Shaere in Neuperlach:Große soziale Zwischennutzung steht vor dem Aus

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Aus dem Shaere wird der "Fritz Distrikt". Damit dies realisiert werden kann, stehen Untersuchungen an. (Foto: Frans Parthesius)

Ende Oktober müssen Künstler, Vereine, Initiativen und Start-ups sowie die Lebensmittelretter der „Community Kitchen“ das ehemalige Neuperlacher Allianz-Gebäude verlassen. Dort stehen Vorarbeiten für den geplanten „Fritz Distrikt“ an.

Von Patrik Stäbler

Gut drei Jahre nach dem Start schließt das Shaere im ehemaligen Allianz-Gebäude in Neuperlach am 31. Oktober seine Türen. Damit endet die nach eigenen Angaben größte soziale Zwischennutzung Deutschlands, die 150 Künstlerinnen, Vereine, Initiativen und Start-ups sowie die Lebensmittelretter der „Community Kitchen“ auf 15 000 Quadratmetern unter einem Dach versammelt.

Täglich gehen im Shaere 1500 Menschen ein und aus; neben einem Lokal gibt es dort Werkstätten, ein Kino, Ateliers und Fotostudios; dazu kommen Dutzende Workshops und Veranstaltungen jede Woche. Unter anderem haben in dem Gebäude an der Fritz-Schäffer-Straße, wo sich viel um Kultur und Bildung dreht, auch die Münchner Kammerspiele mit ihrem Theaterlabor eine Heimat gefunden.

Doch mit alledem sei nun bald Schluss, teilt Philipp Heimerl mit, der für die Eigentümerfirma Hines spricht. Der US-Konzern hatte 2020 das Gebäude sowie das benachbarte Bürohaus erworben, wo derzeit die letzten Sanierungsarbeiten laufen. Derweil entstand nebenan von Herbst 2021 an das Shaere, das von Anfang an als Zwischennutzung geplant war. Nun sei das mehr als 40 Jahre alte Gebäude „an einem Punkt angelangt, an dem aus baulichen Gründen, insbesondere dem Brandschutz, der Ende 2024 ausläuft, ein Weiterbetrieb nicht mehr möglich ist“, sagt Heimerl. Zudem beginnen Hines zufolge im kommenden Jahr die Vorarbeiten für das, was langfristig auf dem Areal entstehen soll und unter dem Namen „Fritz Distrikt“ firmiert. Dahinter verbirgt sich ein Neubauquartier mit 300 Wohnungen, Büros, Geschäften, Cafés, Restaurants und einer Kita.

Da man vom Bestand möglichst viel erhalten wolle, stünden zunächst mehrere Gutachten an, erläutert Philipp Heimerl. „Diese Untersuchungen sind jedoch nur in leeren Gebäuden machbar. Eine andere Nutzung ist aufgrund dieser Thematiken nicht möglich.“ Zudem erarbeite Hines gemeinsam mit der Stadt aktuell einen Masterplan für das Quartier als Grundlage fürs Bebauungsplanverfahren. Ausgangspunkt ist dabei ein Entwurf, der Ende 2022 als Sieger aus einem städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb hervorgegangen war.

Das Theaterlabor der Kammerspiele muss seine Aktivitäten im Shaere Ende Oktober einstellen. (Foto: Stephan Rumpf)
Günes Seyfarth ist zuversichtlich, für die "Community Kitchen" eine neue Heimat finden zu können. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Anforderung in diesem Wettbewerb war es, eine dem Shaere ähnliche Nutzung auch im Fritz Distrikt unterzubringen, erinnert Heimerl. „Hines wird daher mit allen Nutzerinnen und Nutzern in Kontakt bleiben, um ihre Meinungen und Ideen möglichst bis zum Ende des Bebauungsplanverfahrens einzubeziehen, damit die Essenz des Shaere-Projekts übertragen werden kann.“

Vorerst aber müssen sich die Vereine, Institutionen und Kunstschaffende nach einer neuen Heimat umsehen – ebenso wie die „Community Kitchen“, die Lebensmittel vor dem Müll rettet und daraus in der früheren Allianz-Großküche Mahlzeiten für ihr Lokal und Kantinen sowie Suppen, Eintöpfe und Marmeladen im Glas fertigt. 

„Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir etwas Geeignetes finden“, sagt Günes Seyfarth, Gründerin der „Community Kitchen“. Gerade für viele Künstlerinnen und Musiker aus dem Viertel dürfte es dagegen schwieriger werden. „Ich fürchte, dass sich zehn bis fünfzehn Prozent nach Hause zurückziehen werden.“ Entsprechend groß sei die Trauer gewesen, als den Nutzerinnen und Nutzern des Shaere vorige Woche das Ende zum 31. Oktober verkündet wurde. „Der eine oder andere hat mit den Tränen gerungen“, berichtet Seyfarth. Bei aller Betroffenheit dürfe man aber nicht vergessen, dass man mit dem Shaere etwas münchenweit Einmaliges geschaffen habe, betont sie. „So eine große Bandbreite an Menschen gab es in keiner Zwischennutzung. Die Diversität dieses Ortes findet sich sonst nirgendwo in München.“

Bedauern über das nahende Ende der Zwischennutzung im früheren Allianz-Gebäude äußern auch die Grünen im Münchner Rathaus. „Shaere hat das Quartiersleben in Neuperlach entscheidend verändert und gefördert“, sagt Stadtrat Christian Smolka. „Ich gehe davon aus, dass dieser offene Treffpunkt mit Gemeinschaftsküche, Bildungs- und Kulturzentrum im Viertel wieder eine Heimat findet.“

 

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