Sicherheitsexperte:Ein Cop für alle Fälle

Seeshaupt, Firma Result Group, Walfried Sauer

Walfried O. Sauers Firma hat eine 24-Stunden-Hotline, erreichbar an 365 Tagen im Jahr.

(Foto: Georgine Treybal)

Walfried O. Sauer hat lange beim SEK und bei der Terrorfahndung gearbeitet. Jetzt versucht er mit seiner Firma Verbrechen zu verhindern, bevor sie passieren: Entführungen, Geiselnahmen - und terroristische Anschläge.

Von Gerhard Fischer

Ja, er sieht aus wie jemand, der viele lebensgefährliche Einsätze geleitet hat. Walfried O. Sauer, 53, hat kurzes, leicht nach hinten gegeltes Haar. Er wirkt jung, aber sein Gesicht hat ein paar tiefe, interessante Falten. Er ist groß, breitschultrig und sehr schlank, und wenn man Sauer mit einer einzigen Vokabel beschreiben müsste, würde man sagen: drahtig. Fast nebenbei erzählt er, dass er jeden zweiten Tag 100 Klimmzüge macht.

Seeshaupt an der Südspitze des Starnberger Sees. Sauer hat dort sein Büro in einem Glaskastenhaus. Man kann hinaus schauen auf ein Mischwäldchen. Ein paar goldene Blätter hängen noch an den Bäumen. Heile Welt. Sie steht im Kontrast zu dem, womit die Leute in diesem Glaskastenhaus arbeiten: Walfried O. Sauers Firma Result Group bekämpft Kriminelle auf der ganzen Welt. Sie erstellt Sicherheitskonzepte und versucht vor allem, Verbrechen zu verhindern, bevor sie passieren: Entführungen, Geiselnahmen, Wirtschaftskriminalität und - Terrorismus.

Viele fragen ihn jetzt, wie man sich vor Anschlägen schützen kann

Nach den Anschlägen von Paris hat seine Result Group noch mehr zu tun als sonst. "Schon kurz nach den Attentaten wurde unsere Hotline angerufen", berichtet Sauer, "von deutschen Firmen, die in Frankreich sitzen, und von Privatleuten, die in Frankreich wohnen." Sie fragten nach, wie man sich schützen kann. Wie man beschützt werden kann. Ein Vorstandsmitglied hat seinen Wohnsitz nur wenige hundert Meter von einem Anschlagsziel der Pariser Attentäter entfernt. Sauer rechnet damit, dass sich in den nächsten Tagen auch vermehrt Firmen und Privatleute melden werden, die in Deutschland zu Hause sind. Auch hier erwarten Sicherheitsexperten Anschläge.

Walfried O. Sauer hat sich an einen Konferenztisch gesetzt. Er hat die Kopfseite gewählt. Vielleicht ist das Zufall. Vermutlich nicht. Er ist ein Alphatier und er ist Gründer und Chef der Result Group, die sich selbst "ein international führendes Beratungsunternehmen für Risiko- und Krisenmanagement" nennt. Büros gibt es in Seeshaupt, Hamburg, Berlin und Brüssel.

Seine Ausbildung: SEK, Terrorfahndung, Personenschützer

Sauer war bis 1996 im Kommissariat für Wirtschaftsbetrug, beim Sondereinsatzkommando (SEK) und bei der Terrorfahndung, er hat Spezialkräfte in Bulgarien oder Peru ausgebildet; außerdem war er Personenschützer bei "hochrangigen Persönlichkeiten"; so steht es in der Broschüre der Result Group, die auf dem Tisch liegt. Sauer sagt nicht, welche Persönlichkeiten es waren. "Ich musste eine Geheimhaltung unterschreiben", erklärt er. Sauer redet über Fälle, nicht über Namen.

Einmal macht er eine Ausnahme, es ist lange her, der Name ist Richard Oetker. Der Unternehmersohn war 1976 entführt worden - von Dieter Zlof, der dafür ins Gefängnis musste. 1994 kam Zlof wieder frei, man vermutete, er hole bald das Lösegeld. Richard Oetker erzählt bei seinen Vorträgen, Zlof sei observiert worden. Sauer darf das offiziell nicht sagen, auch heute nicht; er lächelt nur, als er darauf angesprochen wird. Sagen darf er, dass er zu einem Team gehörte, das sich mit dem Entführer befasst hat. Als Zlof das Geld in London waschen wollte, griff die Polizei zu.

