Slam-Master Ko Bylanzky:Worte mit Substanz

Seit 14 Jahren prägt er die Münchner Poetry-Slam-Szene mit: Ko Bylanzky verrät, was einen erfolgreichen Slam-Abend ausmacht und wie er vom Zuschauer zum Moderator wurde.

Ana Maria Michel

Die Stimmung im Publikum war entsetzlich. Die Leute auf der Bühne ebenso. Und Ko Bylanzky nutzte den Abend schließlich, um sich hemmungslos zu betrinken.

Ko Bylanzky, Slam-Master, Poetry Slam München, Substanz

Ko Bylanzky organisiert und veranstaltet hauptberuflich Poetry Slams.

(Foto: online.sdemuenchen)

Das war vor 14 Jahren. Es war für Ko Bylanzky einer der ersten Abende als Zuschauer bei einem Poetry Slam im Substanz in München. "Mehr ein Lese-Wettbewerb mit Tisch und Stuhl, mehr Bachmann-Preis als Poetry Slam", schildert er, der damals noch anders hieß. Der Sieger wurde nicht durch das Publikum ermittelt, sondern durch eine Jury gewählt. "Das Problem war, dass die Jury aus der Veranstaltung eine Farce gemacht hat, weil sie den schlimmsten Trash hoch bewertet hat."

Der Abend sollte für Ko Bylanzky ein Schlüsselerlebnis werden. Der damalige Veranstalter warf das Handtuch. Gemeinsam mit seinem alten Schulfreund Rayl Patzak trat Ko Bylanzky die Nachfolge an und machte den Substanz-Slam zu dem, was er heute ist: in Slammer-Kreisen legendär.

Einen Tag nach der ersten Slam-Veranstaltung, die Patzak moderierte, sollte Ko Bylanzky, der eigentlich nichts zu sagen hatte, weil er damals noch nur Zuschauer war, mit ihm an einem Radio-Interview teilnehmen: "Wir mussten eine Legende für mich erfinden", erzählt er. Zufällig sahen er und Patzak dann spätnachts einen Fußballer mit dem Namen "Kobylanzky" im Fernsehen, der als Inspiration für den Künstlernamen diente. Das war die Geburtsstunde des "Ko Bylanzky", der im Radio als fahrender Dichter aus Bielefeld auftrat.

Ein Poet ist er nicht geworden - das war nur für das Interview erfunden. Zum Schreiben fühlt er sich nicht berufen, obwohl er ein Literaturstudium in München angefangen hat. Aber der Name ist geblieben. Auf seinen richtigen Namen, den Ko Bylanzky hier nicht lesen möchte, hört der Slam-Master heute nicht mehr.

Rayl Patzak und Ko Bylanzky haben den Substanz-Slam nach amerikanischem Vorbild umgekremplet: "Das Substanz ist heute bei jedem Poetry Slam der reinste Hexenkessel, das Publikum steht wie bei einem Rockkonzert", erzählt der 37-Jährige stolz. Für die gute Stimmung sorgen er und Rayl Patzak auf der Bühne und geizen dabei nicht mit Superlativen, um die Poeten vorzustellen. "Auf der Bühne sind wir sehr laut, aber wir beschränken uns auf das Wesentliche. Wir wollen einen Poetry Slam veranstalten und nicht die Ko- und Rayl-Show aufführen", sagt Ko Bylanzky.

Wer den Poetry Slam am Schluss gewinnt, das entscheidet das Publikum: Für wen am lautesten geklatscht wird, müssen die Moderatoren heraushören - ein undankbarer Job, denn irgendwer fühlt sich immer benachteiligt. "Es ist nicht ganz ohne, drei Stunden auf der Bühne zu stehen und danach noch als Kummerkasten für die einen oder Prügelknabe für die anderen in der Öffentlichkeit herhalten zu müssen."

Doch der Slam-Master ist nicht nur Stimmungsmacher. Er muss zu Beginn jeder Veranstaltung die Regeln erklären und bei Verstößen eingreifen. Auch dabei macht er sich nicht immer beliebt, erzählt Ko Bylanzky: "In Regensburg haben einmal mehrere Poeten mit Töpfen Musik gemacht." Das Publikum war begeistert, Ko Bylanzky hingegen nicht: "Das hat nichts mehr mit Poetry Slam zu tun. Das kann man nicht durchgehen lassen", sagt er.

Klare Regeln, hochkarätige Gäste: Das scheint das Rezept des Erfolges von Ko Bylanzky zu sein. "Wir laden die Gäste ein und achten darauf, dass namenhafte Poeten bei uns auftreten." Das sind oft Slammer aus den USA, dem Ursprungsland des Poetry Slams, oder aus England. Fünf Plätze sind allerdings jedes Mal für Münchner Poeten reserviert: "Jeder bekommt einmal seine Chance. Ob er wiederkommen darf, ist die andere Frage", sagt Ko Bylanzky.

Immerhin: Es waren nicht wenige, die wiederkommen durften. Der bekannteste Münchner Slam hat schon einige namenhafte Slammer wie Jaromir Konecny, Bumillo oder Feiva hervorgebracht. Ko Bylanzky sieht die Zukunft seines "Babys" - so nennt er den Substanz-Slam - positiv, denn es kommen immer mehr Jung-Poeten nach. Für Ko Bylanzky indes bedeutet der Substanz-Slam vor allem Eines: Arbeit. Denn er muss Flyer gestalten und verteilen, Gäste einladen, den Büchertisch bestücken und durch die Show führen. Im Substanz trägt er die Verantwortung, aber die Reaktionen sind positiv.

Neben dem Substanz-Slam moderiert Ko Bylanzky zusammen mit Patzak noch Poetry in Motion im Lyrik-Kabinett. Die beiden veranstalten inzwischen auch Slam-Workshops und Poetry Slams in anderen deutschen Städten, in Regensburg, Ulm oder Landshut. 180 Veranstaltungen organisiert Ko Bylanzky pro Jahr. "Wenn ich keine Poetry Slams moderiere, organisiere ich welche oder erhole mich davon", erzählt er. "Ich bin das Opfer meines Berufs", sagt er und lacht.

Doch es ist ein Beruf, den er liebt. Und das merkt man, wenn er von den ganz speziellen Momenten während der Slams erzählt. Zum Beispiel wenn die Poeten auf der Bühne Texte vortragen, die die Leute persönlich berühren. Im Publikum wird es still. Sogar die Kellner im Substanz an der Bar hören auf, die Gläser zu spülen. Und dann hat Ko Bylanzky wieder einmal geschafft, was er an einem der ersten Abende als Zuschauer bei einem Poetry Slam so schmerzlich vermisste: Das Publikum für die Poetry zu begeistern.

Die nächsten Slam-Termine mit Ko Bylanzky und Rayl Patzak in München: Am 3. Juni moderieren die beiden Slam-Master ein Spoken-Word-Showcase im Rahmen des Münchner Subkultur-Festivals "Der Kongress" in der Bar der Kongresshalle auf dem Alten Messegelände. Am 6. Juni findet der nächste Poetry Slam im Substanz statt und am 7. Juni wird die Reihe Poetry in Motion im Lyrik Kabinett fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: