Münchner Sicherheitskonferenz:Protest bringt Tausende auf die Straße

55. Münchner Sicherheitskonferenz - Demonstration

Etwa 4000 Menschen sind am Samstagnachmittag in München für das Ziel "Keine neuen Mittelstreckenraketen in Europa" auf die Straße gegangen.

(Foto: dpa)
  • Ein Demonstrationszug und eine Menschenkette durch die Fußgängerzone umzingelten symbolisch die gleichzeitig im Hotel Bayerischer Hof tagende Sicherheitskonferenz.
  • Zu der Aktion hatten rund 90 Gruppen, Initiativen und Organisationen aufgerufen.
  • In einer ersten Bilanz zeigte sich die Polizei sehr zufrieden mit dem friedlichen Verlauf der Großdemonstration.

Von Martin Bernstein und Christian Schlodder

Die Forderung, hinter der sich alle versammeln konnten, stand auf dem vordersten Transparent: "Keine neuen Mittelstreckenraketen in Europa". Etwa 4000 Menschen sind am Samstagnachmittag in München für dieses Ziel und gegen die gleichzeitig im Hotel Bayerischer Hof tagende Sicherheitskonferenz auf die Straße gegangen. Ein Demonstrationszug, zu dem rund 90 Gruppen, Initiativen und Organisationen aufgerufen hatten, und eine Menschenkette durch die Fußgängerzone umzingelten symbolisch das Treffen von Politikern, Militärs und Vertretern von Rüstungsfirmen. "Es wird gezündelt, um die Gewinnspanne zu maximieren", lautete ein Vorwurf der Teilnehmer in Richtung Sicherheitskonferenz. Redner bei der Auftaktkundgebung am Stachus forderten "Abrüstung statt Sozialabbau". Kritisiert wurde auch, dass die Bundeswehr in Schulen die Werbetrommel für sich rühren darf.

In den vergangenen Jahren war es am Wochenende der Sicherheitskonferenz regelmäßig bitterkalt gewesen, oft mussten die Demonstranten durch Schneematsch stapfen. Anders am Samstag: Bei vorfrühlingshaften Temperaturen brachte das Aktionsbündnis gegen die Sicherheitskonferenz fast doppelt so viele Demonstranten auf die Beine wie vergangenes Jahr. Dazu trug offenbar - an den Transparenten und Plakaten war das abzulesen - die buchstäblich explosive Weltlage nach der Aufkündigung des INF-Vertrags zum Verbot von Mittelstreckenraketen durch die USA und Russland bei.

So viele waren diesmal gekommen, dass eine Frau mit Kinderwagen, die beim Stadtbummel in den Strom der Kundgebungsteilnehmer geraten war, hilfesuchend fragte: "Entschuldigung, wo kann man hier hingehen, wo keine Demo ist?" Auffallend war, dass - anders als bei zahlreichen Münchner Großkundgebungen des vergangenen Jahres - am Samstag nicht Familien mit Kindern das Bild bestimmten. Sehr viele junge Menschen waren dabei. Und zahlreiche ältere Menschen, die seit Jahren in der Friedensbewegung engagiert sind.

Im Bayerischen Hof gehe es nicht um Sicherheit, sagten Sprecher der Rüstungsgegner, und auch nicht um Werte - "jedenfalls nicht um unsere, allenfalls um Börsenwerte". Das sahen viele Teilnehmer ähnlich. "Unsere Sicherheit liegt ganz bestimmt nicht in der SiKo und schon gar nicht in noch mehr Waffen", urteilte eine 65-Jährige. Eine andere Frau berichtete, sie sei bereits zum zehnten Mal dabei. "Es ist leider eine traurige Tradition geworden. Eigentlich müssten Millionen gegen das hier auf die Straße gehen." Die 57-Jährige trug wie viele Teilnehmer eine jener 3200 Mohnblumen, die der Münchner Aktionskünstler Walter Kuhn im vergangenen November als Mahnung zum Frieden auf dem Königsplatz aufgestellt hatte. Wenn es so etwas wie ein Symbol der "Antisiko"-Demonstration 2019 gab, dann waren es diese überdimensionalen roten Seidenblumen.

Kurdische Flaggen, die von der Justiz als Werbung für die verbotene Arbeiterpartei PKK betrachtet und deren Träger strafrechtlich verfolgt werden, spielten dagegen anders als noch vor einem Jahr nur eine kleine Rolle. Zu Beginn der Kundgebung auf dem Stachus wurden sie von einem Versammlungsleiter auf der Bühne gezeigt - um zu verdeutlichen, was nicht gezeigt werden dürfe, wie Franz Haslbeck vom Aktionsbündnis erklärte. "Grottenfalsch und undemokratisch" sei dieses Verbot, sagte sein Mitstreiter Wolfgang Blaschka. Auch im Zug selbst war nur eine Handvoll Fahnen der Kurdenmilizen YPG und YPJ zu sehen, außerdem ein Porträt des eingesperrten PKK-Anführers Abdullah Öcalan. Das wird vermutlich noch juristische Folgen haben. Im vergangenen Jahr standen in München mehrere pro-kurdische Aktivisten vor Gericht, die solche Fahnen und Symbole gezeigt hatten.

Polizei lobt friedlichen Verlauf der Großdemonstration

Die Polizei schritt am Samstag jedoch nicht direkt ein, ebenso wenig, als ein roter Bengalo gezündet wurde, kurz bevor der Demonstrationszug auf den Marienplatz einbog. In einer ersten Bilanz, noch während die Abschlusskundgebung lief, zeigten sich Einsatzleiter Werner Feiler und Polizeisprecher Marcus Da Gloria Martins sehr zufrieden mit dem friedlichen Verlauf der Großdemonstration. Rund 3000 Beamte waren an diesem Samstag rund um die Sicherheitskonferenz im Einsatz. Diejenigen von ihnen, die den Demonstrationszug begleiteten, mussten kaum eingreifen. Laut Polizeisprecher Martins gab es bis gegen Ende der Abschlusskundgebung lediglich zwei Festnahmen, beide erstaunlicherweise, weil Demonstranten verbotene rechte Symbole gezeigt hatten: ein Ukrainer eine Tätowierung mit SS-Runen, ein Italiener den Hitlergruß, ausgerechnet am Platz der Opfer des Nationalsozialismus.

Eine Rednerin bei der Schlusskundgebung hatte jedoch einen Tipp für die Münchner Polizei parat: "Wenn Sie jemanden verhaften wollen, dann dort drüben", rief sie und deutete in Richtung Bayerischer Hof.

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