Sozialprojekt am Sendlinger Tor:Ein Heim für Wohnungslose

Thalkirchner Straße 9 mit den vielen Mini-Balkonen, das wird ein Flüchtlingswohnheim

Beste Lage: Die Familienunterkunft für bis zu 250 Wohnungslose liegt unweit des Sendlinger Tors.

(Foto: Florian Peljak)

Bislang lebten in dem Apartmenthotel in bester Lage hauptsächlich Studenten. Nun sollen in dem Haus in der Thalkirchner Straße Familien unterkommen, die aus verschiedenen Gründen obdachlos sind.

Von Thomas Anlauf

Das Angebot klingt verlockend: "Unser Haus Sendlinger Tor liegt im Herzen Münchens, in einem der schönsten Stadtteile, dem Glockenbachviertel. Die Lage ist absolut zentral, zahlreiche Shopping-Möglichkeiten, Restaurants, Cafés und Bars sind in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar." So steht es auf der Homepage der Firma Neuhab GmbH, die bis vor Kurzem an der Thalkirchner Straße 9 das Apartmenthotel "Haus Sendlinger Tor" betrieben hat. Die Wohnungen zwischen 17 und 45 Quadratmetern Wohnfläche kosteten ab 690 Euro monatlich.

Doch jetzt steht das Haus vorübergehend leer. Denn die Eigentümergemeinschaft hat einen neuen potenziellen Großmieter: die Stadt München. Wenn der Stadtrat in seiner Sitzung am 10. September zustimmt, sollen bereits in wenigen Wochen wohnungslose Familien einziehen. Statt bislang etwa 100 Menschen werden es dann bis zu 250 sein, darunter voraussichtlich mehr als 100 Kinder.

Mietshaus statt Pension

Betrieben werden soll die "betreute Sofortunterbringung für Familien" vom Evangelischen Hilfswerk, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Inneren Mission München. Die Einrichtung der Wohnungslosenhilfe "wird voraussichtlich Mitte September 2014 eröffnet", heißt es auf der Homepage der Inneren Mission. Doch so schnell wird es vermutlich nun doch nicht gehen. Denn erst wenn der Stadtrat dem Projekt zustimmt, können auch die Verträge unterzeichnet werden. "Ich gehe von Ende September bis Anfang Oktober aus", sagte Gordon Bürk, Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Die Nachbarn des sechsstöckigen Gebäudes, in dem bislang vor allem Studenten gewohnt haben, sind laut Bürk bereits schriftlich über das betreute Wohnprojekt informiert worden. Die künftigen Bewohner sind Familien, die "wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder fehlender Lebenskompetenz" ohne Wohnung dastehen, sagt Bürk. Die meisten sind derzeit in Münchner Pensionen untergebracht. Doch das sei zum einen teuer, zum anderen könnten die Menschen dort nicht so gut betreut werden wie in dem künftigen Wohnheim an der Thalkirchner Straße.

Es werde eine "sehr effektive und nutzvolle Einrichtung" sein, glaubt der Chef des Hilfswerks. "Es wird nichts entstehen, wo die Leute einfach hineingepresst werden." So gebe es in der Wohnanlage Apartments mit 17 Quadratmetern, die mit einem Paar belegt werden könnten, andere Wohnungen haben 21 bis 25 Quadratmeter Platz, das genüge für eine dreiköpfige Kleinfamilie, findet der Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks.

Sehr guter Standort für das Sozialprojekt

Die Wohnanlage soll rund um die Uhr betreut werden, nachts soll zumindest die Pforte besetzt sein. "Wir haben einen guten Personalstand dort", sagt Bürk. Weil so viele Kinder einziehen sollen, wird es nicht nur sozialpädagogisches Fachpersonal, sondern auch Erzieherinnen geben. In dem großen Innenhof wird es wohl auch einen Spielplatz geben. Dem Eigentümer sei es offenbar wichtig gewesen, dass es nun in dem Haus künftig ein soziales Projekt gebe, so Bürk.

Bürk hält die Adresse nahe dem Sendlinger Tor für einen "sehr guten Standort". Bislang seien wohnungslose Menschen oft in Anlagen am Stadtrand untergebracht. "Ich möchte schon sagen, dass wohnungslose Menschen genau mitten in die Gesellschaft gehören", so Bürk. Schließlich müssten gerade sie häufig zu Ämtern, mitten in der Stadt seien die Behörden einfach leichter zu erreichen. Unklar ist bislang, wie sich die neuen Bewohner mit der Nachbarschaft vertragen.

Mietvertrag über zehn Jahre

Bereits im Vorfeld gab es Gerüchte von Anwohnern, wonach das Wohnheim nur kurzfristig geöffnet und dann luxussaniert werden könnte. Solche Spekulationen weist das Sozialreferat, das die Kosten für das Wohnprojekt trägt, zurück: Der Mietvertrag laufe zunächst über zehn Jahre, "mit der Option auf Verlängerung", sagt Frank Boos, Sprecher des Referats. Kritik von Anwohnern, dass es in dem eng bebauten Gebiet kaum Aufenthaltsorte für die vielen neuen Bewohner gebe, wird von der Stadt notgedrungen in Kauf genommen. "Wir suchen händeringend nach geeigneten Objekten", sagt Boos. "Wir nehmen, was wir kriegen."

Denn nicht nur die Zahl der Wohnungslosen in München steige ständig, auch der anhaltende Flüchtlingsstrom stellt das Sozialreferat vor große Herausforderungen. Die Alternative wäre, "wir machen Turnhallen auf oder bauen Zeltstädte - das will sicherlich auch keiner". Das sieht auch Hilfswerk-Geschäftsführer Gordon Bürk so: "Die Stadt hat schließlich eine Unterbringungsverpflichtung."

Neu an dem Projekt ist, dass die Innere Mission die Familienunterkunft an der Thalkirchner Straße nicht nur betreuen, sondern erstmals auch betreiben soll. Bislang war bei vergleichbaren Projekten die Stadt Betreiberin. Das Evangelische Hilfswerk der Inneren Mission hat zahlreiche soziale Projekte im Münchner Stadtgebiet. Es gibt die Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe für Männer und Frauen, das Streetwork-Projekt Teestube "komm" an der Zenettistraße, die Evangelische Bahnhofsmission, eine Schuldner- und Insolvenzberatung und seit Ende 2013 das "Schiller 25", eine Beratungsstelle für obdachlose Zuwanderer. Im Hilfswerk sind 213 haupt- und 359 ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt.

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