Sicherheitskonferenz:"Außenpolitisches Speed-Dating" bei der Münchner Siko

Sicherheitskonferenz: Bei den Veranstaltungen der Münchner Siko wird viel diskutiert - nicht immer im Licht der Öffentlichkeit.

Bei den Veranstaltungen der Münchner Siko wird viel diskutiert - nicht immer im Licht der Öffentlichkeit.

  • Neben der Münchner Sicherheitskonferenz haben sich rund 140 Veranstaltungen etabliert.
  • Früher ging es im engeren Sinne um Verteidigung und Militärisches, heute stehen auch Themen wie Cybersicherheit, Demografie, Umwelt und Menschenrechte auf der Agenda.
  • Bei den offiziellen und inoffiziellen Treffen rund um die Siko bauen Experten für Sicherheitspolitik zudem ihre Netzwerke aus.

Von Luisa Seeling

Dieses Buch kann keiner übersehen: 34 Zentimeter hoch, 25 Zentimeter breit, mehrere Kilo schwer, knallpinker Stoffeinband. "Deutschlands neue Verantwortung - die Zukunft der deutschen und europäischen Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik", steht in blauen und silberfarbenen Lettern vorne drauf. Im Inneren ein paar Essays, ansonsten kurze Texte und schwarz-weiße Fotografien - ein aufwendig produzierter Band, pünktlich zur 53. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) erschienen und mitherausgegeben von ihrem Leiter, Wolfgang Ischinger.

Das Buch, betont der, sei keine offizielle Publikation der MSC - es zeigt aber doch ganz gut den veränderten Anspruch der Veranstaltung, die in den ersten Jahrzehnten noch den etwas staubig klingenden Namen Wehrkundetagung trug. Heute ist die MSC keine Fachtagung einer kleinen, verschworenen Community mehr, sondern ein Großereignis: Neben dem Hauptprogramm, der Konferenz im Ballsaal des Bayrischen Hofs, gibt es unzählige Nebenschauplätze - Diskussionsrunden, Abendessen, Briefings oder eben Buchvorstellungen wie die des pinkfarbenen Coffee-Table-Buchs in der Palaishalle des Hotels.

Solche sogenannten Side Events gibt es erst seit einigen Jahren, ihre Zahl hat enorm zugenommen. In diesem Jahr finden neben der eigentlichen Konferenz etwa 140 weitere Veranstaltungen statt, allein 70 davon in den Räumen des Bayerischen Hofes. Sie alle sind offiziell Teil des Programms, finden also in Kooperation mit der MSC statt. "Wir schauen uns genau an, ob die Organisationen, die sich an uns wenden, seriös sind", sagt Ischinger. "Wir wollen die Reputation der Sicherheitskonferenz schließlich nicht gefährden, sondern stärken."

Anschließend helfe man, einen geeigneten Raum zu finden. Für die Dauer der MSC sei das gesamte Hotel angemietet, einzelne Räume würden dann an die Veranstalter der Nebenveranstaltungen untervermietet - darunter Stiftungen, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und sogenannte Think-Tanks, zu Deutsch Denkfabriken. "Wir können das Risiko, den Bayerischen Hof vom Dach bis zum Keller zu mieten, inzwischen ohne Sorgen eingehen, denn wir werden geflutet von Anfragen", sagt Ischinger.

Die Fülle der Nebenveranstaltungen zeigt auch, wie breit der Begriff der Sicherheit inzwischen ausgelegt wird. Ging es bei der MSC früher im engeren Sinne um Verteidigung und Militärisches, stehen heute auch Themen wie Cybersicherheit, Demografie, Umwelt und Menschenrechte auf der Agenda. Im Literaturhaus werden drei Nobelpreisträger über "Schriftsteller als Seismografen unserer Zeit" diskutieren, unter ihnen Herta Müller. Ist das noch Sicherheitspolitik? In unruhigen Zeiten ist offenbar auch literarischer Beistand willkommen. "Das Begleitprogramm ist mindestens so wichtig wie die Konferenz selbst", sagt etwa Jan Techau, Leiter des Holbrooke-Forums der American Academy in Berlin.

Der Besuch in München lohnt sich

Er hat die Münchner Sicherheitskonferenz bereits viermal erlebt, auch dieses Jahr wird er anreisen und einige der Veranstaltungen besuchen, die er in verschiedene Kategorien unterteilt: "Die erste Sorte ist die wichtigste, es sind die informellen Treffen der Großkopferten, der Regierungschefs, Außenminister und Sicherheitsberater in ihren Separees", sagt er. "Das ist das Salz in der Suppe: dass diese Leute sich treffen und reden können." Die zweite Sorte sei das offizielle Begleitprogramm, die Side Events.

Zur dritten Kategorie gehörten all die Veranstaltungen, die nicht zum offiziellen Programm gehören, aber im Fahrwasser der MSC ihr Publikum finden wollten. "Und nicht zuletzt gibt es das informelle Netzwerken der Leute, die an diesem Wochenende in die Stadt kommen", so Techau. Akademiker, Journalisten, Experten, Lobbyisten, Politiker und Ex-Politiker, "alle treffen sich dort, in den verschiedensten Konstellationen, diskutieren und tauschen Branchen-Neuigkeiten aus. Das ist der Klebstoff, der die Sache zusammenhält."

Mehrmals schon hat der "Global Go To Think Tank Index Report" die Münchner Sicherheitskonferenz zur "besten Think-Tank-Konferenz" gekürt. Global Go To, das könnte man so übersetzen: Wer sich sicherheitspolitisch vernetzen will, für den lohnt der Besuch in München. Oder, wie es ein langjähriger Beobachter der MSC ausdrückt: ein guter Ort für "außenpolitisches Speed-Dating".

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