Serie "Sinn stiften":Ritter und Edler

Serie "Sinn stiften": Nach rund 70 Jahren bekam das Bürgerheim seinen Uhrturm wieder zurück. Dies war ein persönliches Anliegen von Carlheinz von Dall' Armi.

Nach rund 70 Jahren bekam das Bürgerheim seinen Uhrturm wieder zurück. Dies war ein persönliches Anliegen von Carlheinz von Dall' Armi.

(Foto: Robert Haas)

Legt man die historischen Tatsachen großzügig aus, hat der Urururgroßvater von Carlheinz von Dall' Armi das Oktoberfest begründet. Aber auch sonst tut die Familie viel Gutes - etwa mit der "Münchner Bürgerheim-Stiftung" und der dazu gehörenden Seniorenanlage in Nymphenburg

Von Wolfgang Görl

Als das komplett sanierte "Münchener Bürgerheim" im September vergangenen Jahres wiedereröffnet wurde, begann Carlheinz von Dall'Armi seine Ansprache mit einer Hommage an die Münchner Türme. Diese Bauwerke, sagte Dall'Armi, erzählten von der Weitsicht früherer Generationen und "sie geben in Zeiten von Not und Zerstörung den Menschen Mut und Hoffnung". Und dann kam er auf den Uhrturm zu sprechen, der das Bürgerheim in der Dall'Armistraße in Nymphenburg ursprünglich gekrönt hatte. Im Zweiten Weltkrieg hat man das neobarocke Türmchen abgerissen, um auf der darunter liegenden Plattform eine Flakstellung einzurichten. Nach dem Krieg wurde der Turm nicht wieder aufgebaut, und auch bei der Generalsanierung fehlte dafür zunächst das Geld. Dall'Armi ließ das nicht ruhen: "Es war mir ein persönliches Anliegen, dass der Turm wieder ersteht." Also spendierte er 300 000 Euro aus seiner Privatschatulle, 100 000 Euro steuerte die Edith-Haberland-Stiftung bei, und auch die Stadt beteiligte sich mit 150 000 Euro - damit war die Sache geritzt. Nach rund 70 Jahren bekam das Bürgerheim seinen Uhrturm wieder zurück.

Die Spendierfreudigkeit gehört gewissermaßen zum Wesen der Dall'Armis, weshalb es das Bürgerheim, das nunmehr ein Seniorenhaus für selbständiges Wohnen ist, ohne die Familie ebenso wenig gäbe wie die dazugehörige "Münchener Bürgerheim-Stiftung". So ruhmreich dies ist, der bedeutendste Beitrag der Dall'Armis zur Münchner Stadtgeschichte ist die Stiftung dann doch nicht. Legt man die historischen Tatsachen großzügig aus, dann darf man nämlich sagen: Der Urururgroßvater von Carlheinz von Dall'Armi hat das Oktoberfest begründet. Das stimmt insofern, als der einer Trientiner Kaufmannsfamilie entstammende Andreas Ritter und Edler von Dall'Armi (1765 -1842) zum Zeitpunkt der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen als Major des Münchner Bürgermilitärs diente. In der Kavalleriedivision der Garde leistete auch der Lohnkutscher Franz Baumgartner seinen Militärdienst, und dieser Mann hatte die Idee, zur Hochzeit des Kronprinzen im Oktober 1810 ein Pferderennen zu veranstalten. Major Dall'Armi, Baumgartners Vorgesetzter, griff den Vorschlag begeistert auf, organisierte das Rossrennen und half bei der Finanzierung. Wie jedermann weiß, entwickelte sich daraus das Oktoberfest.

Andreas von Dall'Armi, der 1784 nach München gekommen war, hat als höchst erfolgreicher Kaufmann und Bankier ein beträchtliches Vermögen erworben. Die Heirat mit Maria Elisabeth Nockher, einer Tochter der reichsten Bankiersfamilie der Stadt, öffnete ihm die Türen zu den erlesensten Kreisen. Auch als Wohltäter machte er sich einen Namen, wie sein Nachfahr Carlheinz von Dall'Armi erzählt: "Er richtete zum Beispiel ein Kornmagazin ein, um die Versorgung der Stadt bei Hungersnot zu sichern, er gründete mehrere Schulen und richtete in Nymphenburg eine Spinnstube für mittellose Frauen ein."1792 hatte ihn Kurfürst Karl Theodor geadelt, die Stadt München wiederum verlieh ihm 1824 die erste goldene Bürgermedaille.

