Süddeutsche Zeitung

Sicherheit auf dem Oktoberfest:Frau zwischen Schränken

"Man muss sein Hirn benutzen, nicht die Muckis": Als Sicherheitsfrau redet sich Helena Biniari auf dem Oktoberfest durch, statt sich durchzuboxen. So weist sie selbst betrunkene Kolosse in die Schranken. Manchmal allerdings hilft auch Charme nicht mehr.

Thomas Moßburger

Helena Biniaris Aufgabe an diesem Donnerstagvormittag ist es, Maßkrug-Diebe auf frischer Tat zu ertappen. Sie arbeitet für den SDM Sicherheitsdienst im Bräurosl-Festzelt auf der Wiesn. Bisher hatte sie nicht viel zu tun. Dafür ist wohl die Gästezahl zu gering und der allgemeine Alkoholpegel noch zu niedrig.

Biniari ist klein und zierlich. Sie trägt eine etwas zu große schwarz-graue Uniform und lächelt. Schwer zu glauben, dass sie betrunkene Kolosse in die Schranken weist. Wie kam sie zu dem Job? "Ich habe als Gast auf der Wiesn eine Security-Frau gesehen, das hat mich interessiert und da habe ich mich einfach mal beworben", erzählt Biniari. Das war vor 15 Jahren. Seitdem ist sie dabei - ohne Pause.

Ihr Arbeitgeber kümmert sich auf der Wiesn mit 75 bis 90 Mitarbeitern um das Bräurosl-Festzelt. Nur wenige davon sind weiblich. Doch Biniaris Chef Oliver Wörl sucht immer auch gezielt nach Frauen für sein Team: "Gerade, wenn weibliche Gäste Probleme machen oder sich in Streitigkeiten verwickeln ist es gut, auch Security-Frauen dabei zu haben, die eingreifen können". Außerhalb der Wiesn-Zeit kümmert sich die Firma um klassischen Objektschutz, wie zum Beispiel das Bewachen von Wohngebäuden oder Firmen.

Bis sie vor vier Jahren fest beim Sicherheitsdienst angestellt wurde, reichte Helena Biniari jedes Jahr drei Wochen Urlaub bei ihrem alten Arbeitgeber ein, um beim Wiesn-Sicherheitsdienst dabei sein zu können. Sie liebt ihren Job - auch wenn er anstrengend ist. Biniaris Stimme ist schon etwas heiser. Kein Wunder, seit fast zwei Wochen schaut sie nun schon täglich auf der Wiesn nach dem Rechten.

Aber das macht nichts. "Wir hier im Zelt sind wie eine große Familie - egal ob Chef, Sicherheitsleute, Putzfrauen oder die Jungs in der Schenke.", sagt sie. Mit den meisten Kollegen versteht sie sich blind, schließlich kommen die meisten wie sie jedes Jahr wieder. Die Wiesn ist für die unverheiratete Frau wie eine Art Familienersatz. Dass sie als eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne arbeitet, war für sie nie ein Thema.

Auch den Kontakt mit den unterschiedlichen Wiesn-Besuchern liebt sie: "Es ist einfach schön, wenn man Menschen, die zum Beispiel nach dem Weg fragen, helfen kann und sie einem dann sogar noch dafür danken", erzählt sie. So gibt es auch Gäste, die jedes Jahr bei ihr vorbei kommen und sich freuen, sie wiederzusehen und mit ihr plaudern.

Doch nicht alle Gäste sind so freundlich. Naturgemäß gilt auf der Wiesn: Je später der Abend, desto voller die Gäste. Und auch die Zelte. Da wird es dann für die Security-Leute schon einmal rauer. Etwa wenn sie Menschenmassen davon abhalten müssen, in das ohnehin überfüllte Zelt zu gelangen. Einmal habe ihr ein betrunkener Mann sogar eine Ohrfeige verpasst, erzählt Biniari.

Wichtig ist dann, Ruhe zu bewahren. Auch bei wüstesten Beschimpfungen. "Meistens gelingt mir das", sagt die Sicherheitsfrau. Nach der Ohrfeige war sie aber trotzdem ganz baff. Eine Kollegin ist eingeschritten. Und die Frau des Gastes hat sich bei ihr entschuldigt.

Biniari ist ohnehin der Meinung, dass Reden meist besser ist als Gewalt anzuwenden. "Man muss sein Hirn benutzen, nicht die Muckis", sagt sie. Auch wenn sie zugeben muss, dass sich nicht jede Situation mit Worten klären kann. "Mein Rezept bleibt trotzdem immer reden und freundlich bleiben."

Nach einem anstrengenden Wiesn-Tag freut sich Biniari natürlich auf ihr Bett. Zum Glück wohnt sie nur zehn Minuten von der Wiesn entfernt.

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