Süddeutsche Zeitung

Serie:Eine linke Geschichte

Den Roman "Wir sind die Welle" haben Generationen von Schülern gelesen. Jetzt wurde der Stoff als Netflix-Serie verfilmt - und verändert.

Von Josef Grübl

Um seine Schüler vor der Anziehungskraft faschistischer Bewegungen zu warnen, wagte ein US-Lehrer im Jahr 1967 ein Sozialexperiment: Er brachte seinen Schülern Disziplin, Drill und Denunziation bei, sich selbst inszenierte er als eine Art Diktator. Doch das Experiment lief aus dem Ruder und musste vorzeitig beendet werden. 1981 verarbeitete der Amerikaner Morton Rhue diese Geschichte im Roman "Die Welle", 2008 adaptierte sie der Deutsche Dennis Gansel fürs Kino. Generationen von Schülern haben das Buch gelesen oder auch den Film gesehen, jetzt wurde der Stoff als Netflix-Serie verfilmt - und komplett verändert. Statt von einem Geschichtslehrer zu erzählen, der seiner Klasse die Verführungskraft der Faschisten anhand eines Praxistests aufzeigen will, geht es in Wir sind die Welle um fünf Teenager, die mit Gewalt und Guerillaaktionen gegen Missstände und Ungerechtigkeiten ankämpfen. Es geht um Kapitalismus und Klimapolitik, um Rechtsextremismus und jugendliche Radikalisierung. Einigen Zuschauern war das zu radikal, sie warfen den Machern der Münchner Firma Rat Pack Filmproduktion eine Verherrlichung von Linksradikalismus vor. Das ist übertrieben, über diesen Sechsteiler diskutieren darf und sollte man aber schon. Er ist nichts für Kinder, aber durchaus etwas für Jugendliche.

Wir sind die Welle, D 2019, Regie: Anca Miruna Lăzărescu, Mark Monheim, zu sehen bei Netflix

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Quelle:
SZ vom 20.05.2020
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