Technik:Smartwatch in der Kita? In München verboten

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Ob Modelle für Kinder oder für Erwachsene: Smartwatches hat die Stadt aus Kindertagesstätten verbannt. Das verlangt der Datenschutz. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Eltern können mit den Geräten nicht nur überwachen, wo ihre Kinder sind. Manche gehen sogar so weit, die Tochter oder den Sohn heimlich abzuhören.
  • Die Stadt will das von vornherein unterbinden. Von einem konkreten Fall sei bisher allerdings nichts bekannt.

Von Jakob Wetzel, München

Der Brief klingt verstörend. In den vergangenen Monaten hätten Erzieherinnen und Erzieher "sehr häufig" beobachtet, dass Kinder eine sogenannte Smartwatch tragen, das steht in einem Rundschreiben, das der städtische Hort an der Denninger Straße am Montag an die Eltern der dort betreuten Grundschüler versandt hat. Und es folgt ein Hinweis des Bildungsreferats: Kita-Leitungen hätten berichtet, Eltern hätten mit derartigen Geräten "unbemerkt Tonaufnahmen der Kinder und ihrer Umgebung" gemacht.

Wanzen in der Kindertagesstätte? Eine Smartwatch wirkt wie eine digitale Armbanduhr, doch in ihrem Inneren kann sich tatsächlich viel mehr verbergen. Ein Satelliten-Peilsender etwa, Lautsprecher und Mikrofon oder auch eine Software, mit der sich Geräusche aufzeichnen lassen. Hersteller werben damit, eine spezielle Kinder-Smartwatch sei ein gutes Kommunikationsmittel für Eltern mit kleinen Kindern, die für ein eigenes Handy noch zu jung seien. Zielgruppe sind Kinder ab etwa fünf Jahren.

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Dank der GPS-Sender könnten Eltern nachverfolgen, wo sich ihr Nachwuchs aufhält - ähnliche Funktionen gibt es auch bei Halsbändern für Haustiere oder auch für Reisetaschen. Oft lässt sich zudem ein Bereich festlegen, in dem sich ein Kind bewegen darf; verlässt es diese Zone, schlägt die Smartwatch Alarm. Die Eltern könnten ihre Kinder mit solchen Apparaten überwachen, was deren Sicherheit dienen solle, heißt es in dem Rundschreiben des Hortes. Aus Sicht des Datenschutzes sei das aber "sehr problematisch". Und sicher seien die Kinder auch so, schließlich gebe es ja die Aufsichtspflicht des Personals.

Tatsächlich warnten Kritiker zuletzt wiederholt vor Sicherheitslücken. Bei einigen Modellen sei es für Dritte nicht schwer, sensible Daten wie zum Beispiel den genauen Aufenthaltsort der Kinder zu erfassen. Die Geräte ließen sich zudem hacken, um zum Beispiel das Mikrofon als Wanze zu missbrauchen. Auch aus Schulen ist zu hören, Smartwatches könnten ein Problem bei Prüfungen sein: Die unauffälligen Geräte böten gute Möglichkeiten, um zu schummeln.

Heikel sind Smartwatches aber besonders dann, wenn sie sich fernsteuern lassen, wenn sie also Geräusche aufzeichnen können, ohne dass ihre Träger und andere Anwesende davon wissen. In der Praxis nennen sich solche Funktionen etwa "voice monitoring" oder "Babyfon-Funktion". Sind Kinderuhren mit einer solchen Funktion ausgestattet, sind sie schlichtweg illegal: Für die Bundesnetzagentur handelt es sich bei ihnen dann um "unerlaubte Sendeanlagen", also um Spionagegeräte, die laut Telekommunikationsgesetz verboten sind. Wie weit die Geräte in Deutschland verbreitet sind, weiß die Behörde nicht. Solche Uhren würden aber von Eltern zum Beispiel dafür genutzt, Lehrer im Unterricht abzuhören, erklärte sie zuletzt. Sie geht rechtlich gegen Anbieter sowie gegen Besitzer vor: Wer ein solches Gerät hat, muss es vernichten und das auch nachweisen können. Außerdem macht er sich strafbar.

Die Stadt bestätigt auf Nachfrage, dass Kinder Smartwatches in den Hort mitgebracht hätten. Ebenso seien die Geräte in "anderen städtischen Einrichtungen im Kindergarten- und Hortbereich" aufgetaucht. Doch das Bildungsreferat beschwichtigt zugleich: Zahlen gebe es zwar nicht, es handle sich aber stets um Einzelfälle. Von einem konkreten Fall, in dem Eltern den Hort abgehört hätten, sei nichts bekannt. Das Rundschreiben sei nur dazu gedacht, die Eltern präventiv über das Verbot zu informieren. Und bei den Smartwatches der Kinder handele es sich auch nicht unbedingt immer um Überwachungsgeräte. Vielleicht seien die Eltern einfach nur technikaffin und die Kinder entsprechend mit moderner Technik ausgestattet. Bei der Stadt gelten aber klare Regeln: Smartwatches sind in städtischen Kindertagesstätten nicht erlaubt. Denn auch ein Apparat, bei dem eine Abhörfunktion vom Hersteller eigentlich gar nicht vorgesehen ist, könne durch eine App in ein Abhörgerät verwandelt werden.

Die Leiterinnen und Leiter der Kitas seien für das Thema sensibilisiert. Bringe ein Kind dennoch eine Smartwatch mit in den Hort, suchten sie das Gespräch mit Eltern und Kindern und klärten über den Datenschutz auf. Probleme habe es dabei bislang keine gegeben.

© SZ vom 21.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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