Showpalast in Fröttmaning:Legende mit Umweltbotschaft

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Im Showpalast in Fröttmaning berichtet Jane Goodall von ihrem Leben und ihrer Arbeit in Afrika. (Foto: Stephan Rumpf)

Durch ihre Beobachtung von Schimpansen wurde die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall weltberühmt. Nun kam die 85-Jährige nach München. Ihr Anliegen: Rettet den Planeten, es ist noch nicht zu spät

Von Sabine Buchwald

Allein in der Natur zu sein, mache sie sehr glücklich, sagt Jane Goodall in einer Videobotschaft, aufgenommen vor fünf Jahren, als sie 80 Jahre alt war. Am 3. April wurde die weltberühmte englische Biologin und Primatenforscherin nun 85, und aus diesem Anlass steht sie am Freitagabend vor fast 1700 Menschen im Showpalast in Fröttmaning. Die Halle ist nahezu ausverkauft. Als sie die Bühne betritt, erhebt sich das Publikum von den Sitzen. Minutenlanger Applaus tost Goodall entgegen. Wie fast immer trägt sie einen Schal um die schmalen Schultern, an diesem Abend ist es ein flammend roter, bestickt mit silbernen Federn. An einer Kette trägt sie einen Anhänger mit der Silhouette Afrikas. Ihr graues Haar ist im Nacken zurückgebunden, der Zopf ist zum Markenzeichen geworden. Klein, aber nicht zerbrechlich wirkt Goodall, aufrecht steht sie vor der begeisterten Menge.

Etwa 300 Tage im Jahr sei sie unterwegs, sagt die 85-Jährige. Sie reist längst nicht mehr als Wissenschaftlerin, sondern als Aktivistin durch die Welt. Sie kommt zu den Menschen, um Hoffnung zu verbreiten. Ihre Botschaft: Rettet diesen wunderbaren Planeten, es ist noch nicht ganz zu spät. Das Alleinsein in der Natur, das Goodall so liebt, könnte kaum weiter weg sein als in einer solchen Megahalle. In den Sechzigerjahren hat sie ihre Karriere als Forscherin mit monatelangen Aufenthalten im Gombe-Reservat in Tansania begründet. Dort beobachtete sie Schimpansen und machte für die damalige Zeit sensationelle Entdeckungen: Die Tiere machen und benutzen Werkzeuge, sie haben Gefühle und sind den Menschen in ihrem Verhalten ähnlicher, als vermutet wurde.

Fotoprojektionen und grünes Licht auf der Bühne in München verbreiten Dschungelatmosphäre. Aus den Lautsprechern tönen Tierstimmen. Im Dschungel ist es niemals still, und wenn man Tiere liebt, so wie Goodall, fühlt man sich unter den dichten Blätterdächern nicht allein. "Die Insekten und Vögel im Dschungel sind wie Musik für mich", erklärt Goodall. In fünf Episoden erzählt die Wissenschaftlerin, die eigentlich nie eine sein wollte, aus ihrem Leben: Von ihrer weisen Mutter, die nicht hysterisch reagiert habe, als sie die Tochter mit Regenwürmern im Bett fand. Von ihrem Mentor Louis Leakey, der sie als junge Frau unterstützte, in Afrika zu arbeiten. Und vor allem von ihrem unermüdlichen Einsatz für die Tiere und die Menschen auf diesem Kontinent. Wie sie mit Projekten gegen die Armut dort kämpft. Wenn man arm sei, sagt sie, müsse man zwangsläufig Dinge tun, die nicht gut für die Umwelt seien.

Ihr Vortrag wird immer wieder unterbrochen von Musikeinlagen und Gästen, doch eigentlich möchte man nur ihr zuhören. Man kann so viel lernen von Goodall, nicht zuletzt, wie man völlig uneitel über sich selbst sprechen kann. Doch der Abend ist durchchoreografiert. Der Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens hält als Moderator die Zügel fest in der Hand. Er bringt Gäste zu Goodall, deren Hände sie unablässig schütteln muss oder die sie in Schimpansenmanier umarmt. Von der Saxofonistin Stephanie Lottermoser im Zusammenspiel mit Tim Allhoff am Flügel kommen jazzige Töne, der Pianist Yojo Christen spielt Beethovens Appassionata, Ingo Pohlmann steuert zwei rockige Schlager bei. Zwischendurch spricht Eckart von Hirschhausen per Video-Einspielung. Er bekennt, dass Goodall sein Leben verändert habe und appelliert an das Umweltbewusstsein: Man würde doch auch nicht ins eigene Wohnzimmer kacken, oder?

Der Maler Gerd Bannuscher bringt ein Gemälde mit, das in den kommenden Wochen für die Jane-Goodall-Stiftung im Internet versteigert wird. Die Architektin Marcella Hansch stellt ihr Projekt "Pacific Garbage Screening" vor, mit dem sie an Flussmündungen Plastikmüll herausfischen will. Dann steht der Schauspieler Hannes Jaenicke neben ihr. Der erzählt, wie Goodall ihn 2010 anlässlich der Bambi-Verleihung beeindruckte, als sie ein halbgefülltes Zuckerbeutelchen aus ihrer Tasche zog, um es in ihren Cappuccino zu schütten. Das sei gelebte Nachhaltigkeit, sagt er.

Letztlich bringt es Schauspielerin Nina Eichinger auf den Punkt. Sie geht im weißen T-Shirt auf Goodall zu. Das Konterfei David Greybeards, des legendären, gutmütigen Schimpansen, dem die Forscherin durch ihre Beobachtungen so nahe kam, ist auf der Vorderseite zu sehen. Die Projekte und Reisen Goodalls verschlängen viel Geld, sagt Eichinger. Deswegen solle man T-Shirts kaufen, Bücher, den Film "Jane's journey" oder Geld spenden. "Roots and shoots" ist so ein Projekt, mit dem im Namen Goodalls an Kitas und Schulen jungen Menschen Achtung vor der Natur und ein Bewusstsein für Werte beigebracht werden soll. Im Münchner Westen etwa agieren unter diesem Namen die "Würmranger". Ihnen ist mit zu verdanken, dass der kleine Fluss aus seinem starren Betonbett herausgefunden hat.

Jane Goodall steht an diesem Freitagabend einmal mehr auf der Bühne, weil sie weiß, dass sie ein beispielhaftes Leben geführt hat, gerade als Frau Jahrgang 1934, als Botschafterin für Frieden und Freiheit, und weil sie an die Menschen glaubt. Sie wolle deren Herzen erreichen, sagt sie. Das mag kitschig klingen, aber es gelingt ihr. Mit einem kurzen Film berichtet sie von der Schimpansen-Insel im Kongo, wo gerettete Tiere einen Weg zurück in die Wildnis finden. Als sie der mehrmals verletzten Wounda die Käfigtür in die grüne Freiheit öffnet, bekommt Goodall unvermittelt eine Schimpansen-Umarmung. Das war nicht der einzige Moment, bei dem im Publikum stille Tränen flossen.

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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