Süddeutsche Zeitung

Sicher auf hohen Schuhen:Wenn Klappmesser auf High Heels balancieren

High Heels sind sexy - aber das Laufen mit hohen Schuhen ist für viele Frauen ein wahrer Drahtseilakt. Eine Münchnerin zeigt in Kursen, wie es richtig geht. Das Wichtigste: den eigenen Hintern spüren.

Claudia Wessel

Als Edeltraud Breitenberger durch den Saal schreitet, sind die fünf Frauen in dem hellen Saal im Hinterhof der Sedanstraße 24 verzückt. Nicht etwa, weil Breitenberger Modelmaße hätte und diese gut in Szene setzt. Nicht etwa, weil sie einem gängigen Schönheitsideal mit Heidi-Klumschem Puppengesicht und wallendem Haar entspräche. Sondern weil sie eine ganz normale Frau ist und gleichzeitig eine Königin.

Sie hat es eben erklärt. "Spürt euren Hintern!" Das Fallenlassen ist das Geheimnis, das Gewicht-Loslassen. Die Condor-Stewardess ist dagestanden, hat ihre eine Hüfte in die Hand genommen und sie gewiegt. Dann die andere.

Und dann ist sie losgegangen. Durch den Raum, geradeaus. Nicht mit einem auffallenden Hüftschwung. Nicht mit affektiertem Getue. Nicht mit angestrengt durchgestrecktem Rücken. Sondern einfach so, gerade, natürlich, locker, selbstbewusst. Durchaus sexy. Und auf High Heels.

Im Alter von 32 Jahren begann Breitenberger, bis dahin Sekretärin in einer Computerfirma, mit dem Fliegen. Schon nach einem Jahr wurde sie Chefstewardess. "Die Führungsposition machte mir Spaß", sagt sie und so, wie sie dasitzt, glaubt man ihr sofort. Mit Kleid und Perlenkette, leicht schräg, die Beine übereinandergeschlagen, mit einem ebenso vertrauenerweckenden wie Grenzen setzenden Lächeln.

Ihr Job brachte sie durch die Welt, sehr oft in die Karibik. Ihr schon immer existierendes Hobby, das Tanzen, erhielt neue Impulse. Zuerst war da die Salsa, dann sagte eines Tages eine Freundin zu ihr: "Du, ich lerne jetzt einen Tanz, da kann man richtig Frau sein." Sie meinte den Tango argentino.

Seit 18 Jahren tanzt Breitenberger diesen Tanz nun selbst, und das dadurch erweckte neue Körpergefühl baute sie aus. 2002 erlernte sie die Trager-Methode, eine spezielle Körpertherapie, bei der es um das Thema Gewicht in einem besonderen Sinne geht. "Ziel ist es, durch Entspannung der inneren Muskeln eine größere Leichtigkeit zu spüren", sagt Breitenberger. Seit 2005 hat sie ihre eigene Trager-Praxis, neben ihrem Teilzeit-Job als Stewardess. Und dann war da diese Hochzeit auf Jamaika.

Ich war auf einem ganz tollen Fest in einem Fünf-Sterne-Hotel", erzählt Breitenberger. "Die Braut war jung und hübsch und trug ein unglaublich tolles weißes Kleid." Das Blöde war nur: Sie konnte auf ihren Schuhen nicht gehen. "Es tat mir richtig leid", erinnert Breitenberger sich. Auch wie sie dachte: "Ich weiß, wie das geht." Und in dem Moment war die Idee geboren: Sie würde Kurse geben im Gehen auf High Heels.

Zwei Jahre ist das her, in denen sie mittlerweile um die 20 Workshops und zahlreiche Einzeltrainings gegeben hat. Aus der reinen Trager-Praxis wurde das "b-edel - Institut für Bewegung und Ausdruck". Die High-Heel-Kurse basieren auf der Trager-Methode ebenso wie auf Breitenbergers Tango-Erfahrungen. Das Faszinierende daran ist für die Lehrerin: "Was gesund ist, sieht auch elegant aus und umgekehrt."

Was ungesund ist und auch so aussieht, hat Breitenberger in vier Kategorien eingeteilt. Am Anfang ihrer Kurse steht erst einmal die freiwillige Selbsteinteilung: Ist man eher der "Klappmesser-Typ", der den Oberkörper steif nach vorne beugt und beim Gehen unter sich schaut? Oder tendiert man zum "Rundrücken", klemmt seine Brust ein und versteckt den Bereich zwischen Taille und Brustansatz?

Was auf den ersten Blick korrekt erscheinen mag, kann auch der "Lineal-Typ" sein, ein "Schnellgeher mit kleinen Schritten". Gar nicht damenhaft, aber doch bei Frauen verbreitet, ist der "Breitbeiner-Typ", der die Hüfte gar nicht bewegt und "von hinten auch für einen Mann gehalten werden könnte".

Breitenberger dagegen ist eindeutig das, was ganz unten auf dem Zettel steht, den man mit nach Hause bekommt: der dynamisch elegante Typ. Geht aufrecht, spürt ihre Körpermitte. Der ganze Körper ist lebendig. Bewegt die Hüfte - je höher der Absatz, desto mehr.

Sie betont, diese Ausstrahlung sei ihr nicht in die Wiege gelegt worden: "Ich habe mich früher selbst nicht gespürt." Eigentlich braucht sie gar nicht viel zu reden. Sobald sie vormacht, was sie meint, raunen die anwesenden Damen anerkennend und wollen nur eins: auch so gehen.

Nach Fußmassage, Gehübungen und Hüftenwiegen kommt dann der große Moment, in dem die Teilnehmerinnen in ihre mitgebrachten High Heels schlüpfen und siehe da: Was zuvor als Folterinstrument erschien, ist plötzlich nur die edle Verlängerung des Beines, und das Lächeln kommt ganz von selbst. "Elegant gehen kann man auch in flachen Schuhen", sagt Breitenberger.

Wer einmal den Bogen raus hat, bewältigt dies dann aber auch zehn Zentimeter höher. Wer noch vor Silvester die Grundlagen erlernen möchte, kann am 29. oder 30. Dezember beim Abendkurs mitmachen. Anmeldung allerdings nur via Website (www.b-edel.de). Denn bis zum 28. ist die Stewardess mal wieder unterwegs - natürlich in der Karibik.

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Quelle:
SZ vom 22.12.2011/tob
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