Skateboarden in München:Die Skatepark-City

Jahrelang wurden in München Skateparks aus Fertigteilen gebaut, mit denen Skater nichts anfangen können. Markus Suchanek, der seit 30 Jahren skatet, ist dabei, das zu ändern.

Ana Maria Michel

Markus Suchanek weiß wovon er spricht, denn der 41-Jährige skatet seit 30 Jahren. 2005 hat er sich mit dem Münchner Baureferat an einen Tisch gesetzt, um Skateparks zu schaffen, mit denen die Münchner Skater etwas anfangen können.

sueddeutsche.de: Warum engagierst dich für die Münchner Skateboard-Szene?

Markus Suchanek: Die Skateparks in München wurden lange Zeit an den Bedürfnissen der Skater vorbei gebaut. Ich will, dass die Skater bessere Spots bekommen, mit denen sie etwas anfangen können.

sueddeutsche.de: Wenn du dich so sehr für Skateparks engagierst, muss deine Faszination für das Skaten und die Szene sehr groß sein. Was genau macht deine Begeisterung aus?

Suchanek: Die Geschwindigkeit und die Fliehkraft machen den Reiz aus. Wenn man in einem leeren, drei Meter tiefen Pool fährt und über den Rand hinausfliegt, entstehen dabei intensive Gefühle. Wenn man damit aufwächst, bohrt sich das ein und die Faszination bleibt. Man macht etwas, was andere nicht können. Das Skateboard-Fahren hat für viele etwas Freches, Unerhörtes, weil die Fahrer nicht an die Schwerkraft gebunden zu sein scheinen. Als Ende der Siebziger die ersten Bilder der Skateparks aus Kalifornien hier auftauchten, die aussahen wie betonierte Mondlandschaften, hat das auf mich eine riesige Faszination ausgeübt. Ich arbeite in einer Bank im Firmenkundenbereich und trage fast jeden Tag einen grauen Anzug - und am Wochenende gehe ich skaten.

sueddeutsche.de: Was ist das Besondere am Skateboarden?

Suchanek: Skateboard-Fahren hat eine lange Geschichte, es ist kein Teenie-Kram oder eine Eintagsfliege, sondern seit Jahren ein fester Bestandteil der Jugendkultur und mittlerweile eine etablierte Sportart. Trotzdem transportiert es für die meisten eine ganz besondere Art von Freiheit, sich zu bewegen und auszudrücken. Es gibt keine Regeln und festen Vorgaben. Die Kreativität in den Bewegungen ist unbegrenzt.

sueddeutsche.de: Wie hat sich das Skateboarden in der Zeit verändert?

Suchanek: Am Anfang haben die Wellenreiter in Kalifornien ihr Surfen auf die Straße verlegt. Dann haben sie entdeckt, dass sich leere Swimmingpools - das sind dort runde Becken - super zum Skaten eignen. Daraus ist die Bewegung der Skateparks entstanden. Nach den siebziger Jahren hat sich das Skateboarden auf das Halfpipe-Fahren verlagert. Das war die Zeit, als das Skaten nach Deutschland kam. Ende der Achtziger verschwand das Halfpipe-Fahren von der Oberfläche, weil die Skater allmählich älter wurden.

"Old-School-Boom"

sueddeutsche.de: War das das Ende der Skateboard-Szene?

Suchanek: Nein, aber die Kids, die nachkamen, sind in den Neunzigern "Street" gefahren. Sie sind Treppengeländer runtergerutscht und haben alles genutzt, was die Stadtarchitektur geboten hat.

sueddeutsche.de: In dieser Zeit sind trotzdem - auch in München - viele Skate-Anlagen gebaut worden. Wie kam es dazu?

Suchanek: Firmen, die mit dem Skaten nichts zu tun hatten, haben sich das Thema Skate-Anlagen unter den Nagel gerissen. Das waren Firmen, die für Spielplätze oder Minigolfanlagen Fertigteile hergestellt und dafür selbst DIN-Normen entworfen haben, womit die Abnahme durch den TÜV geregelt war. Die Skate-Szene hat sich nicht um diese Anlagen gekümmert, denn es war Street-Skaten angesagt und die Fertigteile waren für Skater nicht fahrbar. Die Anlagen sind verwahrlost und Abhängplätze für Halbstarke geworden. In München gibt es über 25 solcher Plätze, die nichts taugen!

sueddeutsche.de: Wieso werden jetzt wieder Skate-Anlagen nach amerikanischem Vorbild gebaut?

