Sendlinger Brache:Die Wüste bebt

Sendlinger Brache: Die Sendlinger Wüste: Viel Geröll und Kies, ansonsten ist es zugig. Für die Anwohner bringt der Wind Staub, Müll und Lärm.

Die Sendlinger Wüste: Viel Geröll und Kies, ansonsten ist es zugig. Für die Anwohner bringt der Wind Staub, Müll und Lärm.

(Foto: allessandra schellnegger)
  • Die Brachfläche am Herzog-Ernst-Platz in Sendling soll seit vielen Jahren bebaut werden.
  • Das Planungsreferat will keine reine Wohnbebauung.
  • Die städtische Wohnungsgesellschaft GWG hat den Behörden ein Konzept zugeschickt, nach dem sie etwa 20 000 Quadratmeter auf das Eckgrundstück bauen würde.

Von Birgit Lotze

Brachfläche mitten in Sendling

Eigentlich sollten auf der Brachfläche am Herzog-Ernst-Platz in Sendling bereits seit mehr als einem Jahrzehnt Büros, Läden und auch einige Wohnungen stehen. Die Stadt als Eigentümerin schreibt das 8000-Quadratmeter-Areal immer wieder aus. Doch trotz der Baureife will es kein Investor haben. Seit beinahe 13 Jahren geht das schon so.

Die Anlieger nennen die Brache "Sendlinger Wüste". Sie drängen auf eine Bebauung. Der Bezirksausschuss (BA) Sendling macht wieder einen solchen Anlauf: Er hat einen Antrag an den Stadtrat gestellt, dass die Stadt diese Ausschreibungen stoppen soll. Der geltende Bebauungsplan schreibt vorwiegend Gewerbe und Büros für das Gebiet vor. Die Stadtviertelpolitiker fordern, noch einmal von vorne anzufangen - also eine Änderung des Bebauungsplanes. Es sei wichtig, dass umfangreich bezahlbare Wohnungen gebaut würden. Außerdem benötigten die Anwohner dringend einen Supermarkt, Kindergarten und -krippe.

"Nicht jede Fläche wird uns aus der Hand gerissen", heißt es dazu lapidar im Kommunalreferat, das für den Verkauf zuständig ist. Wohnungsbau in großem Ausmaß sei auf dem Areal am Herzog-Ernst-Platz gar nicht möglich, der Großteil müsse für Gewerbe verwendet werden. Laut Bebauungsplan könnten lediglich 30 Prozent des Areals für den Wohnungsbau verwendet werden: "Das ist das Maximum, und dabei bleibt es." Mehr Wohnungen seien einfach nicht drin: "Ein noch höherer Anteil Wohnbau ist ausgeschlossen, weil sonst der Gebietscharakter des Kerngebiets nicht gewahrt bliebe."

Reine Wohnbebauung unerwünscht

Etwas Aufschluss gibt die Erklärung des Planungsreferates, welches wiederum den Bebauungsplan verantwortet. Nein, mehr als 30 Prozent Wohnbau sei nicht drin, "sonst würde das Gebiet umkippen", sagt der Pressesprecher. Der Großteil sei Handelsbetrieben, Geschäften und Büros, der Verwaltung und der Kultur vorbehalten. Das Areal am Herzog-Ernst-Platz sei Teil eines großen Bebauungsplanes, der das Gebiet zwischen Ganghofer-, Radlkoferstraße und Theresienwiese - nördlich begrenzt vom Bavariapark - abdecke. MK 6, so heißt das Areal in der Behörden-Sprache, sei darin als Kerngebiet verankert. Und es diene dazu, die Wohngebiete im Inneren abzuschirmen.

"Der ganze Bebauungsplan ist ein abgewogenes Konstrukt", so der Pressesprecher. Ändere man etwas, habe das auch auf die anderen Bereiche Auswirkungen, auf die Lärmsituation beispielsweise. Es könne auch beispielsweise zu einer Verschärfung der Lage in der Kinderbetreuung führen, wenn Wohnbau dort entstehe, wo eigentlich Büros oder Betreuungsstätten geplant seien:"Es ist schwer, Teile im Bebauungsplan zu ändern."

