Süddeutsche Zeitung

Kritik:In voller Blüte

Die vierten Singer-Pur-Tage auf dem Adlersberg feierten die Musik des Münchner Hofkomponisten Ludwig Senfl.

Von Andreas Meixner, Regensburg

Die Musik von Ludwig Senfl (um 1490-1543) stand schon einmal im Mittelpunkt auf dem Adlersberg. Damals, vor 14 Jahren, als das Festival vor den Toren Regensburgs noch Stimmwercktage hieß und sich anschickte, ein kleines Juwel unter den Festivals für Alte Musik zu werden. Im vierten Jahr der Singer-Pur-Tage richtet sich jetzt der Fokus der drei Konzerte und der wissenschaftlichen Tagesakademie auf die Lieder und Motetten des Münchner Hofkomponisten, flankiert von zwei fabelhaften Instrumentalformationen, die mit Streich- und Blasinstrumenten das Repertoire erweitern helfen, verdichten und im gemeinsamen Zusammenspiel mit den Sängern den Klangrausch exaltierter Renaissancemusik zelebrieren.

Das Ensemble Leones mit seinem Leiter Marc Lewon war schon einmal zu Gast bei den Singer-Pur-Tagen, die mehrstrophigen und kleingliedrigen Lieder tauchen sie in ein schillerndes Gewand unzähliger Besetzungsvarianten an Streich- und Zupfinstrumenten, keine Strophe gleicht derselben. Mit den feinen Bläsern des neu gegründeten Ensembles Sylvarum verschmelzen sie zu einem kleinen superben Renaissance-Orchester, fast ein verschwenderischer Luxus der Klangvielfalt und des Farbenreichtums. Singer Pur ist die vokale Krone des Ganzen, und diesmal nicht nur in der gewohnt famosen Klangästhetik, sondern auch in vielen Momenten als hervorragende Solisten und Interpreten der Senfl-Lieder. All das, was das Sängerensemble an Anmut, Schönklang und Beseeltheit in Gänze ausmacht, findet sich in Miniatur bei den solistischen Augenblicken wieder.

Die Kompositionen des Briten Gavin Bryars wurden zu Höhepunkten der Konzerte

Und dann ist da noch die Musik des Briten Gavin Bryars als diesjähriger Composer in residence. Eigens für die Festivaltage hat er Singer Pur seine Vokalwerke auf den Leib geschneidert, ausschließlich mit Texten von Francesco Petrarca. Mit der ihm eigenen, dichten Klangsprache schmiegen sich seine kompakten Werke an die Alte Musik, spiegeln die frühen Stilarten in die gemäßigt-moderne Tonalität, die gerade den Sängern von Singer Pur so sehr liegt. Deshalb werden Bryars Kompositionen zu Höhepunkten der Konzerte, weil sie den Zuhörer aus dem vielschichtigen Klanggeflecht Senfls herausholen und innehalten lassen. Verspielt wird es, wenn Singer Pur das "Gläut zu Speyer", eines der bekanntesten Stücke von Ludwig Senfl, mit wunderbar kleinen Akzenten und Lautmalereien imitiert. Und ganz groß wird es, wenn der Gesang und die Instrumente über die Länge des Kirchenschiffs respondieren, nahtlose Übergänge schaffen und zum mächtigen, aber noblen Tutti zusammenfinden.

In ihrem vierten Jahr stehen die Singer-Pur-Tage in voller Blüte, schöpfen in kulturell schwierigen Zeiten aus dem Vollen und trotzen dem vorherrschenden Pessimismus mit einem Festival höchster wissenschaftlicher und künstlerischer Güte. Solche Leidenschaft ist ein Garant für die Zukunft. Daher wird es die Singer-Pur-Tage auch weiterhin geben. Auf dem Adlersberg. Immer im August.

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