Eine Entscheidung beschert ihm unruhige Nächte

Sauer war damals Mitte 30. Nicht lange nach der Zlof-Sache traf er eine bemerkenswerte Entscheidung: Er stieg beim Staat aus und machte sich selbständig. Man meint, so ein Beschluss sei ein Klacks für einen mutigen Mann wie Sauer, dem bei seinen Einsätzen schon mal die Kugeln um die Ohren flogen. Oder war es doch schwer, diese eine Sicherheit aufzugeben, diese Bürgerliche-Existenz-Sicherheit beim Staat? Sauer grinst. Es ist ein Oh-ja-Grinsen. "Ich hatte einige unruhige Nächte", sagt er. Es war noch dazu die Zeit, in der er ein Haus baute, sich niederließ. "Mein Chef sagte, ich spinne", erzählt Sauer.

Aber er war von seiner Idee überzeugt. Nein, er war sogar "felsenfest" überzeugt. "Ich war ja als SEK-Mann bei vielen Fällen von Erpressung und Entführung dabei, und es war immer so, dass die Entführten und ihre Angehörigen unvorbereitet waren", sagt er. "Da musste man präventiv was machen." Entführungsprophylaxe sozusagen; die Leute vorbereiten. Und sie beschützen. In England oder den USA gab es solche Beratungsfirmen bereits. "Aber vor allem die bodenständigen deutschen Mittelständler wollen nicht erst in New York anrufen, damit sie Hilfe bekommen", sagt Sauer. "Die wollen jemanden in der Nähe haben, der schnell da ist."

Ein Schreibtischjob? Nicht sein Ding

Und es gab noch ein anderes Motiv für Sauer bei seiner Entscheidung, sich selbständig zu machen: Mit 38 ist Schluss beim SEK, man landet oft am Schreibtisch. "Einige meiner Kollegen sind da richtig versauert", sagt er. Büro? Nicht sein Ding. Walfried O. Sauer braucht das Abenteuer. Er war 15, als er sah, wie die GSG 9 die Lufthansa-Maschine "Landshut" in Mogadischu erstürmte. Terroristen, die mit der RAF verbündet waren, hatten das Flugzeug entführt. Es waren schwere Tage im Herbst 1977, für Entführte, Angehörige, Besatzung und Politiker; der eben verstorbene Helmut Schmidt war damals Kanzler. "Die hohe Professionalität der GSG 9 hat mich fasziniert", sagt Sauer heute. Damals staunte er. Und er verehrte wohl, mitten im Erwachsen-Werden, die männlichen Helden. Und wollte so etwas auch machen.

Die neue Firma, die er anfangs alleine betrieb, wuchs schnell. Sauer hatte gute Kontakte, und der Anschlag auf das World Trade Center 2001 spielte ihm in die Karten, so hart es klingt. "Wir haben damals Krisenstäbe gebildet und Krisenpläne am Fließband erarbeitet", erzählt Sauer. Heute, nach Paris, ist es ähnlich.

In Europa sind Entführungen fast immer finanziell motiviert

Es sind Ausnahmesituationen, auch wenn sich die Attentate der Islamisten in Europa häufen. Generell gilt: Im arabischen Raum, Asien oder Lateinamerika können Entführungen auch politische Hintergründe haben, in Europa sind sie fast immer finanziell motiviert. "Von den 30 reichsten Deutschen im Manager-Magazin hatten 21 schon mit Entführungen oder versuchten Entführungen zu kämpfen", sagt Sauer. Er und seine Mitarbeiter schulen die Angehörigen, das Hauspersonal und die Kinder. Meistens geht es darum, die Wahrnehmung der potenziellen Entführungsopfer zu schärfen: Steht da seit Wochen ein roter Golf in der Seitenstraße? Sitzt da jemand am Steuer? Bewegt sich jemand auffällig in der Nachbarschaft?

Und schließlich geht es bei den Trainings auch darum, wie man sich als Entführter verhalten soll. Auf keinen Fall darf man den Täter wissen lassen, dass man ihn erkannt hat. "Das ist das Todesurteil", sagt Sauer. Sieben Prozent aller Entführungsfälle weltweit enden mit dem Tod.