Suchanek: Ende der Neunziger wurde eine Entwicklung durch einen Dokumentarfilm mit dem Titel Dogtown & Z-Boys ausgelöst: Die ganzen alten Skater haben ihre Faszination zurückbekommen und sind wieder auf der Bildfläche erschienen. Damit kam der "Old-School-Boom" ins Laufen. Das hat dazu geführt, dass richtige Skateparks wieder aus dem Boden sprießten. In Deutschland haben die alten Skater die Dinge in die Hand genommen und angefangen, sich zu wehren.

sueddeutsche.de: Was hat dich dazu bewegt, dass du dich für Skateparks in München einsetzt?

Suchanek: 2005 ist im Rahmen der Bundesgartenschau ein Skatepark entstanden, der vom Ansatz her zwar etwas besser war als das, was es schon gab, aber trotzdem kaum zu gebrauchen war. In einem Zeitungs-Interview habe ich gesagt, was ich von dem Skatepark halte. Dann habe ich einen Anruf vom Baureferat bekommen, weil es es sich mit mir zu einem Gespräch treffen wollte. Ich habe ihnen empfohlen, einen Skatepark nach amerikanischem Vorbild zu bauen, der Junge und Alte anspricht, um auf der Anlage einen sozialen Ausgleich zu schaffen.

Skaten ist den Deutschen zu laut

sueddeutsche.de: Bei welchen Münchner Skateparks warst du beteiligt?

Suchanek: Beim Keyhole Skatepark am Fasaneriesee, bei einer Anlage in Trudering und ein wenig bei der neuen Streetplaza im Feierwerk. Irgendwann standen zwei weitere Projekte an: Im Hirschgarten und im Gefilde bei Waldperlach, wo das Baureferat wieder auf mich zugekommen ist. Außerdem sind weitere Projekte für Skateparks aus Spritz-Beton in Planung.

sueddeutsche.de: Welche Rolle nehmen die Münchner Skateparks im Moment in der Szene ein?

Suchanek: München hat in Deutschland eine Vorreiter-Position - sogar in Berlin gibt es keine Spots wie den Keyhole Skatepark. Mit den Projekten, die noch anstehen, würde ich sagen, dass wir in Deutschland bald die Skatepark-City sind.

sueddeutsche.de: Was hat sich in der Szene verändert, seitdem die neuen Skateparks entstanden sind?

Suchanek: Es gibt jetzt eine ganz neue Szene, die mehrere Generationen vereint: Wenn wir am Wochenende am Skatepark sind, kommen Kinder zu uns, siezen uns und wollen Tipps haben.

sueddeutsche.de: Wieso setzt sich die Stadt dafür ein, dass gute Skate-Anlagen gebaut werden?

Suchanek: In München haben wir den Idealfall, dass eine Behörde, die in einem Bereich investieren will, mit dem sie sich nicht auskennt, sich mit der Zielgruppe an einen Tisch setzt und nicht wie bisher Steuergelder für Anlagen ausgibt, auf denen kaum einer fahren will. Sozialpädagogen sagen außerdem, dass Skateboarden sehr wertvoll ist, weil man eine extrem hohe Frustrationstoleranzgrenze braucht. Bis man einen Sprung oder eine Figur schafft, muss man viel wegstecken. Gelingt einem Skateboarder nach vielen harten und oft schmerzvollen Rückschlägen etwas Neues, ist der Respekt in der Szene groß. Wer nur mit coolen Klamotten oder einem Image angibt, wird nicht honoriert.

sueddeutsche.de: Woran liegt es, dass sich die Skate-Anlagen, an deren Konzeption du beteiligt warst, eher außerhalb befinden?

Suchanek: In Deutschland gibt es nicht nur DIN-, sondern auch Lärmschutz-Vorschriften. Die besagen, dass Skaten in der Nähe von Wohnhäusern zu laut ist. Daher werden die Skate-Anlagen oft an den Rand gedrängt. In Amerika oder Spanien ist das anders, dort gibt es Skateparks mitten in der Stadt und die Anwohner schauen den Skatern vom Balkon aus zu. Im Hirschgarten wird ein zentraler Skatepark entstehen, wobei die Lärmschutzmauer einen großen Teil der Baukosten ausmacht. Das ist meiner Meinung nach eine recht absurde Situation, aber als Skateboarder freue ich mich natürlich über diesen neuen Skatepark.

sueddeutsche.de: Was würdest du dir für die Skate-Szene in München wünschen?

Suchanek: So genial die Entwicklung in München ist, so schlimm ist es, dass wir nichts für schlechtes Wetter und den Winter haben. Was München am dringendsten braucht, ist eine Skate-Halle!

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: