Sonnenfinsternis:"Es rufen in Scharen verzweifelte Eltern an"

Thomas Baader SoFi-Brillen

Ein Profi wie Thomas Baader, Physiker und Folienhersteller zur Sonnenbeobachtung, schaut am Freitag in der eigenen Sternwarte, auf dem Dach.

(Foto: Günther Reger)

Physiker Thomas Baader stellt seit vielen Jahren Brillen und Folien zur Sonnenbeobachtung her. Momentan kommt er mit der Lieferung kaum noch hinterher. Schuld sind die Schulämter.

Interview von Carolina Heberling

Wer am Freitag in den Himmel blickt, wird etwas Ungewöhnliches zu Gesicht bekommen: Von 9.30 Uhr an lässt sich über Deutschland knapp eine Stunde lang eine partielle Sonnenfinsternis beobachten. Wer sie ansehen will, braucht eine Schutzbrille, wie sie Thomas Baader aus Mammendorf herstellt. Mit seiner Firma Baader Planetarium fertigt der Physiker seit 1972 Brillen und Folien zur Sonnenbeobachtung. Momentan kommt der 60-Jährige mit der Lieferung aber kaum noch hinterher.

SZ: Herr Baader, haben Sie erwartet, dass Ihre Brillen so nachgefragt werden?

Thomas Baader: Nein, niemals, denn es ist ja nur eine partielle Sonnenfinsternis. Die Sonne scheint ja, und niemand schaut in die Sonne, weil das ja schmerzen würde.

Bei einer totalen Sonnenfinsternis wäre die Gefahr größer?

Ja. Da kann man mit bloßem Auge ohne Brille in die Sonne schauen, weil der Mond sie bedeckt. Wer dann den Moment verpasst, in dem die Sonne aus dem Mondschatten wieder hervortritt, kann sich die Augen verblitzen, also sich eine Hornhautentzündung zuziehen, die äußerst schmerzhaft sein kann. Aber so eine Gefährdungssituation besteht nicht. Deswegen haben wir niemals damit gerechnet, dass ein solcher Bedarf entsteht. Der Ansturm auf die Brillen ist ja auch nur in Deutschland so stark.

Warum?

Es rufen hier in Scharen verzweifelte Eltern und Lehrer an, die von ihren Schulämtern instruiert wurden, dass eine Sonnenfinsternis drohe. Schüler, die keine Brille haben, müssen im Klassenzimmer bleiben, um eine Gefährdungssituation zu vermeiden. Diese Direktive kam aber erst letzten Freitag - deshalb ist der Run auf diese Brillen auch so urplötzlich entstanden.

Und jetzt wollen alle Schulen die Brillen haben, damit die Kinder die Sonnenfinsternis ansehen können.

Nicht nur deswegen. Die Lehrer wissen gar nicht, wie sie ihrer Aufsichtspflicht nachkommen sollen, wenn sie die Schüler während der Pause in der Klasse halten sollen. Unfassbar, in welche Panik die Schulämter ganz Deutschland damit gestürzt haben.

Wird in anderen Ländern ein ähnlicher Hype um die Sonnenfinsternis gemacht?

2008 und 2009 war zwei Mal eine totale Sonnenfinsternis über China zu sehen - und es haben 1,3 Milliarden Menschen nicht hingeschaut. Die hat das Ereignis völlig kalt gelassen. Das war einfach in deren Aufmerksamkeitsradius nicht vorhanden. Offensichtlich ist die Sensibilisierung durch die Sonnenfinsternis 1999 hierzulande noch sehr groß.

Aber bei aller Begeisterung, es wird doch wohl niemand in die hell strahlende Sonne schauen.

Nein. Der Mensch hat ja einen Schmerzreflex: Es verursacht Schmerzen, direkt in dieses Licht hineinzuschauen. Wir laufen den ganzen Tag unter der strahlenden Sonne herum, aber niemand kümmert sich darum, ob man da vielleicht reinschauen könnte. An jedem anderen Tag im Jahr hat niemand Angst davor. Bei dieser "Finsternis" am Freitag wird es ja auch gar nicht so finster, höchstens etwas dunkler. Nur wer eine Brille hat, kann das Phänomen überhaupt sehen. Außerdem sollte man auch mit Brille nicht länger als drei Minuten in die Sonne schauen - es können sich also bis zu zwanzig Leute eine Brille teilen.

Was macht jemand ohne Brille?

Wir vertreiben spezielle Sonnenbeobachtungsfolien, daraus kann man sich selbst eine Brille basteln. Oder, noch simpler: Man nimmt ein Stückchen Alufolie, sticht mit der Nadel ein winziges Loch hinein und hält dann ein weißes Papier unter dieses Loch. Dann sieht man das projizierte Abbild der Sonne auf dem Papier - das Loch wirkt wie ein Objektiv. Wenn man damit an einen schattigen Ort geht, kann man wunderbar die Sonnenfinsternis sehen und muss dafür nicht mal Geld ausgeben.

Schauen Sie selbst am Freitag auch?

Klar! Mit der eigenen Sternwarte auf dem Dach.

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