Süddeutsche Zeitung

Islam-Zentrum in München:Modell einer Moschee

  • Imam Benjamin Idriz präsentiert die Pläne für ein außergewöhnliches Islam-Zentrum: Es soll eine offene Fassade und einen Andachtsraum auch für Christen und Juden haben.
  • Das Zentrum soll etwa 35 Millionen Euro kosten.
  • Die Finanzierung ist noch unsicher: Die bisher zugesagten Spenden reichen bei weitem nicht aus, Idriz hofft auf die Zusage eines Großfinanziers.

Von Bernd Kastner

Noch ist sie klein, filigran gebaut aus dünnem Holz. Aber schon jetzt, in diesem zerbrechlichen Zustand, spiegelt sie Selbstbewusstsein, weil sie nicht abwehrend wirkt, sondern einladend. Offen, transparent, modern. Der Architekten-Entwurf für die geplante Moschee ist fertig, am Freitag wurde er in den provisorischen Räumen des Münchner Forums für Islam (MFI) vorgestellt, an dessen Spitze Imam Benjamin Idriz steht.

Was München seit Jahren als "die Moschee" diskutiert, ist in Wahrheit viel mehr: ein Forum für den Islam und für die Stadt, bestehend nicht nur aus einem Gebetsraum für 800 Muslime. Zu dem Komplex, der am Rande des Kreativquartiers an der Dachauer Straße entstehen soll, gehören Gemeindezentrum, Museum, Akademie, Bibliothek, Wohnungen, ein großer Saal und ein öffentlicher Platz. Und in einem Sockelgeschoss ist Platz für einige Läden; die Mieteinnahmen sollen den Unterhalt des Zentrums sichern.

Auf dem Platz sollen sich Menschen begegnen

Architekt Alen Jasarevic, Muslim mit familiären Wurzeln in Bosnien und Büro im kleinen Mering zwischen München und Augsburg, hat bereits jetzt, im Alter von 41 Jahren, einen Namen als Moschee-Spezialist: Gleich sein erstes eigenes Projekt, die vor zehn Jahren eröffnete Moschee in Penzberg, gilt als Symbol für einen europäischen Islam. Das MFI will Jasarevic auf drei Gebäude verteilen. Sie sind knapp 20 Meter hoch und nicht rechteckig, sondern an Seiten und Ecken so zugeschnitten, dass unregelmäßige Körper entstehen. In der Mitte ein dreieckiger Platz, etwa 500 Quadratmeter groß, das "Forum", zugänglich von drei Seiten und auf dem Niveau der ersten Etage. Dort sollen sich Menschen begegnen, sei es auf den Stufen, vor dem Restaurant oder wenn sie nur ihren Weg ins Quartier abkürzen.

An der südlichen Ecke, zum Kreativpark hin, steht an einem kleinen Platz das Minarett: gut 30 Meter hoch, von innen nicht begehbar, aber illuminiert und freistehend wie ein Kampanile. Eine klassische Kuppel hat das Moschee-Gebäude nicht, ein sich wölbendes Dach deutet sie nur an. Die Fassade besteht aus Stelen. Sie haben tragende Funktion, sind im Abstand von knapp einem Meter angeordnet und raffiniert geformt. Aus einem spitzen Winkel erscheint die Fassade geschlossen, es wird ein Ornament sichtbar. Direkt von vorne lassen sie den Blick ins Innere zu. "Ich bin absolut begeistert von seiner Idee und seiner Philosophie", sagt Idriz über Architekt Jarasevic. Er übertrage die traditionelle islamische Architektur in die europäische Gegenwart.

Das Zentrum würde etwa 35 Millionen Euro kosten

Allein, ob dieses Zentrum gebaut wird, ist nicht garantiert. Noch fehlt das Geld, die Zusage eines Großfinanziers. Denn billig würde der Komplex auf dem 3300-Quadratmeter-Grundstück nicht: Mit Kosten von etwa 35 Millionen Euro kalkuliert das MFI. Da genügen die 1,5 Millionen Euro an Spenden, die Idriz bisher von Bürgern zugesagt wurden, längst nicht. Seit Jahren versucht der Imam, einen Finanzier aufzutreiben.