Das wird in Sendling allerdings nicht so gesehen. Die SPD im Bezirksausschuss begründete ihren Antrag offen mit der "Untätigkeit" der Stadt, über viele Jahre hinweg. Von "sinnlosem Festhalten an dem nicht mehr zeitgemäßen Bebauungsplan" ist die Rede. Die Sendlinger Politiker haben die Stadt immer wieder aufgefordert, dort bezahlbares Wohnen und die notwendigen Einrichtungen des täglichen Bedarfs zu schaffen. Die Anwohner sprechen sogar von "hanebüchener Unfähigkeit der Politiker". Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Stadt nicht in der Lage sei, innerhalb von mehr als einem Jahrzehnt das Grundstück zu bebauen.

Staub, Müll und Lärm aus der "Wüste"

Denn die Anlieger haben die Nase voll: Das Gelände ist zugig, der Wind bringt Staub, Müll und Lärm. Die Gegend ist auch sonst baulich unfertig. Ein Anlieger der Hans-Klein-Straße wartet bereits seit elf Jahren auf einen Gehsteig auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dort liegen Geröll und Kies. Die Stadt will den Gehsteig aber erst anlegen, wenn die Brache bebaut ist. Auch der Gehweg vor der Wohnanlage ist nicht fertig, ein Provisorium seit mehr als einem Jahrzehnt.

Früher stand an dieser Stelle das städtische Bauzentrum. das 2002 abgerissen wurde; es sollte neu bebaut werden. Passiert ist wenig. Erst nutzte die Stadt das Areal noch als Lagerplatz für andere Bauprojekte. Vor zwei Jahren wurde dann eine Art Steinwall errichtet, damit keine Autos mehr darauf fahren konnten. Das war's. Die direkten Anlieger beschweren sich über den Müll, den Staub, den Krach und den Wind. Im Sommer, bei sehr trockenem Wetter, müssen sie laufend die Fenster putzen. Eigentlich sollte ein Bau auf der Brache die Wohnanlage vor dem Lärm der Radlkoferstraße schützen. Jetzt sitzen sie sozusagen mitten drin.

Die GWG hat einen Plan

Sie hatten bereits an den ehemaligen Oberbürgermeister Christian Ude geschrieben, im Wahlkampf auch an den jetzigen OB Dieter Reiter (SPD) und an die Grüne Sabine Nallinger, sie haben das ZDF und die Printmedien eingeschaltet. Die Ausbeute der Berichte war schwach. Ein einziges Antwortschreiben kam von der Stadt, von Kommunalreferent Axel Markwardt. Die Stadt sei "auch an einer baldigen im Sinn der Bedarfsdeckung bestmöglichen Verwertung des MK 6 interessiert" schrieb Markwardt.

Der Sendlinger Bezirksausschuss hat einen speziellen Anlass, die Baumaßnahmen jetzt vorwärts zu treiben. Denn die städtische Wohnungsgesellschaft GWG hat im Sommer den Behörden ein Konzept zugeschickt. Danach würde sie etwa 20 000 Quadratmeter auf das Eckgrundstück bauen. Geschäftsführer Dieter Bock spricht von fünf oder sechs Projekten. Die GWG schlägt vor, auf 30 Prozent der Fläche Wohnungen umzusetzen, ein Großteil ist für Läden, eine Apotheke und Praxen gedacht.

Ein weiterer Teil ist für Projekte ausgelegt, die "gewerbliches Wohnen" ermöglichen, etwa Clearinghäuser oder Boardinghäuser, wo Menschen nur kurzfristig wohnen. Die Behörden haben diesen Vorschlag allerdings nicht aufgegriffen. Vom Kommunalreferat hat Bock die Antwort bekommen, die Behörde prüfe andere Möglichkeiten. Auch in Clearinghäusern könne man wohnen.

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