Situation in München:Die Angst vor dem Ehec-Erreger

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Auch wenn in München bisher nur sechs Infektions-Fälle bekannt sind, reagieren die Bürger zunehmend besorgt - vor allem Patienten mit Durchfallerkrankungen. Sandwiches und Gemüsekisten werden weitgehend verschmäht.

Die Infektionswelle mit den lebensgefährlichen Ehec-Darmkeimen beunruhigt auch die Menschen im Großraum München: Obwohl in München nur sechs Patienten behandelt werden, die unter der schweren Form leiden und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) entwickelt haben, warnen Verbraucherschützer weiterhin vor dem Verzehr von ungekochtem Salat, vor Gurken und Tomaten, die nicht mindestens zehn Minuten bei 70 Grad Celsius gegart sind.

Verbraucherschützer warnen weiterhin vor dem Verzehr von Salat, Gurken und Tomaten, die nicht mindestens zehn Minuten bei 70 Grad Celsius gegart wurden - schlechte Zeiten für das Sandwich. (Foto: dpa)

Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) ordnete zusätzliche Untersuchungen von Gemüse an. Bei einem "Landesuntersuchungsprogramm Bayerisches Gemüse" solle gezielt auch Gemüse aus den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau untersucht werden.

Verunsicherte Patienten in der Notfallpraxis

In München hat sich nach derzeitigem Stand noch niemand mit Ehec infiziert - die Kranken, die im Schwabinger und im Harlachinger Klinikum behandelt werden, haben sich wahrscheinlich Mitte Mai in Lübeck, Schleswig, Sylt und Hamburg angesteckt.

Die Münchner sind dennoch besorgt: In die Notfallpraxis am Elisenhof kamen in den vergangenen Tagen zwar nicht mehr Patienten mit Durchfallerkrankungen; jedoch seien diejenigen, die kamen, verunsicherter gewesen als üblich, sagt Martin Eulitz, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Immer wieder brächten Patienten auch Gurken in die Praxis, um sie untersuchen zu lassen. Aber natürlich könne man in einer Notfallpraxis keine "Unbedenklichkeitsprüfung" für Gemüse vornehmen.

Während in Norddeutschland die Blutspendedienste zu Blutplasma-Spenden aufriefen, um den Bedarf zu decken, sind die Münchner Plasma-Reserven für die HUS-Patienten ausreichend. Diese benötigen täglich zwölf bis 15 mal je 300 Milliliter Plasma. Normalerweise werden in München täglich 50 Plasmabeutel verbraucht, derzeit sind es 100. Bundesweit sind momentan 95.000 Plasmaspenden verfügbar. Für das Bayerische Rote Kreuz gibt es derzeit keinen Anlass, zu Spendeaktionen aufzurufen, sagt Franz Weinauer, Leiter des BRK-Blutspendedienstes. Der Städtische Blutspendedienst hat indes 4000 Spender angeschrieben, von denen man bereits Plasma vorrätig hat. Diese können aber erst freigegeben werden, wenn das Spenderblut ein zweites Mal getestet wurde.

Auswirkungen haben die Warnungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor Rohkost auch für die Münchner Tafel und ihre Kunden. "Wir verteilen keine Gurken, Salate und Tomaten", sagt Disponentin Ruth Watz. "Das tut uns natürlich schon leid, wenn so viel weggeworfen wird, obwohl man ja gar nicht weiß, wo Ehec überhaupt herkommt", sagt Watz. Die Tafel folge aber den Empfehlungen.

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Betroffen sind auch die Lieferanten von Öko-Gemüsekisten. "Am Dienstag vor einer Woche haben wir unsere Kunden informiert, dass auch spanische Gurken dabei waren. Für eine Rückrufaktion war es zu spät, aber die Gurken stammten auch nicht von den Erzeugern, bei denen man Ehec gefunden hat", sagt Gisela Kinzelmann vom Amperhof in Bergkirchen. Ihre Kunden könnten sich aussuchen, ob sie eine regionale Kiste wünschen oder auch Obst und Gemüse essen wollen, die es saisonbedingt noch nicht aus der Region gibt, erklärt Kinzelmann. Die Gurkensaison hat in Bayern erst Anfang dieser Woche begonnen.

Am Schwabinger Klinikum behandeln die Ärzte derzeit fünf Patienten mit schwerem Ehec-Verlauf. Mit neurologischen Ausfällen hätten die Patienten nicht zu kämpfen, sagt der Chefarzt der Infektiologie, Clemens-Martin Wendtner. Allerdings haben zwei seiner Patienten eine so hartnäckige Darmentzündung, dass die Ärzte Antibiotika geben müssen - mit dem Risiko, dass die Ehec-Keime Gift freisetzen. Ohne Antibiotika droht im schlimmsten Fall eine Bauchfellentzündung - eine Gratwanderung auch für die Mediziner.

Eine Patientin bekommt seit Dienstag das Medikament Eculizumab, einen Antikörper, der eigentlich zur Behandlung einer seltenen Blutkrankheit entwickelt wurde und noch nicht zugelassen ist. "Das ist jetzt quasi ein Praxistest", sagt Wendtner, "aber wir haben leider nicht die Wahl."

Da die Keime sowohl über die Nahrung als auch durch sogenannte Schmierinfektionen übertragen werden können, empfehlen Experten strikte Hände-Hygiene - insbesondere nach der Benutzung öffentlicher Toiletten. Coli-Bakterien, zu denen auch die neue, hochaggressive Variante des Ehec-Erregers gehört, bewohnen die Därme von Mensch und Tier.

Kinder, die das Fell von Tieren berühren, sollten unbedingt ihre Hände waschen. Gemüse sollte gründlich gewaschen oder geschält und nicht mit anderen Lebensmitteln in Berührung gebracht werden. Auch bei Rohmilch und unzureichend gegartem Fleisch ist Vorsicht angebracht.

© SZ vom 04.06.2011/ dm, fb, mai, kari - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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