Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Scharfer Blick

Simon Pearce mit seinem neuen Programm "Hybrid" im Lustspielhaus.

Von Oliver Hochkeppel, München

Abstraktion ist nicht die Sache des Simon Pearce. Obwohl er gelernter und praktizierender Schauspieler ist, schlüpft er, anders als klassische Politkabarettisten, Typenkabarettisten oder auch viele Comedians - und Pearce ist ja wie heute so viele beides: Stilistisch ein klassischer Stand-Upper, thematisch durchaus auch ein Kabarettist - nicht oder höchstens als kurze parodistische Pointe in andere Figuren. Nein, Pearce bleibt auch auf der Bühne Pearce und verhandelt seine Themen fast ausschließlich aus dem eigenen, durch lebenslange Diskriminierung geschärften Blickwinkel und eigenen Erfahrungen. Wobei er Frau, Mutter und Kind so bis ins Intimste miteinbezieht, wie das wohl nur in einer an Öffentlichkeit gewöhnten Schauspieler- und Film-Familie geht.

"Hybrid" lautet Titel und Thema des neuen, im Lustspielhaus präsentierten Programms, und das bezieht sich anders als in den bisherigen zwei Solos nicht mehr nur auf seine Herkunft, sondern auch aufs Alter. Nunmehr Ü40, Vater und Ehemann mit "Vertretungslehrer-Erscheinung", ändern sich als "Bindeglied zwischen Jungen und Alten" die Probleme und Themen: Der altersangepasste, "nett gemeinte" Rassismus, Semi-Prominenz, Fitness-Nonsens, das Durchschauen neuer Trends als alter Scheiß, selbst Haarprobleme und "Papa-Geruch" werden plastisch, witzig und ins Allgemeine zielend verhandelt. Oft am Besten "freestyle", also wenn Pearce spontan assoziiert und mit dem Publikum arbeitet.

Immer wieder läuft das darauf hinaus, dass sich jeder ändern kann, wenn man nur miteinander redet und voneinander lernt. So war dieser Abend nicht nur sehr lustig, sondern sogar eine Art Anschauungsunterricht, was man tun kann, um ein bisschen ein besserer Mensch zu werden. Ganz konkret.

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