Als Geschäftsmann kaum weniger erfolgreich war sein Enkel Heinrich von Dall'Armi (1846 -1922). Dieser etablierte in Österreich und Deutschland einen florierenden Tabakhandel, und schließlich gründete er in Milbertshofen die Austria Tabakfabrik. Auch Heinrich von Dall'Armi hatte eine mildtätige Ader, beispielsweise stiftete er 1917 ein Heim für mittellose Dienstboten beim Heiliggeistspital am Dom-Pedro-Platz. Sein karitatives Hauptwerk aber war das Bürgerheim, ein Domizil für alte Menschen, das er zum Andenken an seinen Großvater in Nymphenburg errichten ließ - genau 100 Jahre nach dem hochzeitlichen Pferderennen auf der Theresienwiese. Zur finanziellen Ausstattung des Heims gründete er 1910 die "Münchener Bürgerheim-Stiftung". Drei Jahre nach der Grundsteinlegung war das Haus mit seinen 165 Zimmern fertig. Anfangs erhielten dort ausschließlich ehemalige Mitarbeiter seiner Fabrik einen Alterssitz, später kamen auch alte Menschen aus anderen Kreisen hinzu, vorausgesetzt, sie waren gebürtige Münchner und katholisch.

Die Stiftung besteht bis heute, ihr vorrangiger Zweck ist, den Fortbestand des stiftungseigenen Bürgerheims zu sichern. Dazu gehörte auch die Generalsanierung des neubarocken Hauses. Die Arbeiten, die von Ende 2009 bis 2014 dauerten, kosteten rund 30 Millionen Euro, die nicht allein mit den Mitteln der Stiftung zu finanzieren waren. Unter anderem legte die Stadt zehn Millionen Euro dazu, von der Münchenstift-Gesellschaft, die das Haus mittlerweile führt, kamen fünf Millionen. Im Bürgerheim gibt es jetzt 118 Wohnungen in der Größe von 25 bis 85 Quadratmeter. Katholisch muss man nicht mehr sein, um dort einziehen zu dürfen.

Es ist nicht allein die Tradition, die Carlheinz von Dall'Armi mit dem Werk seines Urgroßonkels verbindet. Im Bürgerheim lebte auch seine früh verwitwete Oma, und weil er die alte Dame häufig besuchte, war ihm das Haus schon als Jugendlicher vertraut. Das verbindet. Und so gehört der 1939 in München geborene Dall'Armi seit 49 Jahren dem Kuratorium der Stiftung an, dessen Vorsitz stets der städtische Sozialreferent innehat. Was ihn zu seinem Engagement motiviert? "Adel verpflichtet", sagt Dall'Armi, der die Titel "Ritter" und "Edler" ebenfalls im Namen führt.

Doch das allein ist es nicht. Es kommt noch so etwas wie Dankbarkeit hinzu, denn - er klopft dabei auf die Tischplatte - "mir geht's saugut". Davon will er etwas zurückgeben, und gottlob verfügt er über die entsprechenden Mittel. Sein Vater war seit 1954 Inhaber des Tabakgeschäfts Weiss im Tal, das auf Schnupftabak spezialisiert war. Nach dem Tod des Vaters übernahm Carlheinz von Dall'Armi den Laden und baute zusammen mit seinem Bruder einen Tabakgroßhandel auf. Dall'Armi versorgte halb München mit Zigarren und Zigaretten, allein in der Stadt hatte er rund 1000 Zigarettenautomaten.

In den Zeiten, als das Oktoberfest noch ein Raucherparadies war, kamen die fliegenden Zigarettenhändler in den Bierzelten fast durchweg aus dem Hause Dall'Armi. Auch die Tabakversorgung der Olympischen Spiele oder der Internationalen Gartenbauausstellung 1983 war fest in der Hand des Familienunternehmens. Zwei Jahre später haben sie die Firma dann verkauft. "Ich konnte nicht mehr", sagt Dall'Armi. Der tägliche Stress, auch an jedem Wochenende - er hatte genug davon. Stattdessen verlegte er seine geschäftlichen Aktivitäten auf den Immobilienhandel, wobei er sich auf den Norden Deutschlands konzentrierte. Selbstverständlich war er auch dabei erfolgreich. Das liegt nun mal in der Familie.

Was aber den Uhrturm betrifft: Für den Komfort des Bürgerheims wäre er nicht unbedingt nötig gewesen. Und doch hätte er gefehlt, als weithin sichtbares Wahrzeichen einer traditionsreichen sozialen Einrichtung. Eines Tages bekam Dall'Armi einen Brief, in dem sich eine Dame aus der Nachbarschaft für den Turm bedankte. Froh sei sie, dass er nun wieder das Gebäude ziere, so wie sie es aus ihren Kindheitstagen kannte. Dall'Armi hat sich seinerseits mit einem Blumenstrauß bedankt. Ein Ritter und Edler weiß, was sich gehört.

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