Septemberfest:Die herrliche Wahrheit eines Traums

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Mirjam Mesak als Orpheus, Guido Badalamenti als Eurydike. Im Film "Orphea in Love" heißen sie Nele und Kolya und lieben sich sehr. (Foto: Axel Ranisch / Bayerische Staatsoper)

Eine ganz große Feier der Liebe und der Musik: Axel Ranisch zeigt seinen Film "Orphea in Love" mit der grandiosen Mirjam Mesak beim Septemberfest der Bayerischen Staatsoper.

Von Egbert Tholl, München

Am Freitag beginnt das Septemberfest der Bayerischen Staatsoper, dessen Auftakt ein bisschen zerzausend werden könnte, denn getreu der Idee des Intendanten Serge Dorny, dass die Bayerische Staatsoper für ganz Bayern zuständig sei (zumindest manchmal), findet dieser in Rosenheim statt. An der frischen Luft, im Mangfallpark (19 Uhr). Wer dem Wetter nicht traut, kann sich vom Arienkonzert auch den Live-Stream anschauen.

Wetterunabhängig ist hingegen der Höhepunkt des Festivals, das neben diesem am Wochenende, 17. und 18. September, zwei Tage der offenen Tür im Kaiserhof bietet, die am frühen Nachmittag beginnen und jeweils in einem Fest enden sollen und bei denen man auch Kostüme ersteigern kann, darunter von Jonas Kaufmann getragene. Dazu gibt es Kammerkonzerte, die Haydn-Oper "L'Infedelta delusa", den aufgekratzten Ballettabend "Herzkammern", an den folgenden Tagen Benjamin Brittens "Peter Grimes" mit Jonas Kaufmann in der Titelpartie und die Kinderoper "Wie der Fisch zum Meer fand", deren zwölf Aufführungen allerdings alle bereits ausverkauft sind. Der Höhepunkt indes ist ein Film. "Orphea in Love" von Axel Ranisch, der am 17. September um 20.30 Uhr im Nationaltheater gezeigt wird.

Ranisch drehte fürs Kino, aber auch zwei "Tatort"-Folgen, und 2013 fing er an der Bayerischen Staatsoper an, Opern zu inszenieren. Während der Pandemiebeschränkungen machte er im April 2021 aus Wolf-Ferraris "Il segreto di Susanna" eine turbulente Filmkomödie, zwei Jahre zuvor konnte er noch ganz normal inszenieren, da war das Virus noch weit weg. Und Ranisch baute damals im Cuvilliés-Theater Strawinskys "Mavra" und Tschaikowskis "Iolanta" zusammen, eine tolle Aufführung, in welcher Mirjam Mesak brillierte. Sie sang und spielte damals die Iolanta, sie war umwerfend anrührend. Und jetzt ist sie Ranischs Filmstar. Sie ist die Orphea in "Orphea in Love", und sie ist ein Ereignis.

Erst einmal dreht Ranisch den Urmythos der Oper um - als erstes hört man im Film auch die Toccata aus Monteverdis "Orfeo". Aus Orpheus wird Orphea, mit Namen Nele, Eurydike ist Kolya. Dieses Umdrehen ist noch das Normalste, was Ranisch hier macht. Und ja, er erzählt den Mythos. Nur erzählt er ihn heute. Und tatsächlich als Film, auch wenn dieser auf einer Opernbühne (vermutlich in Vorpommern) beginnt und dort auch endet. Aber diese Bühne ist ein Zitat, ist Ausstattung. Ranisch feiert die Oper, die Liebe und die Kraft der Musik im Alltag. Und das hat sehr viel zauberhafte Poesie.

Die Unterführung unter dem Friedensengel wirkt wie der Eingang zum Hades

Nele stammt aus Tallinn (wie Mesak selbst), sie arbeitet in einem Call-Center, ihre Chefin ist ein Drachen. Sie lebt in einer WG mit herzlich umtriebigen Partygirls, sie hat Heimweh. Aber sie hat auch einen Kollegen, der sie ein bisschen anhimmelt, und als sie Geburtstag hat, verwandelt dieser das Call-Center in eine Bühne, da singt dann Galeano Salas eine Arie, die anderen Arbeitstierchen setzen als Chor mit ein, selbst der Drache beginnt zu tanzen, ein herrlicher Traum zwischen diesen Käfigen der Bürohaltung. Der schnell vorbei ist. Und dann trifft Nele auf Kolya.

Kolya und eine rätselhafte Alte arbeiten im Zwischengeschoss der U-Bahn am Prinzregentenplatz als Taschendiebe. Er ist ein Tänzer, Turner, Akrobat, ein liebeswerter Verführer - sie kümmert sich um die Börsen der abgelenkten Passanten. Guido Badalamenti ist bezaubernd, Ursula Werner eine fast schon mythologische Erscheinung, zusammen sind sie ein fabelhaftes Gespann, das auf einer Industriebrache haust. Nun klaut Kolya Neles Geldbeutel, von da an sind sie auf verschlungenen Pfaden hintereinander her. Nicht wegen des Geldes, wegen des anderen Menschen.

Da wirkt die Unterführung unter dem Friedensengel wie der Eingang zum Hades (man kennt ja die Urgeschichte), da ist die ganze Stadt Musik, da trifft Nele auf ein Paar, das direkt dem Mythos entsprungen sein könnte. Sie ist eine Opernsängerin mit massiven Stimmproblemen, er ihr Agent mit viel Metall und Tattoos im Gesicht. Sie werden gespielt von Ursina Lardi und Heiko Pinkowski mit massivem Aberwitz. Und Nele ist ihre Rettung.

Inzwischen arbeitet sie auch als Garderobiere in der Oper, schleicht sich in den Zuschauerraum, der Sängerin versagt als Butterfly die Stimme, und Nele singt "Un bel di vedremo" zu Ende. Verblüffung, Jubel, Begeisterung, ein grandioser Kitschmoment. Der Intendant, gespielt von Serge Dorny, ist irritiert, der Agent wittert eine Chance. Die entsteht aus einem Zufall, nächtens fährt er Kolya über den Haufen, Nele kann ihn retten, aber nur, wenn sie ihre Stimme dem Agenten gibt. Nele reist daraufhin in ihre Vergangenheit, es passieren sehr erstaunliche Dinge, die es nur in der Oper gibt, und immer wieder starrt man völlig verblüfft Mirjam Mesak an. Sie spielt irrsinnig natürlich, wahrhaftig, herrlich. Und singt. Catalanis "La Wally", die Butterfly, "Traviata". Da, am Ende, leiht sie Ursina Lardi ihre Stimme, "Addio del passato", Nele hat ihre Liebe, die Sängerin ihre Karriere. Und doch ist es der ganz große, umfassende stimmliche Triumph von Mirjam Mesak. Wundervoll.

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