Sendling:Lausiges Plätzchen

In Sendling fragt man sich, ob man einen Weihnachtsmarkt wie den am Harras nicht lieber lassen sollte. Lokalpolitiker sprechen von Fress- und Saufständen, Jahrmarktstimmung und pochen auf Verbesserungen

Von Birgit Lotze, Sendling

Romantiker suchen den seit 2013 jährlich stattfindenden Weihnachtsmarkt am Harras wohl kaum zielgerichtet auf: Die Buden wirken, als ob sie dort abgestellt worden seien, wo es dem Aufsteller gerade gepasst hat, Besucher und Passanten stolpern über Kabelgewirr und ab und an durch Müll. Ob sich die Lage in diesem Jahr bessern wird, kann man von Ende des Monats an selbst beurteilen. Denn wie es aussieht, wird der Weihnachtsmarkt auch heuer wieder aufgebaut - trotz deutlicher Kritik der Stadtviertelpolitiker im Sendlinger Bezirksausschuss (BA). Beinahe hätten die Kritiker - sämtliche Grüne und Teile der SPD - ihn in dieser Woche gekippt.

"Der Weihnachtsmarkt im letzten Jahr war eine Katastrophe", stellte SPD-Fraktionschef Ernst Dill fest, der das Resümee zog, lieber keinen Weihnachtsmarkt zu haben als einen solchen. Er sprach von "Müllhalde" und "Trash-Buden", an denen Plastikzeug verkauft werde. Jan Erdmann sagte für die Grünen, dass sie eigentlich gerne einen Christkindlmarkt hätten. "Aber nicht so einen wie in den letzten drei Jahren." Margot Fürst (CSU) sprach von schrecklicher Musik mit primitiven Texten.

Sendling: Schon nach dem Start des Harras-Weihnachtsmarkts im Jahr 2013 hagelte es Kritik.

Schon nach dem Start des Harras-Weihnachtsmarkts im Jahr 2013 hagelte es Kritik.

(Foto: Stephan Rumpf)

"Das war nur zum Verscheuchen", urteilte auch Ilse Holzbauer (SPD) über die vergangene Weihnachtssaison. "Wahnsinnslaut", doch ohne Weihnachtsmusik. Ein riesiges Karussell habe die "Platzmitte weggenommen". Und ansonsten nur "Fress- und Saufstände", Würstl statt Plätzchen, eher Jahrmarkt denn Weihnachtsmarkt. Ilse Holzbauer fragte in die Runde, ob dem Sendlinger Markt vielleicht ein Motto guttun würde. Denn Münchner Weihnachtsmärkte hätten eigentlich ein Motto: Mittelalter am Wittelsbacher Platz, Märchen in der Residenz, Krippenfiguren hinter dem Rathaus, Künstler an der Münchner Freiheit, zählte Holzbauer auf.

Auch am Veranstalter und am Verfahren übten die Lokalpolitiker Kritik. Wozu brauche man einen Veranstalter, der sich weder für den Inhalt - sogar Spielzeugwaffen sollen im vergangenen Jahr auf dem kleinen Markt verkauft worden sein -, noch für die Position der Buden verantwortlich sehe, fragte Dill. Der SPD-Fraktionschef stellte auch fest, dass nicht der bisherige Veranstalter Thomas Niederreiter Antragsteller für die Bewilligung des Marktes sei, sondern eine bislang unbekannte Frau, die nicht zur Sitzung erschienen war. Statt ihrer stand wiederum Niederreiter da. "Ist sie eine Strohfrau?" fragte Dill. Habe Niederreiter eventuell nicht mehr die notwendige Lizenz? Auch Grünen-Fraktionssprecher Rene Kaiser wies auf ein fragwürdiges Verfahren hin. In dem Antragsschreiben sei nicht mal ein verantwortlicher Leiter genannt.

Christkindlmarkt in München, 2013

Der Marktbetreiber änderte einiges, doch offenbar nicht genug.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Niederreiter streitet dies ab: Die Antragstellerin sei eine enge Mitarbeiterin, er mache mit, weil er über die Kontakte verfüge. Er habe im vergangenen Jahr "in dem Moment" keine Handhabe wegen des Spielzeugs gehabt, schließlich sei es keine richtige Waffe gewesen. In diesem Jahr sei dieser Stand nicht dabei. Auch die Kabelsituation werde er heuer verbessern, versprach er, und als Attraktion wolle er den größten Adventskranz Münchens um den Brunnen basteln. Das große Karussell werde allerdings wieder dabei sein, man müsse es ja nicht so zentral aufstellen.

Auch die CSU übte Kritik, doch den Weihnachtsmarkt stellte sie nicht in Frage. Schließlich sei er abends oft gut besucht, führte Fraktionschef Thomas Kaiser aus. Es habe auch positive Rückmeldungen gegeben. Natürlich gebe es "Abfallgeschichten", Probleme mit der Umzäunung, "aber das sollte dieses Jahr besser gelingen". Manuela Olhausen (CSU) forderte mehr Gemütlichkeit, weniger Lautstärke und eine Märchenbude für Kinder. "Der Weihnachtsmarkt sollte mehr zum Treffpunkt für Familien und Senioren werden." Auch in der SPD sprach sich die Mehrheit für den Markt aus. "Wir stehen zum Christkindlmarkt am Harras", sagte Benjamin Jergius. "Aber der Veranstalter muss die Kritik aufnehmen und an den Stellschrauben drehen, wo heuer noch was machbar ist." Für die kommende Saison müsse er ein neues Konzept entwickeln.

Einstimmig beschlossen wurde, das der Bezirksausschuss keine Miete für die wieder geplante soziale Bude, die Vereinen und Institutionen aus dem Viertel zur Verfügung stehen soll, zahlen wird. Auch die Schließdienste soll künftig der Marktbetreiber übernehmen. Außerdem soll er die Kritikpunkte umsetzen, die man bereits nach der vergangenem Saison moniert hatte. Ein Antrag, wonach der BA die Zustimmung verweigern sollte, solange der Betreiber kein Konzept für einen Weihnachtsmarkt mit deutlich dörflicherem Charakter vorlegt, verfehlte knapp die Mehrheit.

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