Aktenzeichen XY:Konkrete Hinweise auf den Mörder von Sonja Engelbrecht

Aktenzeichen XY: Steht der "Cold Case" Sonja Engelbrecht vor der Aufklärung? In einem Wald nahe dem Kipfenberger Ortsteil Grösdorf fand die Polizei das Skelett der ermordeten Schülerin - und zahlreiche konkrete Hinweise auf den Täter.

Steht der "Cold Case" Sonja Engelbrecht vor der Aufklärung? In einem Wald nahe dem Kipfenberger Ortsteil Grösdorf fand die Polizei das Skelett der ermordeten Schülerin - und zahlreiche konkrete Hinweise auf den Täter.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Telefonleitungen sind nach der Fernsehsendung zeitweise überlastet. Zuschauer nennen sogar Namen von Verdächtigen. Es gibt DNA-Spuren des Täters und auffallende Parallelen.

Von Martin Bernstein

Mit einem dramatischen Appell hat sich der Münchner Kriminalhauptkommissar Roland Baader am Mittwochabend an die Fernsehzuschauer gewandt. "Tatsächlich haben wir heute vielleicht die letzte Möglichkeit, diesen Fall Sonja Engelbrecht zu klären." Eine Viertelstunde lang war zuvor in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" das zunächst spurlose Verschwinden und - wie man heute weiß - der Mord an der damals 19-jährigen Schülerin in der Nacht zum 11. April 1995 filmisch rekonstruiert worden.

Die Telefone standen danach nicht mehr still. Von rund 50 Hinweisen berichtete der ehemalige Landeskriminalamt-Beamte Alfred Hettmer bereits am Ende der Sendung - es war der Fall in der "Cold Case"-Sonderausgabe der Sendereihe, der die Zuschauerinnen und Zuschauer am meisten bewegte. "Restlos überlastet" sei die Telefonnummer 089/29100 der Münchner Kriminalpolizei, sagte Hettmer. Die Mordkommission 5 hatte an diesem Abend nicht nur den Chefermittler im Fall Engelbrecht ins Studio entsandt, sondern auch eine Art Stallwache am Telefon im Präsidium besetzt. Insgesamt bekam die Münchner Polizei bis Donnerstagmittag mehr als 120 Hinweise.

Aktenzeichen XY: Diese Decke fanden die Ermittler am Fundort der sterblichen Überreste.

Diese Decke fanden die Ermittler am Fundort der sterblichen Überreste.

(Foto: Polizei)

Ob bereits die entscheidende Spur dabei war, ist derzeit offen. Besonders viele Ideen hatten die Anrufer zu der markanten blau-schwarzen Kunstfaserdecke mit Pflanzenmuster, deren Reste die Ermittler am Fundort der sterblichen Überreste bei Grösdorf im Altmühltal gefunden hatten. Die Anrufer wiesen nach ZDF-Angaben auf mögliche Hersteller und Vertriebswege solcher Decken hin. Wer eine solche Decke besitze, möge sie der Polizei zu Vergleichszwecken zur Verfügung stellen, bat Kriminalhauptkommissar Baader in der Sendung.

Er bestätigte auch, was bislang nur vermutet werden konnte: "Ja, wir haben eine DNA-Spurenlage." Seine Aufforderung, selbst bei einem "vagen Verdacht" gegen eine Person die Kriminalpolizei zu informieren, erhält dadurch besondere Brisanz. Das Netz der Kriminalpolizei um den Mörder von Sonja Engelbrecht zieht sich enger.

Aktenzeichen XY: Im Wald bei Kipfenberg fand die Polizei Folie und Klebestreifen mit Farbresten.

Im Wald bei Kipfenberg fand die Polizei Folie und Klebestreifen mit Farbresten.

(Foto: Polizei)

In den Tagen vor Sonjas Verschwinden fand in München die Baumaschinen-Messe "Bauma" statt. Damals noch auf der Theresienwiese. Das könnte eine wichtige Spur sein, denn am Fundort der Knochen in einer Felsspalte wurden Plastikfolien, Müllsäcke und Klebestreifen gefunden, an denen noch Malerfarbe heftete. Auffallend sind die Parallelen zum Fall einer Freiburger Studentin, der in der XY-Sendung vom Januar vorgestellt wurde. Auch sie wurde entführt, missbraucht und getötet und die Leiche im Wald abgelegt. Der Täter habe sich gezielt auf die Tat vorbereitet, hieß es damals. Auch in Freiburg fand in den Tagen vor der Tat im Januar 1997 eine Industriemesse statt.

Wegen des sehr "speziellen", abgelegenen Fundorts der Skelettreste von Sonja Engelbrecht sind Baader und die übrigen Ermittlerinnen und Ermittler zudem überzeugt, dass der Täter die Wälder um Kipfenberg sehr gut kannte. Aufhorchen ließ Baaders Hinweis, der Täter habe "auch wahrscheinlich danach die Örtlichkeit aufgesucht". Es gibt also wohl Hinweise, dass der Mörder zum Versteck der Leiche zurückkehrte. Welche Indizien das sind, verriet die Münchner Polizei am Donnerstag nicht.

Anrufer machten die Polizei noch am Mittwochabend laut ZDF auf mögliche Tatverdächtige aufmerksam: "Auch konkrete Namen wurden genannt." Die Polizei widersprach am Freitag dieser Darstellung.

Aktenzeichen XY: Sonja Engelbrecht verschwand 1995, ihre Knochen wurden im November 2021 gefunden.

Sonja Engelbrecht verschwand 1995, ihre Knochen wurden im November 2021 gefunden.

(Foto: privat/Facebook)

Sonja Engelbrecht war am frühen Morgen des 11. April 1995 spurlos verschwunden. Ein Freund, mit dem sie in dieser Nacht unterwegs gewesen war und mit dem sie unter anderem die Kneipe "Zum Vollmond" in der Schleißheimer Straße besucht hatte, gab an, sie zuletzt um 2.25 Uhr in einer Telefonzelle am Stiglmaierplatz gesehen zu haben. Von dort wollte sie ihre Schwester oder ihre Eltern anrufen, um sich abholen zu lassen. Dieser Anruf erfolgte jedoch nicht. Seither fehlte von der 19-Jährigen jede Spur - bis ein Waldarbeiter im Sommer 2020 in einem Wald bei Kipfenberg einen menschlichen Oberschenkelknochen entdeckte. Der Fundort ist mehr als 100 Kilometer von München und mehrere Kilometer von der Autobahnausfahrt Denkendorf an der A9 entfernt.

Was zwischen Sonjas Verschwinden in München und der Ablage der Leiche im Altmühltal passierte, können die Ermittler nur vermuten. Sie fanden in der Felsspalte zwar Sonjas Schmuck, aber keine Kleidungsreste. Deshalb gilt es als wahrscheinlich, dass die Schülerin Opfer eines Sexualverbrechens geworden ist.

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SZ PlusKriminalfall in München
:Wer ermordete Sonja Engelbrecht?

Am 11. April 1995 verschwindet die 19-Jährige mitten in München, jahrzehntelang ohne Spur. Dann werden ihre Knochen in Kipfenberg bei Eichstätt gefunden. Nun haben Ermittler dort DNA-Proben genommen. Werden sie den Täter schnappen?

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