Thomas Mohr hat aufregende Tage hinter sich. Als erster Friedensaktivist überhaupt durfte er als Beobachter an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen. Der 47 Jahre alte Diplom-Psychologe und Psychoanalytiker gehört eigentlich zu "Pax Christi", war auf der Sicherheitskonferenz aber als Vertreter des Projekts "Münchner Sicherheitskonferenz verändern", hinter dem sich ein Zusammenschluss verschiedener Friedensgruppen verbirgt. In der SZ zieht Mohr ein Resümee der Sicherheitskonferenz.
SZ: Wie würden Sie Ihren ersten Eindruck von der "Siko" beschreiben?
Mohr: Die Münchner Sicherheitskonferenz lässt sich am besten als politische Tagung beschreiben, die jedoch sehr stark geprägt ist von einem Grundvertrauen in Militär und Rüstung. Das ist deren Ansatz, während wir als Friedensbewegung von dem Grundvertrauen in Gewaltfreiheit und Verständigung geleitet werden.
SZ: Kritiker sehen in der Sicherheitskonferenz eine "Kriegskonferenz" - ist sie das?
Mohr: Die Münchner Friedensbewegung muss ihre Kritik präzisieren und differenzieren. Mit einem einfachen Schlagwort wie Kriegskonferenz kommt man nicht weiter. Verwundert hat mich, dass die zwei Drei-Gänge-Menüs, zu denen ich geladen war, von zwei Rüstungsfirmen, von EADS und Krauss-Maffei, gesponsert waren. Da hätte es doch sicher andere Möglichkeiten gegeben. Und auch ganz allgemein war die Rüstungsindustrie stark vertreten. Entsetzt war ich über den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der in der hochkarätigsten Veranstaltung am Samstagvormittag sagte: "Wir brauchen mehr Rüstung und mehr Geld für die Verteidigung, auch wenn die Bevölkerung das nicht einsieht." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel argumentierte andeutungsweise in die gleiche Richtung. Danach hat sich eine Diskussion darüber entsponnen, wie man die Bevölkerung einsichtig machen könnte - ein Ergebnis habe ich daraus allerdings nicht mit nach Hause nehmen können.
SZ: Also doch eine Militärkonferenz, auf der auch Rüstungsgeschäfte getätigt werden, wie Kritiker ihr vorwerfen?
Mohr: Lassen Sie mich das differenzieren. Ich konnte mich zwar frei bewegen, saß auf dem Balkon während der Konferenz, was jedoch in Hintergrundgesprächen gelaufen ist oder sogar wer da mit wem gesprochen hat, das habe ich nicht mitbekommen. Der frühere Konferenzleiter Horst Teltschik hat in diesem Zusammenhang immer von Friedensgesprächen gesprochen. Ich kann das aber nicht beurteilen. Ganz klar muss man sagen, dass es auch Veranstaltungen gibt, die in die richtige Richtung gehen. Zum Beispiel am Freitagabend, wo es um die Visionen einer atomwaffenfreien Welt ging. Schritte zu deren Realisierung habe ich aber vermisst. Oder am Samstag, da gab es noch im kleineren Kreis eine Veranstaltung über "global governance", also über den Versuch, international geltende Regeln zu finden. In der Friedensbewegung nennen wir das "faire Weltinnenpolitik". Dort haben auch äußerst kritische Menschen gesprochen - allerdings haben derartige Veranstaltungen noch nicht den richtigen Stellenwert. Sie finden zwar statt, aber mehr am Rande. Die Konferenz zeigt dadurch aber doch eine gewisse Vielfalt.
SZ: Woher kommt denn dieses Grundvertrauen in Militär und Rüstung?
Mohr: Als Psychologe sage ich, im Hintergrund steht Angst. In der Friedensbewegung gilt ein Leitsatz: Wahre Sicherheit kann nicht gegeneinander, nur miteinander erreicht werden. Auf der Sicherheitskonferenz ist der erste Teil des Satzes, die Sicherheit gegeneinander, stärker ausgeprägt. Den zweiten Teil, das Miteinander, sehe ich aber in den Nischen-Veranstaltungen. Das alles ist aber ehrlicherweise nur ein Spiegelbild allgemeinen Bewusstseins.
SZ: Sind Sie mit Ihrer Teilnahme einen Schritt weitergekommen in Ihrem Bestreben, die Konferenz zu verändern?
Mohr: Meine Teilnahme war ein erster Schritt, sie darf jedoch nicht der letzte sein. Ich wünsche mir jedenfalls, dass künftig nicht nur eine Person von uns teilnehmen kann, sondern dass dort Friedensforscher und Fachleute zur Konfliktbearbeitung sprechen dürfen.