Warnung vor Listerien in Wurst :Pleite der Großmetzgerei Sieber vor dem Bundesgerichtshof – es geht um Schadenersatz

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Streit seit 2016: Der Fall des Fleisch- und Wurstfabrikanten Sieber im oberbayerischen Geretsried ist jetzt vor dem Bundesgerichtshof anhängig. (Foto: Claus Schunk)

Kontrolleure des Freistaats warnten 2016 vor möglichen Bakterien in Produkten des Unternehmens aus dem Münchner Süden. Wochen später musste der Betrieb schließen. Verletzte der Freistaat seine Amtspflichten?

Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft, ob der Freistaat Bayern wegen einer öffentlichen Warnung vor Wurst- und Schinkenprodukten der Großmetzgerei Sieber Schadenersatz zahlen muss. Das Unternehmen hatte auf Anordnung des Freistaats 2016 seine Produktion wegen möglicher Listerien eingestellt und ging kurz darauf insolvent. Der Insolvenzverwalter forderte vom Freistaat anschließend Schadenersatz in Höhe von rund elf Millionen Euro.

Wurden Amtspflichten verletzt? Dieser Frage geht der BGH jetzt nach. Es gehe unter anderem darum, ob es zur Amtspflicht der Behörde gehört, auch ohne Hinweis der Metzgerei zu ermitteln, ob es nachpasteurisierte Produkte gebe, von denen keine gesundheitlichen Gefahren ausgingen, sagte der Vorsitzende Richter, Ulrich Herrmann, bei der Verhandlung am Donnerstag in Karlsruhe. Angesichts der Dringlichkeit sei für eine solche Nachforschung nicht viel Zeit gewesen, argumentierte der BGH-Anwalt des Freistaats. Eine Frage an das Unternehmen hätte schon genügt, entgegnete sein Gegenüber.

Nach dem Verzehr von mit Listerien belasteten Produkten waren von 2012 an knapp 80 Menschen im Süden Deutschlands erkrankt, acht starben. Das Robert-Koch-Institut und das Bundesinstitut für Risikobewertung sahen die Fälle später mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit Sieber-Produkten. Eine differenziertere Warnung sei schwer umsetzbar gewesen, so der Anwalt des Freistaats. Auf der Produktverpackung sei für Verbraucher oft nicht zu erkennen, ob die Ware nachpasteurisiert sei oder nicht. Die bleibenden Zweifel müssten zulasten des Herstellers gehen. Der Anwalt des Insolvenzverwalters entgegnete: Dass die Warnung schwer umzusetzen sei, dürfe mit Blick auf ihre vernichtende Wirkung kein Argument sein.

Das Landgericht München hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Insolvenzverwalters gab das Oberlandesgericht München ihr aber teilweise statt. Die Stilllegung der Produktion, der Rückruf und die Warnung von Kunden vor dem Verzehr seien für Produkte gerechtfertigt gewesen, in denen Listerien hätten vorkommen können. Für verpackte und pasteurisierte Waren gelte das aber nicht. Hier stellten die Anordnungen eine Amtspflichtverletzung dar. Die Schadenersatzforderung für diese Produkte sei zu zwei Dritteln gerechtfertigt.

Das Münchner Gericht ließ zunächst keine Revision gegen das Urteil zu. Nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde des Freistaats landete der Fall aber schließlich doch am BGH. Ein Urteil will der Senat in einigen Wochen verkünden. (Az. III ZR 24/23)

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