Süddeutsche Zeitung

Simon Schott::"Echte Stars arbeiten hart und haben keine Allüren"

Simon Schott, 89, ist Barpianist. In den fünfziger Jahren spielte er in Harry's New York Bar, in Paris für Stars wie Bogart oder Coco Chanel. Seit 25 Jahren ist er nun im Hotel Vier Jahreszeiten in München angestellt und spielt noch jeden Abend für die Gäste.

Hans Gasser

SZ: Herr Schott, Sie haben in vielen Hotels auf der Welt gespielt, woran erkennt man denn ein wirklich gutes?

Schott: Erst einmal an den Sternen. Aber die sagen nicht alles aus. Grand Hotels, erste Häuser am Platz, haben immer einen Barpianisten. Der gehört dazu wie der Kofferträger oder das Zimmermädchen. In richtig guten Hotels ist das Personal ehrlich freundlich, da will man wirklich, dass es jedem Gast gut geht.

Wenn bei uns etwa eine Gruppe Japaner die Halle betritt, dann spiele ich ein kleines japanisches Lied. Die freuen sich und fühlen sich begrüßt. Am nächsten Tag kommen die runter und machen alle einen Bückling vor mir - aus Dankbarkeit.

SZ: Was macht einen guten Barpianisten aus?

Schott: Die können alle nicht Klavier spielen. Ich meine, die haben's nie richtig gelernt, können oft keine Noten lesen, aber trotzdem phantastisch spielen. Sie haben ein bestimmtes Repertoire, etwa 20 Komponisten - Gershwin, Ellington Porter. Die alle komponierten lyrische, langsame Lieder mit wahnsinnig schnellen Akkordwechseln.

Das klingt sehr farbig. Der Barpiano-Sound ist reines Understatement. Man muss bereit sein, in den Hintergrund zu treten, man darf sich nicht wichtig fühlen, muss einen Klangteppich weben für Leute am Laptop oder hinter einer Zeitung und vielleicht nur ein oder zwei, die wirklich zuhören.

SZ: In vielen Hotels wird der Gast dauerhaft über Lautsprecher berieselt.

Schott: Ja, aber nicht in einem First Class Hotel. Die permanente Beschallung ist schlecht. Es gibt viele Leute, die musikalisch sind und die sich nicht unterhalten können, wenn Musik läuft.

SZ: Reagieren die Gäste auf ihr Klavierspiel?

Schott: Die Leute kommen ja oft mit vielen Sorgen in die Hotelbar. Erst dort beginnen sie zu entspannen, hören angenehme Musik. Das schafft Vertrauen. Einmal kam eine Frau zu mir, sie sagte: Ich habe solche Sorgen, aber wenn ich Sie Klavierspielen höre, sind sie weg. Viele Leute kommen zu mir und erzählen mir ihre Probleme. Das gehört zur Profession eines Barpianisten.

SZ: Sie haben für viele Stars gespielt. Waren die früher anders als heute?

Schott: Nein. Echte Stars arbeiten hart und haben eigentlich keine Allüren. Die schauen nicht herab auf dich als Barpianisten. Im Gegenteil. In meiner Zeit in Harry's New York Bar in Paris, da ging von Humphrey Bogart und Rita Hayworth bis Coco Chanel alles ein und aus.

Coco Chanel hat mich am meisten beeindruckt. Sie fragte einmal, ob ich ,,I'am confessing that I love you'' kenne, das sei ein schönes Lied. Darauf sagte ich: Jedes Lied, das ich für Coco Chanel spiele, ist ein schönes Lied. Ich habe dann zweimal auf Privatparties von ihr gespielt.

SZ: Verhalten sich Menschen im Hotel anders als draußen in der Welt?

Schott: Kommt darauf an. Ein Geschäftsmann kommt, will sein Bett und sein Frühstück und damit hat es sich. Jemand, der eine schöne Stadt besucht und sich ein teures Hotel leisten kann, genießt es viel mehr. Der schaut die Hähne im Bad an, freut sich über das wunderschöne Bett, rückt nachts um zwei Uhr einen Stuhl ans Fenster im vierzigsten Stock.

So habe ich das einmal gemacht in New York mit meiner Freundin. Man bestellt beim Zimmerservice eine Tomatensuppe, ein frisches Baguette, ein Glas Rotwein und schaut in die Büros vis-á-vis, wo schon die ersten Broker arbeiten.

SZ: Sie sitzen in der Bar an der Quelle des Alkohols. Nie Probleme gehabt?

Schott: Die Gäste wollen dir natürlich Drinks spendieren. Daran sind schon viele Kollegen frühzeitig gestorben. Ich trinke deshalb niemals Alkohol während der Arbeit. Sonst wäre ich nie 89 geworden.

SZ: Sie waren lange in Paris und auch in London. Langweilt Sie München?

Schott: Das Weltstadtflair ist ein Bazillus. Wenn man 14 Jahre in Paris oder London war, dann ist jede andere Stadt erstmal untragbar. Ich war entsetzt, als ich wieder nach München kam. Man sieht ja in jeder Stadt nur eine Straße mit Häusern bis zum Ende.

Aber es geht um das Gefühl, dass alles möglich ist, alles passieren kann. Vom Barpianisten zum Millionär. Dieses Gefühl ist nur in Weltstädten so stark. Es lässt einen nicht mehr los.

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Quelle:
SZ vom 29.3.2007
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