"Bisher wurde noch keiner entführt, der von uns trainiert wurde"

Walfried O. Sauer nimmt einen Schluck Wasser. Er hat viel erzählt und viel weggelassen, Namen und auch Verhaltensmaßregeln für seine Kunden; schließlich sollen die Entführer nicht in der Zeitung lesen können, wie er seine Kunden auf eine Entführung vorbereitet. Und Sauer hat fast nebenbei erwähnt, dass "bisher noch keiner entführt wurde, der von uns trainiert worden ist". Vielleicht ist das Zufall. Vielleicht auch nicht.

Er ist freundlich. Aber er hat auch etwas Hartes. Sonst wäre er nicht das, was er ist: Einer, der Verbrechen bekämpft. Ein Profi, dessen Firma nicht nur Entführungen oder Attentate verhindern will. Sie kümmert sich auch um das Krisenmanagement bei Produkterpressungen; davon gibt es immerhin 300 pro Jahr in Deutschland. Produkterpressung bedeutet etwa, dass der Verbrecher sagt: "Wenn ich nicht drei Millionen kriege, schütte ich im Supermarkt Zyankali in die Suppe Ihrer Firma." Sauer hilft den Unternehmen, damit umzugehen, "denn eine Marke ist schnell ruiniert, wenn das Lebensmittel mit Gift in Verbindung gebracht wird".

Sauer berät auch Unternehmen in Risikoregionen

Außerdem arbeitet die Result Group für internationale Organisationen und Staaten. Da geht es um Reformen im Sicherheitssektor, Wirtschaftskriminalität, Datenklau. Und Sauers Firma berät deutsche Mittelständler im Ausland - Firmen, die einen Staudamm im Sudan bauen wollen, eine Raffinerie in Algerien. Wo sollen die Mitarbeiter wohnen? Was ist beim Wachdienst zu beachten? "Wir sind für Unternehmen in Risikoregionen da", sagt Sauer, "wir sind Geschäfte-Ermöglicher."

Ohne Vertrauen geht das nicht. Natürlich kann man den Kunden Result-Group-Broschüren in die Hand drücken; man kann ihnen sagen, sie sollen auf die Result-Group-Homepage gehen, aber das schafft nicht so viel Vertrauen wie ein Treffen mit dem Chef: Walfried O. Sauer strahlt Sicherheit aus, auch wenn das pathetisch klingt, und er ist sehr selbstbewusst. Man nimmt ihm ab, dass er sich auskennt und dass er selbst zupacken kann.

Seine Einsatzbereitschaft: 24 Stunden, 365 Tage im Jahr

Zwar geht es in 95 Prozent der Fälle um Prävention. Aber manchmal greifen die Result Group auch richtig ein, etwa im Golf von Aden, wo Piraten zeitweise 40 Schiffe parallel entführt hatten. Sauers Mitarbeiter haben dort mit Behörden verhandelt, Lösegeld überbracht - und die Schiffe mit Waffen bewacht. "Wenn die Piraten da angegriffen hätten, wäre das Suizid gewesen", sagt Sauer. Jetzt gibt es keine Piratenüberfälle mehr im Golf von Aden. Das liegt am Schutz privater Sicherheitsfirmen, aber auch daran, dass in Ländern wie Somalia Förderprogramme gegriffen haben.

Heute hat Sauers Firma 60 feste Mitarbeiter, das sind ehemalige BND-Leute, frühere Soldaten, Spezialeinsatzkräfte und verdeckte Ermittler, Psychologen und Juristen. Und es gibt viele freie Mitarbeiter, vom Hundeführer bis zum Drogen-Experten, die bei Bedarf eingesetzt werden; in allen Teilen der Welt. Die Result Group hat eine 24-Stunden-Hotline. An 365 Tagen im Jahr. "Das zehrt auch", sagt Sauer. Einer wie er jammert nicht. Er stellt es fest. Gegen Substanzverlust hilft Sport, Sauer macht Kraft- und Ausdauertraining. Bloß Klimmzüge gehen gerade nicht. Er hat sich einen Sehnenriss im Arm zugezogen.

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