Sicherheitspanne am Flughafen:Nach Großalarm zum Duty-free

Die Videokameras am Münchner Flughafen sind ausgewertet: Der Unbekannte ging nach dem Verschwinden aus dem Kontrollbereich einkaufen und essen. Ahnungslos wartete er auf das Ende des Alarms.

A. Ramelsberger

Sie haben ihn mit schwerbewaffneten Polizisten gesucht und versucht, Spürhunde auf seine Fährte zu setzen. Sie haben die Passagiere aus Flugzeugen wieder aussteigen lassen, um ihn zu finden. Sie haben das ganze Terminal 2 des Flughafens München gesperrt, um seiner habhaft zu werden - jenes Mannes, auf dessen Laptop am vergangenen Mittwoch der Detektor bei der Sicherheitskontrolle angeschlagen hatte.

Sicherheitspanne am Flughafen: Kontrolle am Flughafen: Die Sicherheitspanne gerät zur Posse.

Kontrolle am Flughafen: Die Sicherheitspanne gerät zur Posse.

(Foto: Foto: dpa)

Verdacht auf Sprengstoff im Gepäck, und doch konnte der verdächtige Passagier einfach weitergehen. Wie sich jetzt herausstellt, hatten zwar die Kontrolleure ihn aus den Augen verloren - nicht aber die Überwachungskameras am Flughafen. Am Wochenende wurden die Videos ausgewertet, die zahlreiche Kameras von dem Geschehen aufgenommen hatten.

Das Ergebnis: Der Terrorverdächtige, der scheinbar spurlos verschwunden zu sein schien, saß all die Stunden in nächster Nähe der Fahnder. Noch immer kennt die Polizei den Namen des Mannes nicht, dessen Laptop den Bombenalarm ausgelöst hatte. Sie weiß auch nicht, welches Flugzeug er besteigen wollte. Doch die Sicherheitsbehörden können nun seinen Weg nach den Kontrollen detailliert nachvollziehen, da er auf den Bändern identifiziert wurde.

Der Mann flüchtete nicht. Im Gegenteil: Erst schlenderte er gemütlich in den Duty Free Shop, dann besuchte er noch das Restaurant von Feinkost Dallmayr nebenan. Dann ordnete die Polizei die Räumung des Sicherheitsbereichs an - und der Mann ließ sich miträumen. Auch das fingen die Kameras ein. "Er ging brav raus, später dann wieder brav rein", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Sonntag der Süddeutschen Zeitung.

Stundenlang wartete der Passagier wie Tausende andere darauf, dass er doch noch sein Flugzeug besteigen könnte. Um 21.07 Uhr erfasste ihn eine Überwachungskamera erneut - da ging er wieder durch die Kontrollen, stellte sich ordentlich an, legte Mantel und Laptop auf das Band. Diesmal schlug der Detektor nicht mehr an.

"Die Bänder zeigen, dass der Mann überhaupt nicht gemerkt hat, dass er ein Problem produziert hat", sagt Herrmann. Und der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, betont: "Offenbar wusste er nicht einmal, dass er selbst am Nachmittag mit seinem vorzeitigen Verlassen des Kontrollbereichs die Großaktion ausgelöst hatte."

Bisher reagierte die Polizei auf Fragen, warum nicht öffentlich nach dem Mann gesucht werde, ausweichend. Jetzt ist klar: Es ist ihm keinerlei Vorwurf zu machen. "Selbst wenn wir seine Identität noch feststellen können, wir würden seinen Namen nicht publizieren - schon aus Persönlichkeitsschutz", sagt Herrmann. "Der Mann hat keine Schuld."

Nun beraten die Sicherheitsbehörden, was ist, wenn wirklich einmal ein Verdächtiger die Kontrollen durchbricht. Nach dem Alarm waren in München noch 40 Maschinen abgehoben. "Wir müssen die Entscheidungswege verkürzen", sagt Herrmann. "Das muss im Notfall schneller gehen." So dürften nicht zeitraubende Telefonate zwischen der Bundespolizei und dem Flugleiter im Tower liegen, der den Flugbetrieb stoppen kann.

Zudem könne man den Ausgang der Kontrollen durch eine Glastür abschirmen. Per Notknopf könnte man diese dann, so Hermann, vor einem Verdächtigen schließen - spurlos verschwinden wäre dann wohl unmöglich. Das Beispiel München zeigt auch, dass Videoüberwachung kaum Straftaten verhindern kann - aufklären aber umso mehr.

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