Sendlinger Straße:Münchner Plattenbau

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Früher als geplant wird die neue Fußgängerzone in der Sendlinger Straße fertig. Bald können die Münchner über chinesische Basalt und heimische Bodenplatten schlendern. Doch das Bohren, Hämmern und Bauen wird nur vorübergehend aufhören.

Katja Riedel

Vor der wohl spektakulärsten Baustelle in der Münchner Innenstadt haben sich drei asiatische Touristen aufgebaut. Sie sehen aus wie ein sozialistisches Denkmal: In Schrittstellung nach vorne gelehnt blicken sie hinter die Fassaden der neuen "Hofstatt" auf dem ehemaligen Gelände des Süddeutschen Verlages an der Sendlinger Straße, die Hand liegt als Blendschutz an der Stirn.

Schon bald sollen die Bauarbeiten beendet werden: Das ehemalige Redaktionsgebäude der Süddeutschen Zeitung ist bereits renoviert, das der Abendzeitung (ganz links im Bild) soll ebenfalls bald fertig sein. (Foto: Robert Haas)

Würden sie, ganz ohne Sonnenstörung, auch noch zu Boden schauen, sie würden ein weiteres Millionenprojekt erblicken. Die Touristen stehen auf nagelneuen Münchner Gehwegplatten, mitten im Bereich der neuen Fußgängerzone, zu der die Sendlinger Straße nun drei Wochen früher als geplant, am 21. September, wird - zumindest zwischen Färbergraben und Hackenstraße.

Es geht um 2550 Quadratmeter, um eine Erweiterung der Einkaufsmeile, die an der breitesten Stelle nun 19,50 Meter misst. Nochmals vergrößert wird diese wohl von 2014 an um die Dultstraße. Deren Umbau zieht das Baureferat nach, sobald eine größere Baustelle am Oberanger abgeschlossen ist, erklärt Projektleiter Michael Schaller vom Baureferat. Schaller und sein Kollege Florian Hochstätter, Leiter des Sachgebiets Gestaltung im Öffentlichen Raum, erklären an diesem Mittwochmittag Journalisten und Anwohnern, wie die Bauarbeiter bei der Umgestaltung vorankommen.

Sie sollen aber auch Antworten auf Probleme finden, deren Ursachen sie nicht verantworten. Auf die entscheidende Frage, warum nur ein weiteres Teilstück der Sendlinger Straße den Fußgängern übergeben wird und nicht der gesamte Straßenzug bis zum Sendlinger Tor, antwortet Hochstätter diplomatisch. Stück für Stück müsse man vorgehen, ein entsprechendes Gutachten, das den Zugang für Autos zum Hackenviertel untersucht, sei noch nicht abgeschlossen.

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Tatsächlich war und ist die Umgestaltung der Sendlinger Straße nicht nur in diesem Punkt ein Politikum. Diskutiert wurde auch eine ganz anderes städtebauliche Frage, Visionen eines Waldes, der die Straße hätte durchziehen sollen. Übrig geblieben ist das, was Projektleiter Schaller einen "Solitärbaum" nennt, eine einsame Robinie, nicht zu hoch, nicht zu dicht gewachsen, nicht zu dominant, am Schnittpunkt zwischen Dultstraße und Sendlinger Straße ins Häusermeer gepflanzt. Diesen Solitär hatte sich der Stadtrat eigens gewünscht, man wird ihn wohl einen Kompromiss-Baum nennen müssen. Immerhin, ganz allein wird sie nicht bleiben. Eine metallene Rundbank soll einer Handvoll Passanten einen schattigen Platz bieten.

Die wohl spektakulärste Baustelle in der Münchner Innenstadt soll früher fertig werden als geplant: Dann können Fußgänger wieder entspannt durch die Sendlinger Straße schlendern. (Foto: Catherina Hess)

Statt eines großen Wurfes also, der die gesamte Sendlinger Straße zur Fußgängerzone gemacht hätte, präsentieren Schaller und Hochstätter an diesem Tag eine "relativ unspektakuläre Sache", eben nur "eine Erweiterung". Knifflig gemacht hätten diese aus Sicht des Baureferates vor allem die vielen Parallelbaustellen: die Hofstatt, die Fernwärme- und Fernkälteprojekte, Strom-, Gas-, Wasserrohre, die verlegt wurden und die neuen Lichtwellenleiter.

Sie selbst haben neben den neuen Bodenplatten aus heimischer Produktion auch chinesischen Basalt verlegt - um keine Plattenwüste zu schaffen, sondern eine gegliederte Fläche. Der dunkle Basalt, Candela genannt, ist als Mittelrinne verlegt, hinzu kommen Querlinien, "Bänderungen" genannt. Der Chinesencandela hatte bei der Ausschreibung "aus wirtschaftlichen Gründen" gesiegt, sagt Schaller. Ein Team des TÜV Rheinland schaute eigens in dem chinesischen Steinbruch vorbei, um ein Zertifikat zu erstellen, dass dieser ohne Kinderarbeit hergestellt ist. Südlich der Basaltlinie, um wenige Meter versetzt, stehen sogenannte "Alt München"-Leuchten, optisch sind sie früheren Gaslaternen nachempfunden.

Gefallen findet dies auch bei einem Geschäftsmann, der zur Baustellenbesichtigung gekommen ist. Willy Lindner betreibt das Juweliergeschäft Fridrich in der Sendlinger Straße, mit seinem Sohn ist vor zehn Jahren die fünfte Generation in den Familienbetrieb eingestiegen. Lindner ist voll des Lobes, die Baufirmen hätten sich stets bemüht, den Zugang zu den Geschäften offenzuhalten. "Wo gehobelt wird, da fallen halt auch Späne", sagt er. Sein Laden wird bestehen, auch in den neuen Zeiten. Die Aufwertung des Viertels wird ihn nicht vertreiben, denn höhere Ladenmieten braucht er nicht zu fürchten. Das Haus gehört der Familie.

© SZ vom 23.8.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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