"Sieht nicht optimal aus für die Stadt":Schülerlotse schuld an Unfall

Eine Mutter streitet sich seit vier Jahren mit der Stadt München vor Gericht um Schmerzensgeld für ihre Tochter.

Ekkehard Müller-Jentsch

"Ohne Schulweghelfer wäre der Unfall wahrscheinlich gar nicht passiert." Diesen Satz sagte gestern vor dem Oberlandesgericht München eine Mutter, die seit vier Jahren um Schmerzensgeld für ihre Tochter kämpft.

Und auch der 1. Zivilsenat fragt sich, ob bei der Stadt womöglich Personen als Schülerlotsen einsetzt würden, denen es an Ausbildung oder Eignung mangle. So manches in den Prozessakten sehe "nicht optimal aus für die Stadt", meinte die Vorsitzende.

Es geht um einen Schulwegunfall, der im März 2002 an der Kreuzung Thalkirchener-/Kapuzinerstraße passiert war. Ein damals siebenjähriges Mädchen war bei "grüner" Fußgängerampel und trotz eines Schulweghelfers von einem Auto angefahren und verletzt worden. Es musste an einem Fuß operiert werden, wochenlang eine Gipsschiene tragen und später zum Herausnehmen von Metallstiften erneut operiert werden.

Stadt München: Kind ist selbst schuld

Die Staatsanwaltschaft und ein Sachverständiger hatten damals festgestellt, dass den Autofahrer keine Schuld an dem Unfall traf: Er musste erst hinter einem Abbieger auf der Kreuzung warten und konnten dann nicht erkennen, dass die Fußgängerampel inzwischen auf Grün umgeschaltet hatte. Im selben Moment, als er bei seinem 730er BMW Gas gegeben hatte, war das Mädchen losgestürmt und buchstäblich in das Auto gerannt.

Nach Auffassung der Mutter ist die Stadt der Schuldige: Der turkmenische Schülerlotse spreche kein Wort Deutsch, sei nicht ausreichend ausgebildet und hätte deshalb von der Ordnungsbehörde nicht als Schulweghelfer eingesetzt werden dürfen.

Der Mann habe die Gefahr nicht erkannt und die Kinder deshalb nicht zurückgehalten, sondern dem Autofahrer gewunken. Die beklagte Stadt bestreitet dies und meint, das Kind sei selbst schuld. Außerdem hätte die Mutter den Autofahrer verklagen müssen, oder den Freistaat, weil Polizisten für die Ausbildung der Schulweghelfer zuständig seien.

Wie gut ist die Lotsenausbildung?

In erster Instanz beim Landgericht München I war die Stadt trotzdem zur Zahlung von 3000 Euro Schmerzensgeld verurteilt worden. Denn der Lotse habe fahrlässig seine Pflichten vernachlässigt: Er hätte den Pkw nicht fahren lassen und schon gar nicht durchwinken dürfen.

Zumindest hätte er trotz des Grünlichts die Kinder am Überqueren der Straße hindern müssen. Gegen den Autofahrer zu klagen, wäre sinnlos gewesen, stellte das Gericht fest. Und auch, dass eine Behörde auf die andere verweisen wolle, müsse sich die Mutter nicht gefallen lassen (Az.: 17 O 1437/05).

Die Stadt legte gegen das Urteil Berufung ein, über die gestern beim 1. OLG-Senat verhandelt wurde. Die Richter schlugen einen Vergleich vor: Die Stadt solle 1500 Euro bezahlen, weil sich nach Jahren die Hergang kaum noch klären lasse, da die meisten Zeugen damals kleine Kinder waren. Außerdem müsse die Behörde sich sonst fragen lassen, wie gut die Lotsenausbildung wirklich sei. Beide Seiten haben drei Wochen Bedenkzeit.

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