Süddeutsche Zeitung

Single-Hochburg München:Rein ins pralle Leben

In München wohnen immer mehr Singles. Viele davon leisten sich teure Zwei-Zimmer-Wohnungen im Zentrum. Das treibt die Mietpreise weiter nach oben.

Melanie Staudinger

Der typische Münchner ist weiblich, 43 Jahre alt, katholisch, kinderlos, nicht in München geboren - und Single. Das zumindest geht aus diversen Umfragen und Studien hervor, die in unregelmäßigen Abständen immer einmal wieder veröffentlicht werden. Laut Regionalem Planungsverband hat jeder Münchner im Schnitt 39 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, mehr als die Hälfte der Menschen hier leben in Ein-Personen-Haushalten.

München gilt seit langem als Single-Hauptstadt Nummer eins in Deutschland, auch wenn in manchen Erhebungen durchaus Berlin, Regensburg oder Nürnberg die Spitzenposition einnehmen. Was den Münchner noch auszeichnet: eine hohe Kaufkraft. Im Schnitt hat er gut 25.000 Euro zur Verfügung, in ganz Bayern liegt der Wert nur bei 21.000 Euro.

Und genau an diesem Punkt fängt ein Problem auf dem Wohnungsmarkt in der Landeshauptstadt an. "Der klassische Single hat ausreichend Geld zur Verfügung und verbraucht überproportional viel Wohnraum", sagt Makler Rudolf Dahn von der Gerschlauer Immobilienvermittlung, die seit 1972 im Großraum München tätig ist.

Die Folge: Wohnraum wird knapp, die Mieten im gesamten Stadtgebiet teurer. "Heute lebt ein Single auf der gleichen Fläche, die eine Familie mit zwei Kindern in den 1960er Jahren zur Verfügung hatte", sagt Dahn. Ein Zimmer reiche den meisten nicht mehr aus.

Es muss die Zwei-Zimmer-Wohnung sein, und die darf auch nicht irgendwo liegen. "Die meisten zieht es ins pralle Zentrum, wo es Cafés, Kinos, Bars, Theater, die Oper und als Kontrastprogramm noch den Nachtclub auf dem Weg gibt. Und am besten kann er dann gleich noch von seinem Keller aus in die U-Bahn springen und hat die Isar in der Nähe", sagt Dahn.

Diese Gruppe Singles, so der Experte, hat weniger Schwierigkeiten, eine Wohnung in München zu finden. Sie hat einen guten Job und kann sich die hohen Mieten in der Innenstadt durchaus leisten. Anders als viele Familien, die es eher in die Viertel am Stadtrand ziehe.

Solche Alleinstehenden schlagen bei Armin Hagen erst gar nicht auf. Er ist Leiter der Hausbewirtschaftung bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG. Und die ist hauptsächlich dafür zuständig, bezahlbaren Wohnraum für Familien zur Verfügung zu stellen.

Aber auch bei Hagen melden sich Singles. Seniorinnen zum Beispiel, die wegen ihrer Kinder früher längere Zeit nicht gearbeitet und damit nur wenig in die Rentenkasse einbezahlt haben. Nach dem Tod ihrer Männer hätten diese Frauen nur sehr geringe Einnahmen, sagt Hagen. "Solche Fälle haben wir immer wieder, dass Seniorinnen sich die eheliche Wohnung nicht mehr leisten können."

Die GWG hat daher neben ihren normalen Objekten auch Seniorenanlagen speziell für diese Klientel. Zu den Mietern der GWG zählen außerdem alleinstehende Arbeitslose, die Mieten von zehn Euro oder mehr nicht aufbringen können.

In eine geförderte Sozialwohnung darf einziehen, wer rund 1000 Euro netto im Monat zur Verfügung hat. Diese Regel betrifft vor allem die neueren der knapp 27.000 GWG-Wohnungen in München. In den älteren Objekten ist die Förderung zum Teil schon abgelaufen, sie können frei auf dem Markt vermietet werden.

Auch Hagen stellt fest, dass die Ansprüche der Münchner Alleinstehenden steigen. "In unserem Altbestand gibt es viele Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen, die so um die 50 Quadratmeter haben", sagt er. Früher seien die Räume von einer Familie als Schlaf-, Wohn- und Kinderzimmer genutzt worden. "Heute ist das Kinderzimmer das Arbeitszimmer des Alleinstehenden", berichtet Hagen.

Der Anteil der Singles in München hat kontinuierlich zugenommen. Lag die Zahl der Ein-Personen-Haushalte im Jahr 1961 noch bei 34,3 Prozent, so schwankt sie heute zwischen 50 und 54 Prozent. Daraus lässt sich natürlich nicht die wirkliche Zahl der Singles ablesen. Enthalten sind etwa Menschen, die eine Beziehung haben, dennoch aber alleine wohnen, Alleinstehende, die in Wohngemeinschaften leben, hingegen nicht.

Über letztere wird keine Statistik geführt. Die Einschätzungen der Experten liefern auch kein eindeutiges Bild. GWG-Mann Hagen stellt in seinem Segment durchaus Bewegung fest. "Singles, die keine für sie passende Wohnung finden, tun sich zu einer WG zusammen", sagt Hagen. Er bekomme viele Anfragen.

Den meisten jedoch muss er eine Absage erteilen. "Unsere großen Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern vergeben wir an Familien", berichtet er. Die hätten es am hart umkämpften Münchner Mietmarkt ohnehin schwerer, weil es einfach nicht genügend Objekte in dieser Größe gebe. Im Geschäft von Makler Dahn hingegen spielen Wohngemeinschaften eher eine untergeordnete Rolle. "Dieser Gedanke geht wohl eher verloren", sagt er.

Eine leichte Zunahme registriere er bei Senioren-WGs. Ältere Singles von 65 Jahren an gründeten Wohngemeinschaften, um sich gegenseitig zu unterstützen. "Es ist nicht der Marktrenner, aber diese Lebensform nimmt zu", sagt Dahn. Beliebt seien WGs noch immer bei Studenten. Doch auch bei ihnen zeige sich ein Trend zur Ein-Zimmer-Wohnung, sagt Dahn.

Diese Tendenz hat wiederum Hagen auch schon bemerkt. Bei der GWG gibt es trotz überfüllter Studentenwohnheime zwar kein eigenes Studierenden-Projekt, Studenten könnten sich aber auf Wohnungen bewerben. Laut Hagen sind sogar die Apartments in der Maikäfersiedlung belegt. Diese sind 30 Quadratmeter groß und kosten nur 220 bis 230 Euro Warmmiete im Monat. Der Haken: Keine Wohnung hat ein Badezimmer, es gibt nur eine Toilette und ein Waschbecken.

Doch das nehmen die Mieter in Kauf. "Gerade im Bereich der niedrigen Preise ist der Druck enorm hoch", sagt Hagen. Statistiken sagen eben nicht alles. Denn auch in München gibt es sie, die Alleinstehenden, deren Kaufkraft bei weitem nicht so hoch ist, dass sie sich jede Wohnung leisten könnten.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2011/tob
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