Sendling:Neue Rechenspiele

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Eine verzwickte Formel regelt die Sitze in den Bezirksausschüssen nach der Einwohnerzahl. Im Bezirksausschuss wird diskutiert, ob das Vorgehen bei dem Bevölkerungswachstum in der Stadt so noch funktionieren kann

Von Julian Raff, München-Sendling

Wer ein Mandat im Bezirksausschuss (BA) antritt, braucht viel Zeit für Sitzungsabende, Aktenstapel, Ortstermine und Gespräche. Damit sich fürs Ehrenamt auch künftig genug Kandidaten finden und die Ausschüsse nicht mit ihren Stadtteilen übermäßig anwachsen, hat das städtische Direktorium als Leitstelle der BAs vor Jahren deren minimale und maximale Größe durch eine Rechenformel definiert. Die stößt nun allerdings an ihre Grenzen und könnte bald zum Auslöser einer weiter reichenden Diskussion um die künftige Rolle der Gremien werden - und um die innerstädtischen Verwaltungsgrenzen.

Ein Vorgeschmack auf mögliche Debatten ergab sich nun in Sendling, nicht weil das Viertel zu den heißesten Wachstumskandidaten gehören würde, sondern weil der örtliche BA 6 turnusgemäß früh ins Sitzungsjahr startete. Früher als viele Kollegen hatten die Sendlinger Viertelpolitiker und ihr Vorsitzender Markus Lutz (SPD) also ein Schreiben auf dem Tisch, das sie, mit der Bitte um Rückmeldung bis Ende März, auffordert, mögliche Konsequenzen aus einem aktuellen Rechen-Paradoxon zu diskutieren. Bisher nämlich richtet sich die BA-Größe nach der Einwohnerzahl in einem Korridor, den einerseits das kleinste Plenum vorgibt, also derzeit der erste Stadtbezirk Altstadt-Lehel mit seinen 15 Mandaten, andererseits das größte, nämlich der BA Ramersdorf-Perlach mit 45 Sitzen. Die Einwohner-Differenz dieser Bezirke von aktuell 96 180 Münchnern entspricht demnach 30 Mandaten und wird in 15 Schritten zu je 6412 Münchnern unterteilt, denen je zwei BA-Sitze entsprechen. Die Deckelung durch diese etwas verzwickte Formel führt dazu, dass fünf Stadtbezirke (allerdings nicht Sendling) trotz gleichbleibender oder wachsender Bevölkerung in der kommenden Amtsperiode 2020- 2026 zwei Mandate abgeben müssten.

Die Stadtrats-Grünen / Rosa Liste wollten dies im vergangenen Oktober so nicht stehen lassen und beantragten erfolgreich einen Korrekturfaktor. Zugleich beschloss der Stadtrat, das Verfahren für die Kommunalwahl 2026 auf den Prüfstand zu stellen. Von den BAs will das Direktorium hierfür unter anderem wissen, wie sie mit ihrer Größe zurechtkommen. Außerdem enthält das Schreiben die Frage, ob die Unter- und Obergrenzen nicht aufgegeben werden sollten. Selbst der direkte Einwohnerproporz steht zur Diskussion, schließlich haben die kleinen, zentralen Bezirke ein dickes Paket an größenunabhängigen Aufgaben zu bewältigen. Eine alternative Formel böte, laut Direktorium, die Bayerische Gemeindeordnung. Wären die Münchner Bezirke eigenständige Kommunen, stünden ihnen demnach 30- bis 50 köpfige Gemeinderäte zu. Der vielleicht kontroverseste Diskussionsvorschlag im Schreiben besteht darin, "die Größe der Stadtbezirke einander anzunähern, das heißt, die Zuschnitte zu verändern".

Über etwaige Fusionen diskutierten die 21 Sendlinger Vertreter noch nicht, allerdings denken einige von ihnen, darunter BA-Chef Lutz, gleich noch eine Nummer größer und stellten die Frage, ob die weiter wachsende Landeshauptstadt nicht bald selbständige Bezirksämter und Bezirksbürgermeister nach Berliner Vorbild bräuchte. Lutz bezweifelt, dass ein 80-köpfiger Stadtrat die Stadt mit dem nötigen Überblick regieren kann. Er verband dies mit dem Versprechen, sich von eben dort aus für eine Stärkung der BAs einzusetzen, sollte er am 15. März vom 19. Platz der SPD-Liste aus ins Rathaus gewählt werden. Eine Verwaltungsreform müsse nicht nur bei den gewählten Gremien das Übergewicht eines zentralen "Wasserkopfs" austarieren, so Lutz. Als dringliche Reform schwebt ihm dabei die Aufgliederung des Sozialreferates in drei bis vier stadtregionale Einheiten vor.

© SZ vom 13.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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