Sendling:Tropfen der Hoffnung

Die Freie Werkstatt für Bildhauerei und Gestaltbildung in Sendling feiert ihr 40-Jahre-Jubiläum mit einer Ausstellung

Von Birgit Lotze, Sendling

Der künstlerische Mensch, das sei eine innere Haltung, sagt die Bildhauerin und Zenmeisterin Gisela Drescher. Künstlerisches Schaffen beginne damit, sich erst einmal innerlich vollkommen zu sammeln, still zu werden, und dann die eigene Bewegung nach außen zu setzen. Viele Schüler sind in den vergangenen Jahrzehnten durch ihre Ausbildung und ihre Werkstatt im Hinterhof der Kidlerstraße 19 gegangen, nicht nur Sendlinger, die Schüler kommen aus ganz Deutschland. Es verändere einen, eröffne neue Blickrichtungen und Chancen, sagen zwei ihrer ehemaligen Schüler, Hans Leeb und Werner Kreuzholz. Abgesehen von den handwerklichen Mitteln, die man eben auch erlerne.

Die Freie Werkstatt für Bildhauerei und Gestaltbildung feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Hans Leeb hat dafür eine Ausstellung mit Werken einiger Schüler in der Werkstatt zusammengestellt. Da findet sich die Bildende Künstlerin Stephanie von Hoyos, die bis 2017 Vorsitzende der Künstlervereinigung FFB war und im Haus 10 in Fürstenfeldbruck Ausstellungen organisierte. Werner Kreuzholz, der seine Skulpturen aus Lindenholz auch mit der Kettensäge in Form bringt. Anni Rieck, Dozentin an der Kunstakademie Bad Heilbrunn, Michaela Rode, die derzeit gerne mit der Wirkung der Farbe Schwarz experimentiert. Die Sendlingerin Barbara Müller, die die Ausstellung sowohl mit einem Hinterglas- als auch mit einem Ölbild bestückt - und den "Neun freundlichen Platzhaltern", ein unverkäufliches Werk mit mongolischen Porzellanscheiben. Stefanie von Thun zeigt "Lichtblicke" auf großen versilberten Platten, Uske Schopper Bronzen. Ute Bullemers stellt ihre Botschaften auf Karten vor. Marti Kestermann ist eine der wenigen, die sich nach der zweijährigen Ausbildung bei Gisela Drescher einem Material zugewandt hat, dessen Bearbeitung wohl eher nicht Teil der Ausbildung ist: Sie macht Pralinen.

Gisela Drescher

Kunst aus Holz: Die Bildhauerin Gisela Drescher arbeitet und lehrt an der Kidlerstraße.

(Foto: Stefan Caspari/oh)

Die Bildhauerin Gisela Drescher selbst arbeitet am liebsten mit Holz. Bekannt ist ihr "Boot der Hoffnung", eine Folge von Dreschers Auseinandersetzung mit den Flüchtlingen, die sich 2006 nach Lampedusa aufmachten. Sechs Jahre wanderte das Boot durch Deutschlands Städte - über Dresden, Leipzig, zum Schluss an den Münchner Flughafen. Tausende Menschen tropften mit Kerzen "Hoffnungstropfen" hinein, Buchstaben. "Ich hoffe, dass mein Mann wieder gesund wird", oder ganz profan "neue Klettergerüste für die Schule". Kamen Hoffnungen dazu, gingen die alten nicht verloren, weil sie im Wachs gefangen waren, hieß es damals. Jedenfalls hat Gisela Dreschers Werk viele Menschen bewegt, einer von ihnen - der schwedische Komponist Stig Gustav Schönberg, komponierte sogar eine Kantate mit Texten aus dem dazugehörigen Logbuch. Das Boot ist Teil der Jubiläumsausstellung. Das Wachs aus dem Boot der Hoffnung bilden jetzt das "Boot der Zuversicht". Die Künstlerin sagt: "Die Hoffnung schwebt. Wenn sie auf die Erde kommt, dann wird sie zu Zuversicht. Dann kann man handeln." Gisela Drescher machte lange Zeit Kunst am Bau, auch verkaufte sie Werke. Im Außenbereich der Benepharma Chem in Geretsried steht ihr mehr als 2,5 Meter großes zweiteiliges Werk "Das Ganze zerfällt", im Innenbereich das innen vergoldete Holzbecken "und setzt sich neu zusammen". In München erinnert man sich vor allem an die Carl-Orff-Ausstellung: Viele klappbare Paravents im Gasteig, die zwischen Carl-Orff-Saal und Kleinem Konzertsaal aufgereiht Freunde und Verwandte des Komponisten zeigten.

In Sendling fiel die Künstlerin vor allem mit einer Aktion im Jahr 1998 auf. 52 Menschen machten damals mit. Drescher fotografierte sie in deren Lieblingsstellung und projizierte sie auf Platten, die die Fotografierten wiederum bearbeiteten und in Untersendling aufstellten und damit Passanten irritierten: zwei Pfarrer vor der Kirche, Chi Gong am Wegesrand, Jogger, Ladenbesitzer, Cafébesucher - je nachdem. Keine der 52 Figurenplatten sei in den zehn Tagen zerstört worden, sagt sie. Das sei doch erstaunlich, findet sie.

Kunst in Sendling

Seit 16 Jahren gibt es das Kulturwochenende "Kunst in Sendling" - mit offenen Ateliers, Werkstätten und Ausstellungsräumen. Das Zentrum liegt in diesem Jahr wieder auf dem Großmarktgelände, im Kontorhaus 2, wo viele Sendlinger Künstler gemeinsam ausstellen. Kunst in Sendling findet heuer von Freitag, 12. Oktober, bis Sonntag, 14. Oktober statt, am Freitag von 14 bis 22 Uhr, Samstag von 14 bis 22 Uhr und Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Rahmenprogramm und Ausstellungen findet man unter www.kunst-in-sendling.com. Das Magazin liegt gratis am Infopoint im Kontorhaus und in den Ateliers aus.lo

Vernissage der Ausstellung zu 40 Jahre Freie Werkstatt für Bildhauerei und Gestaltbildung mit Gisela Drescher und Schülern ist am Freitag, 5. Oktober, um 18 Uhr mit der John Herb Group. Geöffnet ist danach täglich von 14 bis 18 Uhr. Am Wochenende wird die Ausstellung Teil von "Kunst in Sendling". Finissage ist am Samstag, 13. Oktober.

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