Süddeutsche Zeitung

Sensoren für U-Bahn-Gleise:Gelb heißt Gefahr

Mal legen sich Besoffene aufs Gleisbett, mal stürzen Fahrgäste vor eine einfahrende Bahn. Künftig sollen deshalb Sensoren die U-Bahn-Gleise überwachen. Doch die Technik ist noch in der Testphase - und ziemlich knifflig.

Von Marco Völklein

Vorfälle wie dieser passieren fast schon regelmäßig: In der Nacht auf Samstag hatte sich ein Betrunkener ins Gleisbett der S-Bahn am Leuchtenbergring gelegt - und war von einem Zug, der ins Depot in Steinhausen einrücken sollte, im dichten Nebel überfahren worden. Nach Angaben der Bundespolizei kam der 53-Jährige mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus.

Wie er zwischen die Gleise geraten war, ist bislang unklar. Fahrgastverbände und die Rathaus-CSU fordern die Verantwortlichen zum Handeln auf. Denn es ist ja mittlerweile kein Einzelfall mehr: Mal fallen Besoffene von einem Bahnsteig ins Gleis, mal torkeln Menschen unter Drogeneinfluss vor eine einfahrende Bahn.

Und in der Tat testet die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) seit April 2013 an zwei U-Bahn-Stationen insgesamt drei technische Systeme, um solche Vorfälle zu verhindern. Dabei erfassen verschiedene Sensor-Techniken das Gleis - und aktivieren im Notfall ein gelbes Warnsignal im Tunnel, sodass der U-Bahn-Fahrer - im Idealfall - noch rechtzeitig stoppen kann.

Die Versuche laufen derzeit an den Bahnhöfen Rotkreuzplatz (U 1 und U 7) sowie Studentenstadt (U 6). Die MVG möchte so herausfinden, welches System an einem unterirdischen Bahnhof sowie an einer oberirdischen Station am besten läuft, daher auch der Versuch am Freiluft-U-Bahnhof an der Studentenstadt.

Wie zufrieden die Techniker damit sind, dazu will sich die MVG derzeit allerdings noch nicht äußern. Eine erste Bilanz werde man veröffentlichen, sobald "der Pilotversuch abgeschlossen und abschließend ausgewertet" sei, teilte ein Sprecher am Montag mit. Das werde "voraussichtlich Mitte des Jahres" sein.

Frage der Finanzierung ungelöst

Knifflig ist die Technik insbesondere deshalb, weil die Systeme unterscheiden müssen, ob da ein Mensch oder ein Kinderwagen ins Gleisbett gefallen ist - oder ob es sich nur um eine Cola-Dose oder eine hineingewehte Zeitung handelt. Weist das System zu oft "Fehlauslösungen" auf, würde das den gesamten U-Bahn-Betrieb stören oder sogar lahmlegen. Deshalb würden die Systeme in der Testphase auch "laufend nachjustiert und optimiert", sagte der Sprecher. Die Erfahrungen daraus würden dann auch in die Endauswertung einfließen.

Hinzu kommt: Die Frage der Finanzierung ist noch völlig ungelöst. Selbst wenn eines der getesteten Systeme sich am Ende als zuverlässig erweisen dürfte, würde eine Komplettausstattung des gesamten U-Bahn-Netzes laut MVG wohl "mindestens einen zweistelligen Millionenbetrag" kosten - hinzu kämen die "jährlichen Folgekosten" in ungenannter Höhe.

Die Deutsche Bahn als Betreiberin der S-Bahn hat zudem bereits abgewunken: Man beobachte zwar die Versuche der MVG und anderer, werde aber auf absehbare Zeit Systeme zur Gleisbettüberwachung nicht einführen, heißt es im Konzern. Zum einen wegen der hohen Kosten. Und zum anderen verweigere das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde den Systemen die Zulassung für Bahnstrecken.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2014
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