Realistischerweise kommt wohl nur einer aus dem Morgenland infrage, einer vom Arabischen Golf, wo Öl und Geld fließt. Katar, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate gelten als prinzipiell spendierwillig. Der Sultan von Oman hat sich gerade erst freigiebig gezeigt, als er dem Freistaat 17 Millionen Euro für die neue Haunersche Kinderklinik schenkte. In der MFI-Geschäftsstelle in der Hotterstraße aber ist noch kein Scheck eingegangen. Der MFI-Vorstand hofft, dass der jetzt vorgestellte Entwurf dem Werben neuen Auftrieb gibt.

Eine Debatte um den Geldgeber wird erwartet

Seit acht Jahren diskutiert München über die Moschee, acht Jahre lang ist, seit der viel gelobten Initialidee, wenig vorangegangen. Rathaus und Idriz redeten lange aneinander vorbei oder stritten sich über die Frage, was zuerst da sein müsse: Grundstück oder Geldgeber? Jeder wartete auf den anderen. Islamfeindliche Agitation tat ein Übriges: Die frühere Stadtspitze befürchtete, auf der Basis einer intensiven Moschee-Debatte würde der Anti-Islam-Hetzer Michael Stürzenberger ins Rathaus gewählt. Der aber ist gescheitert, trotz Hunderter Kundgebungen. Und so dauerte es bis zu seinen letzten Amtstagen, dass Oberbürgermeister Christian Ude dem Penzberger Imam das Areal an der Dachauer Straße in Aussicht stellte. Eigentlich war es nur bis zum Jahreswechsel reserviert, doch die Stadt gibt dem MFI nun mehr Zeit, Geld zu sammeln.

Nun, da der Entwurf fertig ist, werden sich nicht nur die städtischen Beamten bald mit ihm beschäftigen. Sobald sich ein arabischer Finanzier meldet, dürfte eine politische Debatte beginnen: Darf sich das MFI von dort Geld geben lassen? Will sich München von einem undemokratischen Staat seine Vorzeigemoschee schenken lassen? Die Spendenannahme ist formal eine Entscheidung des Bauherrn MFI, aber die neue Stadtspitze wird nicht umhin kommen, sich zu positionieren.

Die Moschee in Penzberg ist ein Erfolg

Womöglich beginnt OB Dieter Reiter gerade erst zu realisieren, welch schwierige Debatte auf ihn zukommen könnte. Am heftigsten wird sie werden, sollte der Emir von Katar einen Scheck schicken. Sein Image in Deutschland ist schlecht, was vor allem an den unmenschlichen Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter liegt, Stichwort Stadionbau. Da muss Idriz noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um Akzeptanz für solch einen Gönner zu schaffen, in Politik wie Bürgerschaft. Ob seine Beteuerung reicht, dass kein Geldgeber die Arbeit des MFI beeinflussen dürfe?

Immerhin kann Idriz auf Penzberg verweisen: Die dortige Moschee hat das Emirat Schardscha ermöglicht, mitreden wollte und will der dortige Herrscher nicht. Ins Islamische Forum in Penzberg pilgern seit Jahren Bürger, Schüler und Politiker. Der Erfolgsgeschichte tat auch die vorübergehende Haltung des bayerischen Verfassungsschutzes keinen Abbruch, der auf zweifelhafter Grundlage Idriz extremistische Bestrebungen unterstellte.

Vermutlich hat auch der Innenminister inzwischen eingesehen, dass er mit dieser Wertung danebenlag. Längst ist Idriz ein gesellschaftlich geachteter Vertreter des Islam, der Hand in Hand mit Christen und Juden gegen Hass und Terror kämpft. Ein Sinnbild für diesen Islam soll sich im Grundgeschoss des MFI finden: Ein frei zugänglicher Andachtsraum ohne religiöse Symbole, offen für Muslime, Christen, Juden, für alle. In welcher Moschee gibt es das schon?

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SZ vom 24.01.2015/tau
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