Sommerangebot der VHS:"Bildung hilft gegen Einsamkeit"

Bier brauen oder Aktzeichnen im Kerzenlicht: Mit 13.500 Kursen pro Jahr ist die Münchner Volkshochschule die größte in Deutschland.

Sven Loerzer

München lernt. Wissbegierig und immer lieber, gerade auch zur Ferienzeit. Während Schule und Universität im Sommer Pause machen, nutzen viele Daheimgebliebene die Zeit zur Bildung: In einem Intensivsprachkurs bei der Münchner Volkshochschule (MVHS) büffeln sie nicht nur Englisch, Französisch oder Italienisch, sondern auch Arabisch, Chinesisch oder Russisch. Sie brechen auf, um sich von einem Biologen zeigen zu lassen, wie Gänsefuß und Liebesgras sich die Pflasterritzen in Schwabing als neue ökologische Nischen erobern. Sie lernen, Bier zu Hause zu brauen, blicken hinter die Kulissen beim Wiesnaufbau oder üben sich im Aktmalen bei Kerzenlicht.

Kulturzentrum Gasteig, 2005

Im letzten Jahr nahmen 13.000 Menschen am Sommerprogramm der Münchner Volkshochschule teil.

(Foto: sz.lokales)

Das Sommerangebot der MVHS, das Programmdirektorin Susanne May am Mittwoch vorstellte, steht für die Erfolgsgeschichte des bundesweit größten kommunalen Weiterbildungsträgers. Was vor zwölf Jahren mit 200 Kursen begann, ist inzwischen auf 700 Kursangebote angewachsen. Im letzten Jahr nahmen 13.000 Menschen am Sommerprogramm der Volkshochschule teil. Das Jahr der Wirtschaftskrise, 2009, war für die Volkshochschule kein Krisenjahr, im Gegenteil. "Wir hatten zum ersten Mal mehr als 200.000 Belegungen", sagt Managementdirektor Kurt Meisel.

Das entspricht einem Zuwachs von 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vielleicht lag das auch daran, dass mehr Menschen ihren Urlaub zu Hause verbrachten und das breitgefächerte Sommerangebot mit Sprachen, künstlerischen Kursen, Bewegungsprogrammen, beruflicher Weiterbildung und Exkursionen deshalb intensiver nutzten. Die Zahl der Unterrichtsdoppelstunden insgesamt stieg um 5,5 Prozent auf rund 169.000. Fast 13.500 Veranstaltungen bot die MVHS im vergangenen Jahr.

Auch wenn die Stadt ihren Zuschuss in diesem und im nächsten Jahr im Rahmen ihres Konsolidierungsprogramms um jeweils 105.000 Euro kürzt, "stehen wir dank des kommunalen Engagements gut da", sagt May. "Wir machen aus einem Euro Zuschuss zwei Euro", sagt Meisel mit Blick auf die Kurserlöse. Das waren 13 Millionen Euro im letzten Jahr, der Zuschuss der Stadt lag bei knapp zwölf Millionen Euro, dazu kamen noch rund 1,3 Millionen Euro Zuschuss vom Freistaat.

Stellt man dem die Teilnehmerzahlen gegenüber, wird deutlich, dass die Volkshochschule zu den kostengünstigsten Bildungs- und Kultureinrichtungen gehört: 20.000 Menschen lernten dort 2009 Deutsch, 30.000 beschäftigten sich mit den 50 angebotenen Fremdsprachen, zum Teil auf höchstem Niveau. 48.000 Münchner nahmen an kulturellen Bildungsangeboten teil, 17.000 betrieben präventive Gesundheitsförderung.

"Umschlagsplatz für Ideen"

Mit 238 hauptberuflich Beschäftigten und 3500 freiberuflichen Dozenten bildet die Volkshochschule aber auch einen "Umschlagsplatz für Ideen". Sie greift Anregungen für neue Angebote von Teilnehmern ebenso wie von Dozenten auf, die Mitarbeiter spüren als "Seismographen" Themen und Fragestellungen auf, um so Kurse und Vorträge anbieten zu können, die Neugier und Interesse wecken. Die "Dauerkrise" rühre am Selbstverständnis der Menschen, sagt Susanne May. Themen der Offenen Akademie wie "Was lernen wir aus der Krise" oder "Wohlstand ohne Wachstum denken" sind gefragt, aber auch Hilfestellung beim Umgang mit Geld und Schulden.

Die Volkshochschule will bewusst offen für alle Bevölkerungsschichten sein. "Wir arbeiten wirtschaftlich, aber mit sozial verträglicher Preisgestaltung", sagt Meisel. München-Pass-Inhaber wie etwa Arbeitslosengeld-II- oder Sozialhilfe-Bezieher zahlen den halben Preis. Nicht zuletzt auch deshalb gilt die Volkshochschule als Ort, wo sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Milieus mischen und begegnen, sich über gemeinsame Interessen näher kennenlernen. Und gerade deshalb gilt für viele ältere, alleinstehende Menschen auch Meisels Erfahrung: "Bildung hilft gegen Einsamkeit."

Die Volkshochschule liefert ohnehin den Beweis dafür, dass dem von Politikern in Sonntagsreden geforderten "lebenslangem Lernen" nicht die Bedrohung anhaften muss, irgendwann auf der Strecke zu bleiben. Sie folgt keinem starren Lernkonzept, klebt an keinem lebensfernen Lehrplan. Ihr Erfolgsrezept liegt gerade darin, dass sie Jahr für Jahr ihre Mischung neu bestimmt, Trends aufgreift, politische Bildung aktuell ausrichtet, Informationen zu heiß diskutierten Themen bietet, neue Qualifikationen eröffnet, wie auch das Nachholen fehlender Schulabschlüsse.

Die Spannweite selbst an nur einem willkürlich herausgegriffenen Tag ist enorm, sie reicht vom Kurs "Deutsch als Fremdsprache" für Beschäftigte der städtischen Friedhofsverwaltung am Morgen bis hin zum 300. VHS-Vortrag von SZ-Kritiker Joachim Kaiser: "Die großen Spätwerke." Für die Programmdirektorin liegt das Erfolgsgeheimnis denn auch in der "Mischung aus Bildung, Geselligkeit, Unterhaltung und Qualifizierung, die Spaß und Freude macht".

Auch wenn die Volkshochschulen in der bundesweiten Diskussion um bessere Bildung bislang eher ein Schattendasein fristen, dürfte die demographische Entwicklung die Erwachsenenbildung mehr in den Blick rücken. "Es fehlt an der bildungspolitischen Untermauerung der neuen Rentenpolitik", sagt Meisel. "Auf die Erwachsenenbildung wird mehr Bedarf zukommen." Doch sowohl Meisel als auch May sind sehr zuversichtlich, dass zumindest die Stadt weiß, was sie an ihrer Volkshochschule hat, wie viel sie für den sozialen Frieden, aber ebenso für die Lernfähigkeit einer älter werdenden Gesellschaft leisten kann.

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