„Genocide“ – Völkermord: In riesigen schwarzen Lettern prangt das Wort am frühen Freitagmorgen am Siemens Technology Center auf dem Garchinger Campus der Technischen Universität München (TUM). Daneben zur Illustration jede Menge roter Farbe an der Glasfassade des erst im Frühjahr eröffneten Gebäudes. Verantwortlich für die Aktion sind Münchner Pro-Palästina-Aktivisten. Die Kriminalpolizei ermittelt.
Dass Graffiti als Sachbeschädigungen die Polizei auf den Plan rufen, ist der Normalfall. Ungewöhnlich ist dagegen, dass die Täter sich dabei filmen, offenbar mit Kopfkameras. Im konkreten Fall zeigt das im Internet veröffentlichte Video den Ermittlern sogar, wo sie mit ihrer Suche nach den Sprayern beginnen sollen: bei zwei Gruppierungen der israelfeindlichen Szene. Das „Unikomitee München für Palästina“ und der lokale Ableger des Netzwerks „Palästina spricht“ veröffentlichten das Video von der nächtlichen Straftat in ihren Instagram-Accounts.
Dort ist zu lesen, dass es sich bei den Sprayern um angeblich „anonyme Aktivisten“ handelt. Über deren Motive wissen die beiden Pro-Palästina-Gruppierungen aber sehr genau Bescheid. Der in Garching gesprühte Satz „Both support Genocide“ beziehe sich auf Siemens und auf die TUM. Siemens liefere Komponenten für Waffen, die von der israelischen Armee verwendet würden, und Sicherheitssysteme für israelische Gefängnisse. Die TUM kooperiere mit israelischen Hochschulen.
Im Text zu dem Video, einer Art indirektem Bekennerschreiben, wird außerdem ein enger Zusammenhang zu einer ähnlichen Farbattacke fünf Tage zuvor auf das Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München hergestellt. Dafür seien dieselben „anonymen Aktivisten“ verantwortlich. Sie hatten in der Schellingstraße etwa 40 Parolen an die Wände und auf den Gehweg gesprüht – in unmittelbarer Nähe des historischen Seminars der LMU, an dem auch jüdische Geschichte gelehrt wird.
Die Ermittlungen in beiden Fällen hat das Kommissariat 45 des Polizeipräsidiums München übernommen, das sich um „politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideologie“ kümmert. Ob sich die Münchner Generalstaatsanwaltschaft in die Ermittlungen einschaltet, war am Dienstag noch offen.
Bereits zwei Mal hat die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Aktivisten von „Palästina spricht München“ aufgenommen. In beiden Fällen ging es um den Verdacht der Billigung von Straftaten, nachdem auf der Instagram-Seite der Gruppierung der Hamas-Terror vom 7. Oktober als angeblicher Widerstand verharmlost worden war. Zum Jahrestag des Anschlags hatte die Gruppe gepostet: „Vor einem Jahr hat Gaza seine Ketten gesprengt.“
„Palästina spricht“ und das „Unikomitee“ standen auch hinter dem inzwischen aufgelösten „Protestcamp“ vor der LMU. Sie hatten vor drei Wochen angekündigt, ihren Protest nun in die Unis tragen und „die Dinge auf ein neues Level“ bringen zu wollen. Maßgeblich mitinitiiert worden waren Camp und Unikomitee von der linksextremen trotzkistischen Splittergruppe „Klasse gegen Klasse / Waffen der Kritik“. Sie wird ebenso vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet wie der Münchner Ableger von „Palästina spricht“. Am 31. Januar hatten Mitglieder des Unikomitees einen LMU-Hörsaal besetzt.