Aktuelle Kritik:Dreiecksbeziehungen

Aktuelle Kritik: Zwischen Schmäh und Selbstbewusstsein: "An mir liegt's nicht, wenn der Abend nicht lustig wird" - beim Humor-Profi Severin Groebner wurde es lustig und tiefsinnig.

Zwischen Schmäh und Selbstbewusstsein: "An mir liegt's nicht, wenn der Abend nicht lustig wird" - beim Humor-Profi Severin Groebner wurde es lustig und tiefsinnig.

(Foto: Oliver Hochkeppel)

Ein grandioser Severin Groebner im Lustspielhaus.

Von Oliver Hochkeppel

Severin Groebner bezeichnet sich selbst inzwischen als "Wiener Frankfurter", doch wegen seiner Karriere-begründenden Zeit an der Isar betrachten ihn viele immer noch als halben Münchner. Im vergangenen Jahr nahm er im Alten Rathaus den Dieter-Hildebrandt-Preis in Empfang. Hätte er ihn nicht bekommen, wäre die Premiere seines neuen Programms "ÜberHaltung" im Lustspielhaus die perfekte Bewerbung gewesen.

Natürlich ist Severin Groebner schon wegen des Wiener Dialekts und der morbiden Gedankengänge ein völlig anderer Typ Rampensau als einst Hildebrandt. Bei dem langen Schlaks kommt eine Prise Karl Valentin dazu, eine beachtliche Gesangsstimme, die er wieder für schräge Songs zur Gitarre nutzte. Er ist sich nicht zu fein für Kalauer und ehrt die Comedy-Regel, keinen Gag liegen zu lassen. Aber schon seit einigen Solo-Programmen verbindet er diese Unterhaltung mit der Art Haltung, die für Hildebrandt immer das Wichtigste war: Er bringt komplexe zeitgeschichtliche und gesellschaftliche Ärgernisse meisterhaft satirisch auf den Punkt.

Das bewiesen mehrere Passagen in "ÜberHaltung", die Eingang in die Kabarett-"Hall of Fame" finden müssten, so es denn eine gäbe. Zum Beispiel die TV-Parodie zum Thema "Muss das Dreieck so spitz sein?", in der die Moderatorin sich von einem Mathematikprofessor das Dreieck mit "mehr Punkten, Rundungen, Applikationen und Loden" wünscht und ihn, begleitet von absurden Verschwörungstheorien, mit Gewalt der Realität abschwören lässt. Prägnanter sind Mechanismen und Methoden der Querdenkerei und "gefühlten Wahrheiten" selten entlarvt worden. Nicht minder erhellend seine Analyse der großen "Wirs" Familie, Nation ("immer auf Blut gegründet") und Europa. Alles eingepasst in die kluge Rahmenhandlung einer eingebildeten Beziehung zur Sandkastenliebe und Auslandskorrespondentin Sumi, der er am Bildschirm wie in der Fantasie durch die Krisengebiete der Welt folgt. Ein Programm, für das man Groebner am liebsten nach München zurückholen würde.

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