Süddeutsche Zeitung

Film:Ein Kult-Autor, der niemals müde wird

Franz Xaver Bogners Serien sind pures bayerisches Lebensgefühl. Nun wird der Filmemacher 70 - und schmiedet neue Pläne.

Von Bernhard Blöchl

Es gibt Menschen, die werden 70 und verkrümeln sich im Gestern. Franz Xaver Bogner ist das Gegenteil. Bilanz gezogen hat der Filmemacher bereits im vergangenen Jahr, als er eine Auszeit genommen und sich von einer "längeren Krankheit" erholt habe. "Da blieb viel Zeit, und ich muss sagen: Ich bin mit meiner Vergangenheit ganz zufrieden", erzählt Bogner am Telefon. 2018 sei ein schwieriges Jahr gewesen, mittlerweile sei er aber wieder "bester Dinge", es gehe ihm gut, gar "perfekt". Und Franz Xaver Bogner macht ja eh immer weiter. Derzeit stehen zwei Projekte an: "Aktuell bin ich in einer guten Startposition", sagt er. "Eine große Serie und einen Mehrteiler" entwickle er gerade. Er könne noch nicht viel verraten, aber thematisch sei das "dort angesiedelt, wo ich mich am besten auskenne: in der Ritze zwischen Stadt und Land".

An diesem Dienstag wird er also 70, der Regisseur und Autor, der zur Vorsilbe "Kult" verleitet wie in Bayern sonst nur Helmut Dietl; der diese Haindling-Heimeligkeit anzieht wie Sir Quickly die Kühe. Es sind markige Figuren wie der von Ottfried Fischer mit inniger Liebe verkörperte Bauernsohn ("Irgendwie und Sowieso"), die die von Hans-Jürgen Buchners Band vertonten Serien zeitlos vital machen. Egal ob Ruth Drexel als Weißwurst-Paula in "Zur Freiheit" oder Erich Hallhuber als Amtsrichter Heinz Wunder in "Café Meineid" - man vergisst sie nicht, diese eigenwilligen Typen, die sich inzwischen durch mehrere Jahrzehnte gschaftln, die mal philosophieren, mal schweigen, mal streiten, mal protzen. Immer kernig, meistens roh, wie aus dem Leben herausgeschält.

Bogner, der erst die Rollen besetzt und dann am Drehbuch schreibt, ist ein Lebensgefühlsausdeuter, ein Stadt-und-Land-Kenner, ein Spannungsforscher im Dazwischen. Dort, wo es knarzt und scheppert, wo Träume auf Engstirnigkeit treffen und immer wieder die Liebe dazwischenfunkt, wo Fortgehen, Dableiben und Zurückkehren ein magisches Dreieck bilden, da wird es interessant für den Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film (sein Abschlussfilm aus den frühen Siebzigern hieß "Die Entmündigung", "eine große Anhäufung von Fehlern", wie er sagt). Und Bogner ist auch eine treue Seele. Familiär sowieso, aber eben auch im Job. In seiner Debütserie im Jahr 1982, "Zeit genug", trat Otti Fischer zum ersten Mal als Schauspieler im Fernsehen auf. Auch mit Toni Berger, Michaela May, Robert Giggenbach, Ernst Hannawald und vielen anderen drehte er mehrmals. "Ich hab' es gern, wenn man ein Team hat, das sich kennt. Das ist eine gute Basis, auf neue Spielarten zu kommen", sagt Franz Xaver Bogner, der von diesem "Ensemble-Geist" sehr profitiert habe und stets auf eine gute Mischung aus (Theater-)Profis und Talenten achtet.

Wie ein weiß-blauer Faden zieht sich das Bayernthema durch die Arbeiten des einstigen Dokumentarfilmers und Amerikanistik-Studenten. "Ja", sagt er, "Bayern ist schon zu einem Lebensthema geworden - aus einem Zufall heraus". Als kunstbeseelter junger Cineast sei das nicht der Fokus gewesen. Als aber 1980 von einem Tag auf den anderen der Regisseur der BR-Serie "Familie Meier" ausgefallen sei, musste der Herstellungsleiter der Produktion ran: Er hieß Franz Xaver Bogner und sollte sich fortan als Spezialist für langfristig angelegte Serien etablieren. Nach "München 7" und "Der Kaiser von Schexing" in den Nullerjahren lief von Bogner zuletzt die ZDF-Produktion "Über Land" (2017), mit Franz Xaver Kroetz in der Hauptrolle als Provinzrichter. Und im BR waren die Gesprächsformate "Monis Grill" (2016) und "München Grill" (2018) zu sehen.

Ein Langstreckenprofi ist der 2018 mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnete Geschichtenerzähler also seit vielen Jahren. Die fiebrige Aufregung um Netflix, Amazon, Sky und all die anderen Serienproduzenten im Streaming-Format registriert Bogner mit Neugier. "Bis dato bin ich nicht involviert", sagt er, "aber Serien reizen mich immer". Seine neuen Projekte hätten damit zwar nichts zu tun. "Aber eines kann ich sagen: Das eine spielt atmosphärisch mit dem Gefühl von jungen Leuten in der Jetzt-Zeit." Womöglich eine Art Update von "Irgendwie und Sowieso"? Was mutig und schön, aber auch riskant wäre.

Als Bogner selbst sehr jung war, war der Münchner Osten seine Heimat. Geboren wurde er vor 70 Jahren in Pliening im Landkreis Ebersberg. "Die Sau im Wappen ist verpflichtend", sagt er noch heute. Wenngleich er seit mehr als 30 Jahren in Neubiberg wohnt, so fühlt er sich noch immer mit Ebersberg verbunden (ein Grund, weshalb die Autos in seinen Serien häufig "EBE"-Kennzeichen haben).

Seinen Geburtstag an diesem Dienstag feiere er "so klein, wie es irgendwie geht", denn: "Der 70. ist nichts anderes als der Tag nach der 69." Irgendwie hat Bogner sowieso recht.

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SZ vom 15.01.2019/less
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