So viele Zigarettenschachteln:Du bist, was du rauchst

Warum die Neue Sammlung der Pinakothek der Moderne nun Zigarettenschachteln hortet. Protokoll: Christoph Wiedemann

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Warum die Neue Sammlung der Pinakothek der Moderne nun Zigarettenschachteln hortet. Protokoll: Christoph Wiedemann

Nach der letzten Zigarette achtlos weggeworfen, im besten Fall irgendwo in einem Abfalleimer deponiert, aber allzu oft auch nur zu Boden geworfen, von Fußtritten zerquetscht, im Rinnstein der Entsorgung durch den nächsten Regenguss harrend - das traurige Ende einer Verheißung.

Fotos: Stephan Rumpf

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Zigarettenschachteln erzählen Geschichte und Geschichten und dokumentieren gesellschaftliche Wandlungen. Man muss die Bilder und Signets, mit denen der Tabak an den Mann oder die Frau gebracht wird, nur lesen und deuten können.

Zigarettenschachteln sind unter anderem hochwertige Produkte des Grafik-Designs.

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Und als solche - das weiß kaum jemand - lagern sie zu Tausenden in den Depots der Neuen Sammlung in der Münchner Pinakothek der Moderne.

Wie berechtigt das ist, machen schon die ersten Sätze deutlich, mit denen Florian Hufnagl, Direktor der Neuen Sammlung und übrigens passionierter Raucher, die Qualität seiner Schätze in der Schublade erklärt:

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Tabak war ursprünglich ein exklusiver Luxusartikel. Nachdem es anfänglich noch lose verkauft wurde, ging man in den zehner und zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dazu über, das Genussmittel ähnlich wie Parfüm durch aufwendige Verpackungen aufzuwerten.

So wanderten zunächst die Darstellungen damals gängiger Sehnsüchte und Träume auf die kleinen Pappkartons. Die Exotik fremder Länder lag dabei hoch im Kurs.

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Orientalische Tänzerinnen und türkische Paschas sollten als laszive Schimären den aufsteigenden Rauch begleiten - Tabak als Symbol für moderne, libertinäre Lebenseinstellung.

Und parallel dazu natürlich auch früh schon die Zigarette als ein Statussymbol.

Der 1907 in München gegründete Werkbund entwickelte beispielsweise als eines der ersten gestalterischen Gemeinschaftsprojekte die so genannte "Werkbundzigarette".

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Wer die entsprechende Schachtel auf den Tisch legte, machte damit wortlos, aber nachdrücklich seinen Kreativenstatus klar.

Es ist immer dieselbe, eigentlich einfache Marketingstrategie: Man wertet ein Produkt auf, indem man es emotional auflädt. Ist es dann tauglich für den Massenkonsum, setzt eine Art Re-Individualisierung ein.

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Hufnagls Paradebeispiel dafür ist die bereits in den zwanziger Jahren gestaltete Verpackung der österreichischen Zigarettenmarke "Nil".

Um den Sammlerinstinkt anzusprechen, hießen manche der Packungen zwischenzeitlich "Isar", "Spree", "Rhein" oder "Mosel". Die jeweiligen Flussanwohner konnten wählen.

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Da bricht jetzt mit dem Rauchverbot etwas weg. Vorbei die Zeiten, als Politiker sich, wie weiland Wirtschaftswunder-Kanzler Erhard, Zigarre paffend ablichten ließen.

In den sechziger Jahren sollte das signalisieren: Seht her, was wir uns wieder leisten können. Es geht aufwärts.

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Der Wohlstand wächst. Ähnlich ungebremsten Optimismus findet man heute nur noch weit fernöstlich auf den oben in kleiner Auswahl abgebildeten Packungen der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China.

Hierzulande haben sich die Hierarchien verschoben.

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Zum Beweis nimmt Hufnagel seine eigene Zigarettenpackung und weist auf die seitlich angebrachten Signets: Ganz klein Markenname und Ursprungsort.

Größer dann der Umweltbutton und richtig groß die Schadstoffwerte. Von der grafischen Vergewaltigung durch die vorderseitig angebrachten Warnhinweise ganz zu schweigen.

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Das Rauchverbot als Fanal einer Ära? Als Museumsmann setzt Hufnagl auf die kreativitätsfördernde Wirkung von Verboten: Die Industrie werde sich schon was einfallen lassen.

Als bekennender Bayer hegt er die Hoffnung auf Wiederbelebung alter Bräuche wie dem Kauen und Schnupfen der geriebenen Blätter.

Wer weiß, vielleicht stehen ja irgendwann wieder die einst so verpönten Spucknäpfe in unseren Kneipen?

(SZ von 2. Januar 2008)

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