Süddeutsche Zeitung

Siedlung Ludwigsfeld:Stresstest für Anwohner

MAN will die Übungsstrecke für seine schweren Prototypen umbauen. Die Nachbarn sehen die Pläne kritisch

Von Jerzy Sobotta, Siedlung Ludwigsfeld

Aus der Luft sieht die Teststrecke des Bus- und Lkw-Herstellers MAN aus wie ein Schallplattenspieler: In der Mitte befindet sich ein asphaltierter Kreisel, auf den zwei Straßen zulaufen. Im Norden an den Würmkanal angrenzend ist ein Stellplatz für einige Dutzend Busse und Trucks, und auf der Westseite stehen Schotterhügel, auf denen sich die Fahrzeuge bewähren müssen, bevor sie in Serienproduktion gehen. Nun will der Konzern die Teststrecke verändern und aus einer der asphaltierten Straßen einen weiteren Schotterhügel machen. Die Pläne hat MAN Bürgern und Anwohnern am Montagabend in seinem Truck-Forum an der Dachauer Straße präsentiert.

Die bestehende Teststrecke wurde vor gut vierzig Jahren errichtet und 2005 zum letzten Mal angepasst. Seither drehen dort meist acht Busse, Trucks oder Lkw zeitgleich ihre Runden, testen ihre Anfahrts- und Bremswege, Drehachsen und alles, was sonst noch geprüft werden muss. Durch die neuen Fahrzeugtypen müsse die Teststrecke jetzt abermals angepasst werden, sagt Günther Aigner, der bei MAN für die Entwicklung von Prototypen und den Betrieb der Strecke verantwortlich ist.

Die Anträge für den Umbau wurden bereits im Dezember vergangenen Jahres bei der Stadt eingereicht. Ein umfassendes Begutachtungsverfahren durch die zuständigen Ämter läuft bereits und soll voraussichtlich bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein. Der Tüv Süd hat seine Untersuchungen zu Luftreinhaltung, Lärmschutz und Umweltverträglichkeit bereits durchgeführt. Bedenken gebe es keine, da alle vorgeschriebenen Werte eingehalten werden, sagte Andreas Rusp vom Tüv Süd: "Die Messungen liegen deutlich unter den Grenzwerten und machen keine zusätzlichen Untersuchungen nötig." Die Ergebnisse werden zurzeit vom Referat für Gesundheit und Umwelt geprüft. Sind alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, muss der Antrag genehmigt werden. Das erläuterte ein Mitarbeiter des Referats. Im Rahmen des neuen Genehmigungsverfahrens will der Konzern auch die Anzahl der erlaubten Fahrten verändern: Statt 25 sollen künftig bis zu 50 Hügelfahrten pro Tag durchgeführt werden. Auch die Anzahl der zulässigen Testrunden pro Tag soll sich von 250 auf bis zu 400 erhöhen. Dafür will man an weniger Tagen im Jahr fahren: Statt an 313 nur noch an 270 Werktagen. Die Gesamtzahl der zulässigen Runden soll sogar leicht gesenkt werden auf 74 000 pro Jahr. Unverändert sollen die Fahrten von Montag bis Samstag zwischen 7 und 20 Uhr möglich sein.

Die Umbaupläne betreffen einzig die so genannte Teststrecke 2, die sich außerhalb des Firmengeländes befindet. Um dort hinzukommen, fahren die Lkw, Trucks und Busse ungefähr einen Kilometer über die Karlsfelder Straße, entlang an den Häusern einer Siedlung an der Berthold-Litzmann-Straße, die sich zwischen dem MAN-Gelände und der Teststrecke befindet.

Gut drei Dutzend Anwohner sind zur Veranstaltung gekommen und beklagen sich über den Lärm, den die Fahrzeuge dabei verursachen. "Die brettern mit 50 Stundenkilometern an der Siedlung entlang. Wir haben Angst um unsere Kinder", sagt ein Bürger erbost. Ein anderer fordert eine Schallschutzwand im Norden, die seine Wohnung auf der anderen Seite des Würmkanals vor dem Lärm abschirmen würde. Den größten Unmut bereitet den Anwohnern aber der viele Verkehr im Viertel. "Unser Problem ist, dass die Stadt München kein Verkehrskonzept hat. Und MAN ist Teil dieses Problems", sagt eine Anwohnerin. Die Mitarbeiter und Gäste parkten die Siedlungen voll. Besonders schlimm sei es bei jährlichen Großveranstaltungen wie den MAN Trucknology Days gewesen, die zwischen 2008 und 2014 auf der Teststrecke mit bis zu 7000 Besuchern stattgefunden hätten.

Aigner versicherte, dass solche Veranstaltungen künftig nicht mehr geplant seien und die Vorführungen für Kunden künftig während der Testfahrten stattfinden sollen. "Auch wir haben daraus gelernt", sagte er. Auch verwies er auf ein modernes Parkleitsystem, das Mitarbeitern freie Plätze in den firmeneigenen Parkhäusern anzeige. Verstöße gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen würden konsequent geahndet. Diese Versicherungen konnten den Frust der Anwohner jedoch nicht beruhigen, die den Abend zumeist sichtlich erbost verließen.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2019
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