Skandal-Priester in München:"So ein junger, netter Herr Pfarrer"

Die Caritas wusste nichts von der Vorgeschichte: Wie ein Beteiligter des Sexskandals von St. Pölten in Perlach Seelsorger wurde.

Monika Maier-Albang

Die Stationsschwestern kennen ihn noch nicht beim Namen, und für die beiden Damen am Gehwagen ist er nur "der Herr Pfarrer". Sie seien froh, sagen die Frauen auf dem langgestreckten Weg in die Kapelle des Caritas-Altenheims St. Michael, dass nach einer Zeit ohne eigenen Altenheimpfarrer nun endlich so ein "Junger, Netter" gekommen sei. Einer, der beim Mittagessen mit ihnen betet, der anders als der Vorgänger, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammte, des Deutschen mächtig ist.

Münchner Pfarrei St. Michael

Ein Beteiligter des Sexskandals von St. Pölten ist jetzt in der Münchner Pfarrei St. Michael tätig.

(Foto: Foto: Schellnegger)

Was die Damen nicht wissen: Wenn ein jüngerer Priester in ein Altenheim entsendet wird, hat dieser Mensch nicht selten eine Vorgeschichte, die sein Arbeitgeber nicht gerne öffentlich breitgetreten sieht. Im Fall von Wolfgang R. war der "junge Herr Pfarrer", der 41 Jahre alt ist, bis 2004 Vize-Regens des österreichischen Priesterseminars St. Pölten und zugleich Sekretär des damaligen Bischofs Kurt Krenn.

In intimer Situation mit Nachwuchspriestern

Auf der Computer-Festplatte des Seminars hatte die Kriminalpolizei seinerzeit Tausende Pornobilder, darunter auch kinderpornographische Dateien, sichergestellt. Das Wiener Magazin Profil hatte die Geschichte ausgegraben - und das Magazin zeigte auch Fotos, auf denen der damalige Subregens R. und der Leiter des Seminars, Ulrich Küchl, in intimer Situation mit Nachwuchspriestern zu sehen sind.

Nun ist Wolfgang R. seit November in München, im Altenheim St. Michael in Perlach. Angewiesen für die Arbeit in der Pfarrei und im Altenheim hat ihn das Münchner Ordinariat. Erzbischof Reinhard Marx kommt damit einer Bitte des St. Pöltener Bischofs Klaus Küng nach, der R. abseits der eigenen Diözese, in der der Skandal zu einer Austrittswelle geführt hatte, eine zweite Chance geben will.

Opus-Dei-Mann Küng ist seit Oktober 2004 Bischof in St. Pölten. Zunächst war er zum Apostolischen Visitator für die Diözese bestellt worden, also als Aufpasser für den amtierenden Bischof Kurt Krenn. Der hatte sich lange geweigert, Verantwortung zu übernehmen für den Skandal in seinem Seminar, das er mit Männern aufgefüllt hatte, die andernorts wegen mangelnder sexueller Reife abgelehnt worden waren.

Vatikan schloss Seminar

Für Krenn waren die Vorgänge im Seminar "Dumme-Jungen-Streiche". Sein Nachfolger musste im August 2004 allerdings "schmerzhaft" feststellen, dass sich im Seminar "aktive homophile Beziehungen gebildet" hätten. Der Vatikan schloss daraufhin das Seminar.

Dass der frühere Subregens aus St. Pölten nun in München arbeitet, hat der Spiegel am Wochenende veröffentlicht. Der "Skandal-Priester" sei damals als Vize-Chef "suspendiert" worden, heißt es in dem Bericht. Es handelt sich freilich um eine sogenannte Suspension, nach Angaben des obersten Kirchenjuristen des Münchner Erzbistums, Lorenz Wolf. Die Suspension entspricht nicht dem arbeitsrechtlich gravierenderen Schritt der Suspendierung, sondern ist nur ein Verbot der Ausübung der Weiheämter bis zur Klärung der Vorfälle in St. Pölten.

"So ein junger, netter Herr Pfarrer"

Die kircheninterne Untersuchung aber ist seit diesem Frühjahr ohnehin abgeschlossen. Ein Dekret der vatikanischen Kleruskongregation vom 5. März 2008 hatte die von Bischof Küng erlassenen Maßnahmen, also auch das Disziplinarverfahren gegen Regens und Subregens, als angemessen bestätigt. Regens Küchl wurde in St.Pölten in den Ruhestand geschickt. Das Berufsverbot für R. aber hob der Vatikan auf - sicher mit Kenntnis des Papstes, dessen Sekretär Georg Gänswein R.s Doktorvater ist. Rom entschied, dass R. "bei Erweis der Besinnung" nach einiger Zeit in einer "anderen Diözese eine für ihn geeignete Tätigkeit" erhalten solle, keinesfalls aber in der Priesterausbildung.

Die Personalentscheidung in München sei also "nicht aus Unwissenheit, sondern aus genauer Kenntnis der Sachlage heraus" erfolgt, sagt Wolf. Das Münchner Ordinariat ist demnach offenbar der Ansicht, dass R. zu Unrecht als Protagonist in dem Sexskandal am St. Pöltener Priesterseminar öffentlich vorgeführt wurde. R. selbst gab nach der Veröffentlichung des Fotos im Profil ein Gutachten in Auftrag, um zu belegen, dass es eine Fälschung sei.

"Besinnungszeit" anscheinend vorüber

Der Gutachter hielt dies für möglich. R. verlor zwar den zivilrechtlichen Prozess gegen Profil, das Magazin darf die Fotos aber nicht mehr drucken. Strafrechtlich verurteilt wegen des Besitzes kinderpornographischer Bilder wurde vom Landgericht St. Pölten 2004 lediglich ein 27-jähriger polnischer Priesterseminarist - zu sechs Monaten auf Bewährung.

R.s "Besinnungszeit" ist nun anscheinend vorüber. Seit 1. November ist er vom Münchner Erzbischof als Seelsorger zur Mithilfe in der Pfarrei St. Michael angewiesen. Im Pfarrgottesdienst hatte sich der Neue am 7. November vorgestellt - er habe in Bayern studiert und sei in St. Pölten geweiht worden. Welche Tätigkeit er dort ausgeübt hatte, hat er dann aber doch lieber verschwiegen. Die Caritas, der das Altenheim untersteht, wurde über das Vorleben von R. nicht informiert.

Der Pfarrer von St. Michael, Christian Penzkofer, wusste hingegen, wen ihm das Ordinariat da schickt. Am Sonntag musste er kurzfristig einspringen für den Amtsbruder, der nun rasch abgetaucht ist und für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. Die Messe im Altenheim feiert deshalb Pfarrer Penzkofer, und er vertritt die Auffassung, dass solange man "nichts Definitives weiß" doch die Unschuldsvermutung gelten müsse, "dass jeder Mensch gut ist". Wolfgang R. solle nur bleiben in St. Michael, sagt Penzkofer: "Die Chance muss man ihm geben."

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