Altenpflege:"Wir wollen vermeiden, dass die Menschen noch einmal umziehen müssen"

Lesezeit: 3 min

Die Inneneinrichtung der Tagespflege im Haus an den Isarauen soll sich bewusst vom Charakter eines Pflegeheims absetzen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Haus an den Isarauen will nicht wirken wie eine Pflegeeinrichtung: Menschen ab 60 Jahren können hier Wohnungen mieten, Helfer und Ärzte stehen jederzeit bereit. Und sogar eine Friseurin kommt regelmäßig zu Besuch.

Von Sven Loerzer

Der Raum erinnert eher an ein stilvoll retromodern eingerichtetes Hotel als an eine Tagespflege. Im Kreis sitzen sechs ältere Frauen, die sich gerade mit Wörtern doppelter Bedeutung beschäftigen. Eine Fliege? Die Antwort lässt nicht auf sich warten: Insekt und Kleidungsstück, antwortet eine der Frauen. Von der Fotografin, die gerade zu der Runde stößt, lassen sie sich nicht stören. Gegen Fotos sei nichts einzuwenden, sagt eine von ihnen und scherzt: "Die werden aber teuer, bei so vielen Models."

Insgesamt 17 Plätze bietet die Tagespflege im Haus an den Isarauen, das vor einem knappen Jahr eröffnete und von der Paritätische Altenhilfe Pullach in Untergiesing betrieben wird. Zu der Innenausstattung, zu Terrassenmöbeln und Parkbänken für den kleinen Gartenbereich hat der "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" beigetragen, um das wichtige Angebot zur Entlastung pflegender Angehöriger zu ermöglichen. Die Besucher werden vom Fahrdienst abgeholt, die Tagespflege, die derzeit noch über freie Plätze verfügt, ist von Montag bis Freitag von 7.30 bis 16.30 Uhr geöffnet.

Über den Loungebereich der Tagespflege, in dem Besucher zur Ruhe kommen können, freuen sich die Dienststellenleiterin der Altenhilfe, Martina Makosch (links), und Hausleiterin Pavlina Kalnakova. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Mitarbeitenden kümmern sich dort um Menschen mit Demenz ebenso wie um ältere Menschen, die lieber in Gesellschaft sind, als alleine daheim, sagt die Dienststellenleiterin der Paritätischen Altenhilfe Pullach, Martina Makosch. Wichtig sei die Strukturierung des Alltags, der mit einem gemeinsamen Frühstück beginnt, vormittags und nachmittags stehen gemeinsame Aktivitäten im Vordergrund. Abgetrennt durch einen Raumteiler gibt es einen Entspannungsbereich mit großen Sofas, auf denen sich auch ein Mittagsschlaf nach dem gemeinsamen Mittagessen halten lässt. Dass es nicht möglich ist, jeden Tag die Tagespflege zu besuchen, ohne einen großen Eigenanteil an den Kosten aufzubringen, kritisiert Makosch. Aber für pflegende Angehörige bringe oft schon ein Tag pro Woche wichtige Entlastung.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Das Haus an den Isarauen in der Teutoburger Straße 8 bietet neben der Tagespflege für Menschen ab 60 Jahren mit Pflege- oder Unterstützungsbedarf auch 39 Wohnungen mit einer Größe von 30 bis 70 Quadratmetern, die Mieten liegen bei rund 1200 bis 1800 Euro. Sie sind unmöbliert, aber mit Küchenzeile ausgestattet, verfügen über rollstuhlgerechte Badezimmer mit Dusche, Loggia, Videosprech- und Rufanlage und Internetanschluss. Zur Miete kommt eine Betreuungspauschale von 200 Euro monatlich, die auch einen 24-Stunden-Notruf enthält. Die Bewohnerinnen und Bewohner bekommen außerdem Beratung und Unterstützung, sagt Hausleiterin Pavlina Kalnakova, etwa wenn es um Anträge bei der Pflegekasse geht, um Krankengymnastik oder um die Bestellung von Medikamenten bei der Apotheke. Eine Hausärztin besucht das Haus regelmäßig, es gibt Kooperationen mit Fachärzten, auch eine Friseurin kommt. Um die Pflege kümmert sich ein ambulanter Dienst. Im Fall der Fälle ist somit laut der Paritätischen Altenhilfe für alles gesorgt. "Wir wollen vermeiden, dass die Menschen noch einmal umziehen müssen", betont Martina Makosch.

"Vereinsamung im Alter ist ein großes Thema", sagt Martina Makosch. Gerade wenn der Partner oder die Partnerin stirbt, fallen viele Aktivitäten weg. Im Haus an den Isarauen gibt es einen Gemeinschaftsraum, der dank der Ausstattung, die der SZ-Adventskalender mitfinanzierte, einladend wirkt. Da kann man zusammen Kaffee trinken, "oder auch mal einen Rotwein", wie Hausbewohnerin Heidelinde Niedermeier, 78, vergnügt ergänzt. Sie schaut gerade mit ihrem Dackel Wasti, "Nummer vier", vorbei, den sie sich aus dem Tierheim geholt hat. Haustiere sind im Haus an den Isarauen erlaubt, und so wohnen die beiden dort seit Dezember.

Im Garten des Hauses an den Isarauen treffen sich Gerd Majewski und Heidelinde Niedermeier in Begleitung von Dackel Wasti. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sie haben sich fein gemacht für den Spaziergang, Heidelinde Niedermeier hat einen kräftigroten Lippenstift aufgetragen, im Kontrast dazu die dunkel lackierten Fingernägel. Wasti trägt ein weißblau kariertes Halstuch. Gerd Majewski, 66, gesellt sich dazu, er ist im Herbst eingezogen. Seit fünf Jahren ist der Münchner Witwer. Er habe immer im Speckgürtel gewohnt, aber kein vergleichbares Angebot des Betreuten Wohnens dort finden können. Er hatte Glück, dass er noch einen Platz im Haus an den Isarauen bekommen hat: Inzwischen ist das Haus komplett belegt. Wer einziehen möchte, muss sich auf die Warteliste setzen lassen.

Trotz seiner Gehbehinderung lässt Gerd Majewski es sich nicht nehmen, hin und wieder das Traditionswirtshaus Isarthor aufzusuchen, "eine ganz originelle Gaststätte", wo man anständig essen könne. Aber auch im Gemeinschaftsraum mit seinen unterschiedlichen Programmangeboten fühlt er sich sehr wohl, mit einer kleinen Einschränkung: "Bei Rätselrunden und Gymnastik bin ich nicht zu finden."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUnterbringung von Geflüchteten
:In den Stadtvierteln wächst der Protest gegen neue Flüchtlingsunterkünfte

Das Rathaus plant sieben Container-Standorte für 1900 Menschen. In den Bezirksausschüssen kommt es zu tumultartigen Szenen.

Von Patrik Stäbler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: