Süddeutsche Zeitung

Soziale Arbeit:Reservefamilie hilft beim Sprung ins Berufsleben

Die Aktion "Startstark" hilft Kindern aus schwierigen Verhältnissen in Riem - nun wird sie von der selben Stiftung unterstützt wie Lichtblick Hasenbergl.

Von Christian Krügel

Menschen aus 120 Nationen leben in der Messestadt Riem, in keinem Stadtviertel gibt es mehr Kinder als hier - und zugleich ist nirgendwo die Jugendarbeitslosigkeit so hoch. Trotzdem wolle das junge Quartier sich in keinem Fall als Problemviertel sehen oder als das neue Hasenbergl gelten, sagt Annette Reisinger: "Wir müssen das enorme Potenzial sehen, das all die jungen Menschen bei uns haben, wenn wir sie nur ein wenig unterstützen." Sie selbst hat das an einem Mädchen erlebt, das sie betreute. Die Zehnjährige, eines von mehreren Kindern einer Migrantenfamilie, war gesund und intelligent, hatte aber trotzdem erhebliche Entwicklungsdefizite. Ihren Eltern fehlten Zeit und finanziellen Möglichkeiten, um sich ausreichend um sie zu kümmern. Für Reisinger war das der Anlass, die Aktion "Startstark" zu gründen: Jugendliche sollen auf ihrem Weg zum Beruf kontinuierlich begleitet und gefördert werden. Seit Mai hat die Initiative ein kleines Ladenlokal in der Messestadt, das zum Treffpunkt für viele Familien geworden ist. 27 Mittelschülern verhalf "Startstark" zu schulbegleitenden Praktika, mittlerweile gibt es eine enge Kooperation mit der örtlichen Mittelschule, und aus der spontanen Idee wurde eine gemeinnützige GmbH. Deren Geschäftsführer Norbert Blesch gibt offen zu, was sein Vorbild ist - und dann fällt eben doch der Name Hasenbergl: "Was Johanna Hofmeir und ihr Team bei Lichtblick Hasenbergl leisten, ist so großartig und inspirierend", sagt er.

Tatsächlich gilt das Projekt im Norden als Vorzeigeeinrichtung der Jugendhilfe. Seit mehr als 20 Jahren fördern die Sozialpädagoginnen Johanna Hofmeir und Dörthe Friess mit ihrem Team Kinder und Jugendliche von einem bis 25 Jahren, die aus schwierigen Verhältnissen kommen. "Wir sind wie eine Reservefamilie, die alle Defizite von daheim ausgleicht", sagt Hofmeir. Mehr als 200 Kinder haben dank "Lichtblick" Schulabschlüsse und einen Start ins Berufsleben geschafft - "oft als erste in ihrer Familie", so Hofmeir. Und weil sich die Initiativen im Norden und Osten der Stadt so ähnlich sind, gibt es nun auch eine gemeinsame Klammer. Die Stiftung, die Lichtblick Hasenbergl gründete und trägt, wird sich nun auch des Projekts "Startstark" in Riem annehmen.

"Die sozialen Herausforderung sind hier wie da enorm", sagt Georg Randlkofer. Der frühere Dallmayr-Chef leitet gemeinsam mit Rechtsanwalt Hans-Robert Röthel, Anna Prinzessin von Bayern und Veronika von Wulffen die Organisation, die sich fortan nur noch "Stiftung Lichtblick" nennt - und bei Münchnern Geld sammeln soll. Wie am Mittwoch im Prinzregententheater: Bei einem Konzert mit den Münchner Symphonikern wurde das neue Projekt präsentiert, mehr als 302 000 Euro kamen zusammen. Geld, das es dringend brauche, so Randlkofer: "Wir dürfen nicht nachlassen, jungen Menschen die Kraft zu geben, damit sie eigenverantwortlich ihr Leben gestalten können."

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Quelle:
SZ vom 20.10.2017
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