Süddeutsche Zeitung

Sendling:Magerer Ertrag

Damit Lkw-Fahrer am Großmarkt den Diesel abstellen, wurden für die Kühlaggregate Stromanschlüsse installiert. Die meisten funktionieren aber offenbar nicht

Von Birgit Lotze, Sendling

"Voll gegen die Wand gefahren", sagt Dieter Heber, "ein Riesenfiasko". Heber ist Agenda-21-Aktivist und spricht von Stromanschlüssen auf dem Großmarktareal, die im Frühsommer 2019 installiert wurden. Die Absicht war, dass Diesel-Lastwagen dort ihre Kühlaggregate aufladen statt Diesel zur Kühlung ihrer Ladung zu benutzen. Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) hatte die Steckdosen als Kandidatin im Bürgermeisterwahlkampf noch als Beitrag zum Umweltschutz angekündigt. Die von Lärm und Abgasen geschädigten Anwohner beschweren sich allerdings seit Monaten, dass kaum ein Lkw an den Strom angeschlossen sei.

Heber, der sich seit dreieinhalb Jahren für die Anschlüsse auf dem Großmarktareal einsetzt, hat sich deshalb jetzt vor den Hallen 10 und 23, wo die Ladesäulen stehen, selbst mit einzelnen Anwohnern ein Bild gemacht. Er stellte fest: Von den zwölf Anschlüssen, die finanziert wurden, gibt es dort nur sechs. Zwei von diesen seien nicht benutzbar, man könne die Steckdosen nicht erreichen. Von den verbliebenen vier Anschlüssen seien nur zwei aktiv. Und auch sonst werde es Nutzungswilligen nicht leicht gemacht an der Stelle. Die Laderampen seien schwer erreichbar, teils sogar blockiert gewesen, als er dort war. Es gebe auch keine Schilder, die auf die Möglichkeit aufmerksam machten, es bestehe sogar ein Parkverbot für Kühl-Lkw. "Die Investition läuft vollkommen ins Leere", glaubt Heber. Er spricht von einem Skandal. "Behördenversagen nennt man das."

Das Kommunalreferat begründet die Halbierung der Ladesäulen-Zahl mit Strommangel. "Aufgrund der vorhandenen Stromkapazitäten konnten nur drei Anschlüsse pro Halle installiert werden." Dass einige Anschlüsse nun gar nicht zugänglich seien, damit habe die Stadt nichts zu tun. "Das ist Angelegenheit des Händlers", also des Hallenmieters. Doch bei einer Prüfung vor rund zwei Wochen hätten alle Anschlüsse funktioniert. Dass keine Schilder auf die Möglichkeit zum Stromladen hinweisen, erklärt der Pressesprecher damit, dass die Hallen vermietet seien. Den Nutzern der betroffenen Hallen sei die Möglichkeit zum Stromtanken bekannt.

"Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit" habe man sich für die Laderampen 10 und 23 entschieden, antwortet der Vertreter des Kommunalreferats auf die Frage, warum man die Stromanschlüsse nicht allen Lkw zur Verfügung stellt, sondern nur den Kunden der Hallenmieter. Die Hallen 10 und 23 lägen so, dass sie während des Umbaus länger genutzt werden könnten, sie seien nicht die ersten, die überplant oder saniert würden. Eigentlich sei man überhaupt nur wegen der sich häufenden Beschwerden von Anwohnern bereit gewesen, die Stromanschlüsse jetzt zu installieren, noch vor dem geplanten Umbau des Großmarkts. Das Parkverbot bestehe, da dort eine Be- und Entladezone liege. Praktisch sei das Parken jedoch kaum zu vermeiden, heißt es im Referat, viele Transporter hätten für mehrere Großhändler geladen und oft Wartezeiten zu überbrücken. Gerade deshalb habe man an dieser Stelle "eine Entlastung der Umwelt durch die Stromanschlusspunkte erwirken wollen".

Dass die Lage bald verbessert wird, alle Anschlüsse installiert oder an einen besser erreichbaren Ort verlegt werden, darauf macht das Referat keine Hoffnung. Es handle sich um einen Prozess, der laufend optimiert werde, sagt der Sprecher. "Wir sind dabei, auf Grundlage der gewonnen Erkenntnisse ein Konzept zur bedarfsgerechten Ausstattung mit Stromanschlüssen am Lkw-Parkplatz zu erarbeiten."

Auf die Frage, wie man eigentlich die zweite Charge von 50 000 Euro, die der Stadtrat für weitere zwölf Stromanschlüsse bewilligt hat, verwendet habe, antwortet der Referatsvertreter, das Geld sei für die Planung von Anschlusssäulen auf dem großen Lkw-Parkplatz vorgesehen. Ob sie erst nach dem Großmarkt-Umbau eventuell Ende des Jahrzehnts entstehen, lässt er offen.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2020
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