Soziales:Speed-Dating für den guten Zweck

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Thorsten Kreissig, Gründer der "Refugee Academy", und Änne Jacobs von der Initiative "Kinder laufen für Kinder" werben für ihre Sache. (Foto: Florian Peljak)

Geld trifft Sinn: Bei der zweiten Münchner Geberkonferenz sitzen Hilfsorganisationen und Spender an einem Tisch

Von Thomas Jordan

"Es geht drum, dass wir ganz konkret eine Geldspende brauchen." Simone Eiche redet nicht lange um den heißen Brei herum. Die Geschäftsführerin des Frauen-Therapie-Zentrums sucht Geldgeber, um Dolmetscherinnen und Kinderbetreuerinnen für eine Gruppe von psychisch kranken Flüchtlingsfrauen zu bezahlen. Eiches direkte Art kommt gut an an diesem Abend an Tisch sechs im Clubraum des Künstlerhauses am Lenbachplatz. Schließlich ist genau das die Idee der Geberkonferenz von Sonet, dem Verein Soziales Netzwerk München: Zum zweiten Mal nach 2015 bringt der Münchner Dachverband sozialer Stiftungen Vertreter von Hilfsprojekten mit privaten Spendern und Geldgebern aus Unternehmen oder Stiftungen zusammen.

Geld und Sinn begegnen sich. Und was dabei herauskommt, erinnert ein wenig an Speed-Dating für den guten Zweck. Fünf bis zehn Minuten haben die Spendensammler Zeit, ihre Projekte vorzustellen. Neben viel Enthusiasmus der etwa 70 überwiegend weiblichen Teilnehmer kommt dabei auch Erschütterndes zur Sprache. Dass die Selbstmordrate von homosexuellen Frauen vier bis sieben Mal so hoch ist wie bei Heterosexuellen zum Beispiel, wie Rita Braaz von der Lesbenberatungsstelle Letra berichtet. Danach gibt es für die potenziellen Spender am Tisch Gelegenheit zu Nachfragen zu einzelnen Initiativen, nach einer knappen Stunde wechseln die Vertreter der Hilfsorganisationen einen Tisch weiter, die Geber bleiben sitzen.

Wer an diesem Abend Spenden sucht und wer spenden will, das erkennt man an Tisch sechs auf den ersten Blick. T-Shirt trifft Designerkleid, so könnte man den inoffiziellen Dresscode der Geberkonferenz nennen. Thorsten Kreissig zum Beispiel. Der Regisseur ist Gründer und Vorstand der "Refugee Academy". In knallgelbem Shirt und schwarzer Weste redet er sich fast in einen Rausch, wenn er davon erzählt, wie sich aus einem Sprachkurs für Flüchtlinge inzwischen eine private Volkshochschule entwickelt hat, an der Flüchtlinge nicht nur lernen, sondern auch selber lehren können. Maria Thon, Geschäftsführerin der Baywa-Stiftung, sitzt zwei Plätze weiter rechts von Kreissig und hört aufmerksam zu. Nach dem Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" fördert ihre Stiftung weltweit rund 20 Bildungsprojekte in den Bereichen Ernährung und erneuerbare Energien. Zusammen mit der Technischen Universität München baut Thon gerade ein Programm auf, das es afrikanischen Frauen ermöglicht, bis zu fünf Jahre in München "Land-Management" zu studieren, um ihr Wissen im Anschluss in ihren Heimatländern weiterzugeben.

Im Mittelpunkt der Geberkonferenz stehen in diesem Jahr Frauen und Mädchen. Die Idee war während der letzten Geberkonferenz 2015 entstanden. Aus mehr als 2500 Hilfsorganisationen im Münchner Raum habe er diejenigen Projekte eingeladen, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind, sagt der Organisator und Vorstand von Sonet, Frank Enzmann: "Damit die jemanden finden können, der ihnen eine Tür öffnet."

Die eigentliche Herausforderung ist es an diesem Abend aber, die jeweiligen Förderzwecke der Geber, die oft streng thematisch festgelegt sind, und die Hilfsangebote aufeinander abzustimmen. Riesling und Häppchen helfen dabei, entscheidend sind aber Kreativität und guter Wille auf beiden Seiten. So manche Teilnehmerin macht sich dabei Gedanken, ob sie mit ihrem Hilfskonzept im Wetteifern um die Spendergunst bestehen kann. Psychotherapeutische Unterstützung für Frauen etwa sei ein Thema, "das nicht besonders wettbewerbsfähig ist", meint Simone Eiche.

Einig sind sich an diesem Abend alle, dass Stadt und Staat nicht alle Sozialaufgaben erfüllen können, die wünschenswert sind. Und ab und zu funkt es dann auch im Laufe dieses Abends beim Speed-Dating zwischen Geld und Sinn. In der Pause nach der ersten Runde stecken Maria Thon und Simone Eiche ihre Köpfe zusammen. Schon während der Diskussion am Tisch hatte die Geschäftsführerin der Baywa-Stiftung Simone Eiche angeboten, sie in ihr Stiftungs-Netzwerk aufzunehmen und mit Experten zusammenzubringen, die ihr zeigen, wie man professionell Gelder akquiriert. Das ist zwar nicht die erhoffte Geldspende, aber die Geschäftsführerin des Frauen-Therapie-Zentrums freut sich trotzdem darüber. Mitarbeiter von IT-Unternehmen haben auch schon kostenlos die Räume im Therapiezentrum geweißelt. "Das war eben deren Form zu helfen", sagt sie. Dazu passt, dass gerade eben im Stadtrat die aktuellen Zahlen zum gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen bekannt gegeben wurden: 3800 Mitarbeiter von Münchner Firmen haben sich demnach in den Jahren 2014 bis 2016 eingesetzt, um sozial bedürftigen und benachteiligten Menschen zu helfen. Eine "deutliche Steigerung", heißt es vom Sozialreferat der Stadt München.

Auch im Clubraum des Künstlerhauses fällt auf, dass Geldspenden nur einen Bruchteil der Hilfe darstellen, die an diesem Abend dankbare Abnehmer findet. Gitta Gritzmann vom Verein "Kinder lesen und schreiben für Kinder" will etwa die Kinderbetreuung im Frauentherapiezentrum mit Lesematerial unterstützen. Und der Schauspieler Thomas Darchinger gibt Marketing-Tipps für Sozialprojekte.

Es gibt sie aber auch, die Teilnehmer an diesem Abend, die mit der festen Absicht hergekommen sind, eine ganz konkrete Summe zu spenden. Ein älteres Ehepaar zum Beispiel macht sich nach drei Stunden sozialem Speed-Dating zufrieden auf den Heimweg. Die beiden haben gerade 6000 Euro für drei verschiedene Projekte zugesagt, das Geld zahlen sie auf ein Konto der Stadt München ein. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich ja auch für Simone Eiche noch etwas. Schließlich ist die Geberkonferenz erst der Auftakt zu einem Dialog zwischen Geld und Sinn, bei dem man am Ende des Abends in viele zufriedene Gesichter sieht.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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