Sicherheitskonferenz:Am Münchner Flughafen spielen sie Tetris mit Jumbos

Sicherheitskonferenz: Die Flieger der Japaner waren beim G-7-Gipfel vor zwei Jahren falsch geparkt. Warum, ist nicht zu sehen. Es gilt: Den besseren Platz muss stets die Maschine des Premierministers erhalten.

Die Flieger der Japaner waren beim G-7-Gipfel vor zwei Jahren falsch geparkt. Warum, ist nicht zu sehen. Es gilt: Den besseren Platz muss stets die Maschine des Premierministers erhalten.

(Foto: Flughafen München)
  • Am Wochenende findet in München die 53. Sicherheitskonferenz statt.
  • Weil so viele ausländische Staatschefs einfliegen, zählt der Flughafen dieses Jahr am Wochenende 200 Flugbewegungen mehr.
  • Das ist ein logistisches Problem: Wo sollen die Flieger alle parken? Schwierig ist es auch, weil sich viele erst spät anmelden.

Von Kassian Stroh

Schon mal einen Parkplatz für eine Boeing 747 gesucht? Möglichst in der Nähe der Boeing 757, weil die ja dem Vizepräsidenten gehört, und die 747 seinem Verteidigungsminister? Unbedingt so geparkt, dass sie im Notfall sofort losrollen und starten kann? Und das Ganze vielleicht nicht gerade in der Nähe einer Maschine aus einem Schurkenstaat? Und vor allem unter der Bedingung, dass Dutzende weitere Flieger auch noch Platz finden?

Für Ralph Müller, Michael Witt, Thomas Wowsnik und viele Menschen mehr am Flughafen beginnen jetzt wieder die turbulentesten Tage des Jahres. Die Sicherheitskonferenz steht an, reihenweise werden Politiker und Manager nach München kommen, per Flieger - und die wollen alle landen, starten und vor allem ein Wochenende lang geparkt sein. Vor vier Jahren zählte der Flughafen bei der Sicherheitskonferenz 90 zusätzliche Flugbewegungen, im vergangenen Jahr 164. Und heuer geschätzt 200. Eine logistische Herausforderung. Wowsnik nennt es "Tetris spielen".

In seinem Büro hängt eine große Karte des Flughafens; eingezeichnet sind dort diverse "Ramps", das sind jene Bereiche, wo Platz ist für Flieger. Parkplätze, vereinfacht gesprochen. Die Karte ist gut für die Übersicht, geplant wird am Computer. Jeder Flieger, der ins Erdinger Moos kommt, hat dort einen farbigen Balken: Ankunft, Dauer des Aufenthalts, Abflug, Größe. Das ist wichtig, denn auf dem Platz, den die Boeing 747 des US-Verteidigungsministers braucht, könnte man viele kleine Geschäftsflieger unterbringen.

Oder mehrere bundesdeutsche Regierungsflieger. Nur so als Beispiel. Sicherheitsabstände müssen auch eingehalten werden zwischen den einzelnen Flügelenden, zwischen drei und sieben Metern, je nach Größe. Wenn es zu eng wird, macht das Computerprogramm einen roten Rahmen um den Fliegerbalken. Und dann müssen sie hin- und herschieben. Tetris spielen eben.

Nur: "Das kann man sehr schlecht planen", sagt Wowsnik, der am Flughafen quasi der Chef von allem ist, was sich auf dem Vorfeld tut. "Viele warten, wer wann zusagt und melden sich dann sehr spät an", sagt Müller, der mit seinen Kollegen die Positionierung der Flieger festlegt. Dass zum Beispiel Bundeskanzlerin Angela Merkel nach München kommt, ist wahrscheinlich, aber noch nicht offiziell. Am vergangenen Mittwoch war noch nicht einmal ein Drittel der absehbaren Flieger bei Müller angemeldet.

Seiner Erfahrung nach geht es erst an diesem Montag richtig los, die meisten Anmeldungen drücken am Dienstag rein - und bis Freitagfrüh muss alles stehen. Um dann doch immer wieder umgeschmissen zu werden. Weil ein Minister plötzlich mit einem größeren Flieger kommt als geplant oder weil er zu früh einfliegt - auch ein Problem, weil dann auch die Autokolonne früher aufs Vorfeld muss, die den Politiker abholt. Die besteht in Extremfällen aus mehreren Dutzend Fahrzeugen, für die muss auch noch Platz sein.

