Süddeutsche Zeitung

Software-Streit im Münchner Rathaus:Eine Frage der Einstellung

Münchens Oberbürgermeister Reiter und sein Stellvertreter Schmid mussten wochenlang auf ihre neuen Diensthandys warten. Schuld daran soll das Betriebssystem von Linux sein. Dumm nur, dass diese Version kaum plausibel erscheint.

Ein Kommentar von Johannes Boie

So kann natürlich kein Mensch arbeiten. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) musste nach seinem Amtsantritt wochenlang auf sein Diensthandy warten. Zum Glück soll die Verzögerung nur an Linux gelegen haben, der Software, mit der die Münchner Stadtverwaltung ihre Computersysteme betreibt. Kaum vorzustellen, was los gewesen wäre, wenn Reiter hätte feststellen müssen: Ich habe eine schnarchnasige Verwaltung, die die eigene Technik nicht im Griff hat.

Womöglich hätte er dann sogar intern ein paar Abläufe verbessern und ein paar Beamte zum Arbeiten tragen müssen. Ganz schön große Aufgabe. Einfacher ist es natürlich, die schöne Geschichte vom schlechten Linux zu erzählen und, natürlich, eine "unabhängige Expertengruppe" zu beauftragen. Was kostet das eigentlich alles?

Dumm für Reiter und seinen Zweiten Bürgermeister, Josef Schmid (CSU), ist, dass ihre Version kaum plausibel erscheint. Dass Dateien von Linux mit den weit verbreiteten Windows-Computern nicht immer kompatibel sind, weiß jedes Kind, das einen Apple-Rechner hat. Mit denen gibt es das Problem auch, bei Apple wie auch bei Linux lässt es sich mit ein paar Einstellungen lösen. Und wenn Josef Schmid ein einheitliches Programm für E-Mails, Kontakte und Termine vermisst, dann sollte seine IT-Abteilung vielleicht einfach mal eines installieren. Für Linux, das gibt es nämlich.

15 000 städtische Rechner laufen in München unter Linux. Die Frauenkirche ist deshalb bislang trotzdem nicht eingestürzt. Stattdessen hat die Landeshauptstadt unter weltweiter Beachtung gezeigt, dass sie abseits des Trends auf offene Software setzt, die besonders sicher ist, weil sich viele Unterstützer um kontinuierliche Entwicklung kümmern. Linux-Viren gibt es auch kaum. Es wäre schön, wenn dieses Projekt nicht zerstört würde. Weder durch die Trägheit der Münchner Verwaltung, noch durch die Steuern von Microsoft. Der Konzern zieht im Jahr 2016 von Unterschleißheim in die Parkstadt München. Ob die dann noch Linux-Zone ist?

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Quelle:
SZ vom 19.08.2014/sim
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