Ausstellung:Zwei Leben für die Illusion

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Siegfried und Roy als Pappkameraden auf der Showtreppe mit einem beeindruckenden Rudel weißer Tiger. (Foto: Karl-Heinz Wunsch)

Eine Ausstellung in Rosenheim feiert die Magier Siegfried & Roy und ehrt so auch einen berühmten Sohn der Stadt. Möglich machte das allerdings erst ehrenamtliches Engagement.

Von Klaus Kalchschmid, Rosenheim

Siegfried & Roy: Das war jahrzehntelang das glamouröseste und erfolgreichste, aber damit auch das am besten bezahlte Illusionisten-, Zauberer- und Dompteure-Duo der Welt mit immer opulenteren, über Jahre hinweg täglich ausverkauften Shows in Las Vegas. In den 1970ern wurden sie dort mehrfach in Folge zu den besten Magiern des Jahres gekürt. Hollywood hätte dieses Gespann nicht besser für den Film erfinden können.

Die einzigartige Erfolgsgeschichte endete abrupt am 3. Oktober 2003. Roy hatte in seinen 59. Geburtstag hineingefeiert; wenige Stunden später verletzte ihn am Abend in der nächsten Show einer seiner geliebten weißen Tiger lebensgefährlich. Bis zum Tod an den Folgen von Covid-19 im Mai 2020 war Roy halbseitig gelähmt. Unvergessen und berührend ihr letzter gemeinsamer, nur zehnminütiger Auftritt im Jahr 2009, bei dem auch Mantecore dabei war, also der Tiger, der Roy sechs Jahre zuvor so schwer verletzt hatte.

Mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor hatte alles begonnen: 1960 waren der 21-jährige Siegfried und der 16-jährige Uwe Horn, wie Roy damals noch hieß, unabhängig voneinander als Page und Kellner auf einem Luxus-Kreuzfahrtschiff engagiert. Nebenbei zauberten sie für die Gäste, bis der Kapitän des Schiffs auf die glorreiche Idee kam, beide im Ballsaal gemeinsam auftreten zu lassen. Immer mit von der Partie und der Clou: Uwes Gepard "Chico", den ihm als 13-Jähriger der Bremer Zoo überlassen hatte und der die 300 Zuschauer erst einmal gehörig erschreckte, als er allein und ohne Leine auftrat. Von diesem, damals noch als "Siegfried und Partner" auftretenden Zufalls-"Paar", das in Beruf und Leben erst eines wurde, gibt es zauberhafte Schwarz-Weiß-Aufnahmen von damals.

Zwei gut aussehende Männer statt eines omnipotenten Zauberers mit leicht bekleideter Assistentin

Sie sind innerhalb eines ZDF-Films im historischen "Ballhaus" Rosenheims zu sehen. Anlässlich ihres Auftretens im "Astoria" in Bremen, dem Hansa-Theater in Hamburg oder im "Lido" in Paris 1968 wird darin betont, was für eine Besonderheit es seinerzeit war, dass statt eines omnipotenten Zauberers plus leicht bekleideter Assistentin nun zwei gut aussehende Männer gleichberechtigt und nicht minder charmant die Grenzen von Realität und Fantasie ausloteten und immer wieder aufhoben. Der Film ist eine von sieben Dokumentationen, die im Mittelpunkt einer Ausstellung stehen, die das Duo in der Heimatstadt von Siegfried Fischbacher nach Roys Tod im Mai 2020 und Siegfrieds Tod im Januar 2021 erstmals gebührend würdigt.

In Rosenheim geboren, war Siegfried das schüchterne Kind eines kriegstraumatisierten, alkoholkranken Vaters, den er gleichwohl mit einem frühen Zaubertrick für sich einnehmen konnte. Hier bildete sich ein lebenslang erinnertes Urvertrauen für Siegfried, der immer seiner Heimatstadt verbunden geblieben ist. Heute ist er einer der großen Söhne der Stadt und sowohl die drei AfD-Mitglieder des Stadtrats wie der grüne Heimatpfleger und Erste Vorsitzende des Historischen Vereins Rosenheim, Karl-Heinz Brauner, Initiator und einer der Organisatoren der Gedenk-Ausstellung, wünschen sich eine angemessene, dauerhafte Ehrung des Duos.

Mittig in der Vitrine: ein Gemälde, das den jungen Siegfried mit Zigarillo zeigt. (Foto: Klaus Kalchschmid)

Doch das ist gar nicht so einfach, auch wenn die Familie hier lebt und das Andenken bewahrt. Aber Stiftung der beiden Magier in Las Vegas mit einem geschätzten Vermögen zwischen 125 und 200 Millionen hat weder der Familie irgendetwas überlassen, noch für die Memorial-Ausstellung in Rosenheim Exponate bereitgestellt. Sie wurde daher großenteils ehrenamtlich gestemmt und erinnert im schönen neoklassizistischen "Ballhaus" der Stadt von 1926 ein halbes Jahr nach dem Tod Siegfrieds durchaus angemessen an die beiden Magier.

