation aus Wien dem Stadtrat vorgelegt hat. "Viele sind dadurch nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen, was wiederum den staatlichen und städtischen Haushalt deutlich entlastet." Zudem liege die Beschäftigungsquote der Beratenen deutlich über der Quote der Gesamtbevölkerung. "Es lohnt sich, auch zukünftig in die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zu investieren", bekräftigte die Sozialreferentin. "Das fördert nicht nur die Integration in unserer Stadt, sondern bereichert auch den Arbeitsmarkt mit Fachkräften, die nicht nur Münchner Unternehmen und Einrichtungen so dringend brauchen."

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Die Servicestelle startete als Modellprojekt im Herbst 2009 mit zwei Mitarbeiterinnen. Die Stadt hatte die Beratung eingerichtet, weil viele Migranten sich schwer taten, ihre ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüsse anerkennen zu lassen. Das bildete sich in einer hohen Arbeitslosenquote ab, ebenso wie darin, dass viele nur eine Beschäftigung fanden, die ihrer Ausbildung nicht angemessen war. Viele blieben mit einer Tätigkeit im Niedriglohnsektor auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Im Jahr 2012 wurde das Angebot endgültig etabliert. Der sozialpolitische Sprecher der Rathaus-CSU, Marian Offman, hatte beantragt, die Stelle beim Amt für Wohnen und Migration einzurichten. "Ich bin sehr glücklich, dass mein Antrag mit so viel Erfolg umgesetzt worden ist", sagt Offman. Die Nachfrage sei sehr groß, die Wartezeit auf einen Termin liege bei sechs bis sieben Wochen. "Die Menschen bekommen wirklich gute Jobs." Von Anfang an war er überzeugt, dass sich auch für die Kommune finanzielle Vorteile ergeben, was die Studie nun eindrucksvoll belegt hat. Der Stadt habe es auch geholfen, dringend benötigtes Personal für die Kinderbetreuung zu gewinnen.

Die Arbeit der Servicestelle hat sich bewährt, die eigentliche Anerkennung läuft schneller, wenn alle erforderlichen Unterlagen und Bescheinigungen bereits vorliegen. Mehr als 4500 Beratungen leisten die inzwischen elf Anerkennungsberater jährlich, etwa 1900 Ratsuchende nutzen das Angebot. Der größte Teil, 13,3 Prozent, kam in den vergangenen zehn Jahren mit einem Abschluss, der dem deutschen Berufsbild eines Lehrers zuzuordnen wäre. An zweiter Stelle stehen die Ingenieure (10,9 Prozent), an dritter wirtschaftswissenschaftliche Abschlüsse (8,3 Prozent). Es folgen Gesundheits- und Krankenpfleger (3,3 Prozent), Ärzte (2,9 Prozent), Sozialpädagogen und Erzieher (jeweils 2,6 Prozent), sowie Psychologen (2,3 Prozent) und Juristen (1,8 Prozent). Nicht bei allen Abschlüssen ist eine formale Anerkennung für die Berufsausübung erforderlich, so etwa im IT-Bereich. In anderen Bereichen ist es schwieriger, aber da gibt es durch die Zusammenarbeit mit Projekten inzwischen konkrete Hilfe: Für Ärzte zum Beispiel einen Vorbereitungskurs an der Universität für die Kenntnisstandprüfung.

Die berufliche Anerkennung bringt den Ratsuchenden im Schnitt 350 Euro pro Monat mehr Bruttoeinkommen

Nicht nur die Anerkennung einer ausländischen Qualifikation hat nach der Studie, die auf der Auswertung von mehr als 1700 Antworten aus einer Online-Umfrage unter Beratenen basiert, hohen Einfluss auf die Beschäftigungssituation. Auch sehr gute Deutschkenntnisse spielen eine wichtige Rolle. Die berufliche Anerkennung bringt den Ratsuchenden im Schnitt 350 Euro pro Monat mehr Bruttoeinkommen, mit Deutschkursen und Qualifizierungskursen lässt sich das Salär um weitere 200 Euro steigern. Wer als pädagogische Fachkraft beschäftigt werden darf, erzielt damit 571 Euro mehr, in einem medizinischen Beruf sogar 1169 Euro.

Die Stadt wiederum kann sich darüber freuen, dass zumindest ein Teil der Personallücken in Mangelberufen geschlossen wird. "Allein im Bereich der Kinderbetreuung haben 410 Pädagoginnen nach der Beratung durch die Servicestelle einen passenden Arbeitsplatz gefunden", erklärt Dorothee Schiwy.

Der Studie zufolge waren 2017 fast 75 Prozent der ehemals Beratenen erwerbstätig - rund 40 Prozent in ihrem Berufsfeld, 33 Prozent außerhalb, aber mit Bruttoeinkommen von 2000 Euro und mehr im Monat. Das zahlt sich für die Stadt aus über höhere Steuereinnahmen und weniger Ausgaben für Sozialleistungen. Vom Nutzen zeigten sich die Stadträte überzeugt. Weil der Weg in die Anerkennung von Qualifikationen nach wie vor schwierig ist, müsse die Servicestelle, wenn nötig, auch ausgebaut werden, sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD, Christian Müller, mit Blick auf den steigenden Fachkräftebedarf. "Jedes Land hat seine eigenen Abschlüsse." So sei zum Beispiel das Tätigkeitsfeld eines Vorschullehrers aus dem englischsprachigen Raum nicht mit dem eines Erziehers vergleichbar.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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