Süddeutsche Zeitung

Siko:Frieden ist machbar

Die einen demonstrieren lautstark gegen angebliche Kriegstreiber, die anderen suchen das Gespräch: Erstmals haben nun Gegner der Münchner Sicherheitskonferenz gemeinsam mit den Veranstaltern debattiert

Von Thomas Anlauf

Es ist schon eine merkwürdige Vorstellung: Dutzende Pazifisten und Gegner der Münchner Sicherheitskonferenz sitzen in einem gediegenen Salon des Bayerischen Hofs gemeinsam mit dem Verantwortlichen der einstigen Wehrkundetagung und diskutieren ruhig und friedlich über Rüstung, Krieg und Panzergeschäfte. Doch genau das ist die Szenerie am Donnerstagabend im Gelben Salon des Hotels - also dort, wo sich in vier Wochen Verteidigungsminister, Staatschefs, Militärs und Sicherheitsexperten treffen werden, um über Krieg und Frieden zu debattieren. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Münchner Sicherheitskonferenz, dass eine Gruppe von Siko-Gegnern eine gemeinsame Podiumsdiskussion mit den Veranstaltern organisiert.

Zwei Lüster glitzern von der Decke des Gelben Salons im Bayerischen Hof, dunkle Paneele im Stil von Louis XV. bilden die Rückwand des Raums im ersten Stock des Palais Montgelas. Etwa 50 Zuhörer sitzen auf golden schimmernden Stühlen, die Mehrheit der Besucher dürfte das Rentenalter bereits erreicht haben. Es sind vor allem Aktive aus der Friedensbewegung, die einmal leibhaftig hören wollen, was die Verantwortlichen der Sicherheitskonferenz zu ihrer Rolle in der globalen Rüstungspolitik zu sagen haben. Vorne auf dem kleinen Podium sitzt einer der Hauptakteure, Benedikt Franke. Der 36-Jährige mit dem jungenhaften Lächeln ist Chief Operating Officer der Münchner Sicherheitskonferenz, sozusagen der zweite Mann hinter Siko-Chef Wolfgang Ischinger. Franke hat bereits eine beachtliche Karriere hingelegt. Er war persönlicher Referent und Redenschreiber des ehemaligen UN-Generalsekretärs und Friedensnobelpreisträgers Kofi Annan, Protokollchef der Siko und bis 2014 Strategiebeauftragter der CSU-Landesleitung. Der Mann sitzt also lächelnd auf der Bühne und sagt ins Publikum Sachen wie: "Ich bin offen, von Ihnen zu lernen."

Fast schon überdiplomatisch spricht er mit seinem Gegenüber auf dem Podium, der ehemaligen SPD-Abgeordneten Ute Finckh-Krämer, die sich selbst als Pazifistin bezeichnet. Die Berlinerin, die unter anderem Vize-Chefin des Bundestags-Unterausschusses "Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung" war, argumentiert mit der großen Bedeutung der deutschen Diplomatie in Krisen, die wichtiger für die Bewahrung des Friedens sei als jede Rüstung. Franke stimmt ihr lächelnd zu und sagt, "Deutschland hat sich unglaubliche Meriten verdient im Bereich der Diplomatie". Er glaubt dennoch an den Spruch: "Speak softly and carry a big stick." Soll heißen: Sprich diplomatisch und trage eine Keule mit dir. Die Keule, so deuten es die Pazifisten im Saal, ist die militärische Abschreckung.

Trotzdem kommt während der eineinhalbstündigen Debatte keine aggressive Stimmung auf, nur ein Zuhörer reagiert gereizt auf die "Big Stick"-These des stellvertretenden Siko-Chefs. Da kontert der sonst lächelnde Franke etwas scharf, dass der Zuschauer wohl die Sicherheitskonferenz früherer Jahre vor Augen habe, als noch Horst Teltschick die Konferenz leitete. "Die Siko 2018 ist ein ganz anderes Tier", sagt Franke wieder sanft. Nur welches? Ist sie etwa ein friedsames Tier geworden, das nur eine Plattform ist, um die Welt friedlicher zu machen?

680 Teilnehmer

zählte die 53. Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr, darunter mehr als 100 Staats- und Regierungschefs sowie Minister. In diesem Jahr findet sie vom 16. bis 18. Februar statt. Als Staatsgäste werden unter anderem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet, auch die Teilnahme von US-Verteidigungsminister James Mattis ist so gut wie sicher. Von der geschäftsführenden Bundesregierung kommen wohl Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Thomas de Maizière.

Friedensaktivist Thomas Mohr, Moderator des Abends und Vorsitzender der Projektgruppe "Münchner Sicherheitskonferenz verändern", sieht trotz der Harmonie im Gelben Salon eine "gewisse Doppelgesichtigkeit" der Siko: Einerseits gebe es die Chancen für Dialog über die Grenzen von Nato und EU hinaus, andererseits sei die Tagung noch immer ein Forum traditioneller Sicherheitspolitik und westlicher Dominanz. Trotzdem wird Mohr in diesem Jahr wieder als Beobachter zur Siko dürfen, ganz offiziell als Friedensaktivist. Im dann hermetisch abgeriegelten Bayerischen Hof wird er wohl nicht viel mitbekommen von der Protestkundgebung am 17. Februar. Die richtet sich gegen das "Propaganda-Forum zur Rechtfertigung der Nato- und EU-Kriegseinsätze", wie Claus Schreer vom Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz die Siko nennt. Er hält es für "naiv und eine Illusion" von Mohr und seiner Gruppe, zu glauben, "man könnte Ischinger davon überzeugen, dass aus der Sicherheitskonferenz eine Friedenskonferenz wird".

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SZ vom 20.01.2018
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