Und davon gebe es viel zu wenig, sagt Wowsnik. "Wir haben keine Reserven mehr, wie verwalten nur den Mangel." Für die Sicherheitskonferenz hat er jetzt sogar eine Fläche, auf der im Winter sonst der geräumte Schnee angehäuft wird, zu einem Teil frei gehalten. Die wird jetzt auch zum Parkplatz. Wenn alle Stricke reißen, deklarieren sie noch einen Rollweg zum Parkplatz um. Dann müssen zwar alle anderen Flieger einen Umweg fahren, aber "man muss immer noch ein Ass im Ärmel haben", sagt Wowsnik. Ganz so schlimm wie in Hamburg wird es nicht kommen: Dort hat man zum Endspiel der Fußball-Europa-League 2010 eine ganze Landebahn zum Parkplatz gemacht.

Sicherheitskonferenz: Michael Witt (l.) und Thomas Wowsnik vom Flughafen München müssen während der Sicherheitskonferenz diesmal geschätzt 200 Flugbewegungen mehr als im täglichen Betrieb koordinieren.

Michael Witt (l.) und Thomas Wowsnik vom Flughafen München müssen während der Sicherheitskonferenz diesmal geschätzt 200 Flugbewegungen mehr als im täglichen Betrieb koordinieren.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Münchner Flughafen zieht lieber vorher die Zügel an: Jeder Flieger, der zwischen Mittwoch und Sonntag ins Erdinger Moos will, muss lange vorher anfragen. Am Wochenende dürfen Piloten München nicht als Ausweichflughafen einplanen (außer in Notfällen natürlich). Und wer zur Sicherheitskonferenz will, aber keinen Platz findet, der darf zwar landen und seine Passagiere aussteigen lassen, muss aber gleich weiter - nach Manching, nach Oberpfaffenhofen, sonst wohin.

Die vielen Begleitflugzeuge der USA werden ohnehin auf einer der Basen der US-Streitkräfte geparkt, in Ramstein um Beispiel. Das sind nicht wenige - keine Delegation betreibt traditionell so viel Aufwand wie die Amerikaner, die eigene Autos, verplombte Kerosin-Tankwagen und vieles andere mitbringen. Am Mittwoch stand für ein paar Stunden der erste Transporter vom Typ C-17 im Erdinger Moos, Wowsnik hat es über die Monitore in seinem Büro verfolgen können. Entladen wurden vier Paletten vermutlich mit Kommunikationstechnik für den Vizepräsidenten Mike Pence, der am Wochenende in München weilen wird.

Am Flughafen werden dann alle zuständigen Abteilungen in einen gemeinsamen Leitstand beisammensitzen, dazu kommen auch Bundes- und Landespolizei. All das Ankommen und Abfliegen spielt sich ja im Sicherheitsbereich ab - und die Secret-Service-Agenten, die all die Zeit über auf dem Vorfeld die US-Maschinen bewachen, müssen, weil sie Waffen tragen, wiederum von der Bundespolizei bewacht werden. So ist es vorgeschrieben.

Dafür braucht jeder die nötigen Genehmigungen und Ausweise, alles muss aufeinander abgestimmt werden. All das bedeutet schon einen riesigen Aufwand, von den Sonderwünschen ganz abgesehen. "Wir wissen, dass wir einen Israeli nicht neben einen Iraner stellen", sagt Witt, der Leiter der Zentralen Verkehrssteuerung am Flughafen. "Das könnte Komplikationen geben."

1500 Euro war den Japanern die Rangfolge doch nicht wert

Wowsnik erinnert sich an den G-7-Gipfel vor zwei Jahren, da kamen die Japaner mit zwei großen Jumbos. Einer aber war protokollarisch ranghöher, weil darin der Premierminister unterwegs war. Im Vorhinein legte Japan viel Wert darauf, dass sich das auch in der Parkplatz-Anordnung widerspiegelt.

Als es soweit war, flog der Ministerpräsident aber doch mit dem anderen Flieger ein, weshalb nach der Landung ein Militärattaché auf ihn zukam, wie Wowsnik erzählt: Ob die beiden Maschinen bitte jetzt nicht Platz tauschen, also umgeparkt werden könnten. Ja, das gehe schon, antwortete Wowsnik, koste aber 1500 Euro. Die Japaner haben es dann sein gelassen. Und ihm hernach trotzdem einen netten Dankesbrief geschickt.

"Wenn wir ehrlich sind, macht das ja auch Spaß, trotz des ganzen Aufwands", sagt Witt. "Da hast du wirklich was zu tun, nicht nur das normale Geschäft." Nur eines bräuchte er nicht, weil das organisatorisch noch viel schlimmer wäre, sagt Witt: "Gott bewahre uns vor einem G-20-Gipfel." Den kriegen im Übrigen die Kollegen in Hamburg im Juli.

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