Nun sind an den Wänden jede Menge schön gerahmte Fotos aufgereiht, die Siegfried und Roy an der Seite von allerlei Prominenz zeigen wie Liz Taylor, Tina Turner und Sylvester Stallone, über König Gustav von Schweden bis Papst Johannes Paul II. Ein großformatiges Ölbild aus dem Besitz der Großnichte Jenny Fischbacher nach einem mondänen (Mode-)Foto des jungen Siegfried mit Zigarillo darf ebenso bewundert werden wie ein großformatiger Druck des Originals. In einem Ordner mit alten Zeitungsausschnitten aus den 1960er bis 1990er Jahren kann man amüsiert blättern und lesen. Da ist als Headline in frühen Jahren gedruckt: "Ein Rosenheimer zaubert um die Welt" oder "Was macht ein Gepard in Rosenheim?".

Jede Menge Fan-Artikel wie Tassen, Kalender, Autogrammkarten oder ein seinerzeit vielfach verschickter Weihnachtsgruß mit den Konterfeis von Siegfried & Roy & Johannes Paul II., zieren die Schaukästen im Eingangsbereich. Und auf einer Art imaginärer Showtreppe in den ersten Stock sitzen dort vor Siegfried und Roy als Pappkameraden jede Menge weiße (Plüsch-)Tiger, wie sie heute noch neben weißen Löwen, schwarzen Panthern und Schneeleoparden in einem Tierpark namens "Secret Garden" in der Hotelanlage hinter dem "Mirage" gezüchtet werden. Hier zeigten Siegfried & Roy ihre Show, die immer aufwändiger wurde, bis hin zum Einsatz eines riesigen mechanisch bewegten Drachen aus Metall. Am Eingang kann auch das längst vergriffene autobiografische und opulent bebilderte Buch, erschienen 1992 im Bruckmann-Verlag, zum Sonderpreis erworben werden.

Der Tod schafft Leerstellen: Jörg Länger malte "Siegfried und Roy auf der Wiesn". (Foto: Jörg Länger, VG Bild-Kunst, Bonn 2021/Joerg Laenger)

Ganz anders als der überbordende Zuckerbäcker-Stil im Haus der beiden in Las Vegas, den man als Tuntenbarock hoch drei bezeichnen können, ist die Optik, die der Künstler Jörg Länger für seine Bilder gefunden hat, die aussehen wie Scherenschnitte in Weiß und Siegfried und Roy mehrfach mit und ohne ihre Tiger zeigen. Sie sollen wie in einem Negativ die Leerstelle markieren, die der Tod der beiden Magier hinterlassen hat und flankieren den Eingang der Ausstellung, während der eigentliche Saal begrenzt wird von großen Leinwänden, auf die Fotos gedruckt sind, die bereits ikonographisch geworden sind. So der rare, schöne Schnappschuss bei einer Führung durch die Hallen des Vatikan, der Roy mit Siegfrieds Schwester Margot, die als Nonne Schwester Dolores genannt wird, und diesen mit deren Mutter Oberin unbeobachtet in den ehrwürdigen Gemäuern im angeregten Gespräch zeigt.

Ein explizites Coming-out hätte damals der unglaublichen Karriere womöglich geschadet

Über das Verhältnis der beiden Männer zueinander brauchte nicht viel spekuliert zu werden, lebenslang äußerten sie sich auch nicht zu ihrer Lebenspartnerschaft, stand sie doch im Amerika der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch lange unter Strafe. Ein explizites Coming-out hätte damals der unglaublichen Karriere womöglich geschadet, und doch war es für alle offensichtlich. Bis 1998 dauerte die private Partnerschaft wohl und intensivierte sich nach dem tragischen Unfall Roys wieder. Beruflich hielt sie sowieso ein ganzes Leben.

"Siegfried und Roy - Zwei deutsche Legenden" heißt der neueste Film vom Mai 2021 über das Duo. Er ist in der Ausstellung zu bestimmten Zeiten zu sehen, aber auch verfügbar in der ZDF-Mediathek. Dazu gibt es sechs weitere Filme, die im Wechsel gezeigt werden, so der legendäre 3D-Imax-Film "Die Meister der Illusion", ein Zusammenschnitt ihrer Show in Las Vegas oder diverse TV-Auftritte bei Alfred Biolek, Stefan Raab, Thomas Gottschalk oder "Wetten dass..?" und Privataufnahmen der Familie, darunter Bilder vom Waisenhaus in Rumänien, das Schwester Dolores gegründet hat und das die beiden Magier immer wieder finanziell unterstützten.

Außerdem gibt es Live-Auftritte von verschiedenen Zauberern, die Wiederholung eines ebenso erhellenden wie lustigen Gesprächs mit Schwester Dolores und Karl-Heinz Wunschelmeier, dem Gründer des "Sarmoti"-Fanclubs, wie sich das Programm der Magier in Las Vegas als Akronym für "Siegfried and Roy, Masters of the Impossible" nannte, sowie einen Vortrag zur Geschichte der Zauberkunst.

In Memoriam Siegfried & Roy, Ballhaus Rosenheim, Weinstraße 12, tgl. bis 15. September (14-21.30 Uhr), Eintritt frei, alle Termine und weitere Informationen unter: www.siegfriedandroyinmemoriam.de .

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